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Wer in Deutschland gegen Unrecht kämpft und für Versöhnung und Verständigung eintritt, kann eigentlich damit rechnen, hierzulande ein Forum zu finden, wo er finanzielle und mediale Unterstützung erhält. Häufig gehen Einladungen zu Talkshows und Vortragsveranstaltungen damit einher. Doch dies ist eben nur eigentlich so. Das Engagement des Lübecker Professors Rolf Verleger stößt von Seiten der Medien zumindest auf keine große Unterstützung, da die meisten sich fragen: Darf der das?
Rolf Verleger darf das und wenn nicht er, wer dann?
Im Juli dieses Jahres schrieb der Vorsitzende des "Landesverbands Jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein" einen Brief an das Präsidium des "Zentralrats der Juden in Deutschland", in dem er die militärischen Maßnahmen Israels gegen den Libanon kritisierte und für eine friedliche Lösung im Palästinakonflikt plädierte. Doch der Brief, in dem er schrieb, daß die Militäraktion Israel nicht sicherer, sondern unsicherer mache und daß es falsch sei, zu denken, daß man ein umso besserer Jude sei, je entschiedener man für Israels Gewaltpolitik eintrete, traf bei seinen Gemeindemitgliedern und beim Zentralrat auf Unverständnis. Der als Psychologe an der Universität Lübeck tätige Rolf Verleger wurde von seiner Gemeinde von seinem Amt als Vorsitzender enthoben.
Da Rolf Verleger laut eigenen Worten jedoch von jeher gewöhnt war, eine Minderheitenposition zu vertreten - seine Familie war einst die einzige jüdische in seinem Heimatort -, ließ er sich nicht entmutigen, zumal er von vielen Seiten Zuspruch erhielt. "Leute haben gesagt, sie knien vor mir nieder", so der Psychologe. Ob Nachbarn, Vorgesetzte, Kollegen, die Frau auf dem Markt oder die in seinem Reisebüro, alle gratulierten ihm zu seiner Initiative. Und so machte Rolf Verleger weiter. Im September gründete er mit anderen Juden, die so dachten wie er, "Schalom5767". Schalom steht für Frieden und 5767 ist das aktuelle jüdische Jahr. Und dieses soll nun endlich ein Jahr des Friedens werden, so die Gründer.
Doch "Schalom5767" richtet sich nicht erneut an den "Zentralrat der Juden in Deutschland" oder an Israel selbst, sondern ist als Online-Petition beim Bundestag eingereicht. Deutschland solle als größtes und einflußreichstes Land in Europa endlich seinen Einfluß geltend machen, damit die "Spirale der Gewalt" endlich durchbrochen wird: "In beiden Gesellschaften, der israelischen wie der palästinensischen, gibt es seit langem Stimmen für Verständigung; die ,Genfer Vereinbarung ist dafür wegweisend. Diese Stimmen brauchen Unterstützung. Nur wenig Unterstützung kommt jedoch aus Deutschland. Das hat seinen Grund: Vor 61 Jahren endete mit der Niederlage Nazi-Deutschlands der unter Führung von Deutschen begangene Massenmord an den Juden Europas. Scham und Trauer über dieses Verbrechen läßt viele Menschen zur Politik des jüdischen Staats Israel schweigen. Aber dieses Schweigen ermöglicht neues Unrecht."
Damit "Schalom5767" Unterstützer findet, müßten die Medien auf das Anliegen der Gründer hinweisen, doch kaum einer wagt sich daran. Und wenn, dann um zu kritisieren, daß sich die Aktion an die Bundesregierung wendet, obwohl die nicht der richtige Adressat sei.
Doch Verleger hat sich dabei durchaus etwas gedacht. Zwei seiner Geschwister sind nach Israel ausgewandert, und daher weiß er aus eigener Erfahrung, wie die Stimmung im Lande ist. Die Gesellschaft dort sei zu sehr zerrissen und nicht in der Lage, sich aus sich selbst heraus eindeutig zum Frieden zu bekennen. "Judentum ist eine Religion, aber wer ist denn heute noch religiös, also definiert man sich über den Nationalismus", meint der Wahl-Lübecker. Dies gelte auch für die Juden in Deutschland, für die Israel eine Herzensheimat sei.
Und die Deutschen? Die sehen die Gewalt, die von Israel ausgeht, sehen Unrecht, das von vielen Seiten ausgeht, doch wagen nicht öffentlich, auch Kritik an Israel zu äußern. Wie "Schalom5767" es schon sagt, liegt der Schatten der deutschen Schuld über der deutschen Urteilskraft.
Trotz geringer medialer Unterstützung haben schon gut 1000 Menschen auf der Internetseite www.schalom5767.de unterzeichnet. Dies sei der beste Beitrag gegen Antisemitismus seit langem, bekam Rolf Verleger anerkennendes Lob für sein Tun. Und tatsächlich durchbricht er eine Mauer des Schweigens, die die Gefahr in sich birgt, daß Vorurteile aufgrund mangelnder Diskussionsmöglichkeiten sich verfestigen. |
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