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Die Potsdamer Garnisonkirche soll laut Superintendent Bertram Althaus nach dem Wiederaufbau eine "Citykirche" und ein "Versöhnungszentrum" werden. Die Wortschöpfung "Versöhnungszentrum" fügt sich ein in die verschwiemelt-moralisierende, unpräzise Sprache der evangelischen Amtskirche, die nichts weiter mitteilt, als daß ihre Benutzer sich für die besseren Menschen halten.
Denn wer versöhnt sich da mit wem? Die Kirche mit sich selbst? Die Pfarrer mit den entlaufenen Schäfchen? Die Versorgungsansprüche des Apparats mit den sinkenden Steuereinnahmen? Gemeint ist wohl: Die Berlin-Brandenburgische Kirche versöhnt die ehemaligen Kriegsgegner Deutschland und Großbritannien miteinander.
Nur: Ist das nicht ein bißchen viel? Und ist es überhaupt nötig? Die deutsch-englischen Beziehungen sind nicht so überschwenglich wie die mit Frankreich - dafür ist die geographische Distanz zu groß -, nicht derart massentouristisch geprägt wie die mit Italien - dazu sind beide Länder sich zu ähnlich -, aber sie sind solide. Gewiß, England hat als alte Kolonial- und Seemacht spezielle Interessen und Verbindungen, die Deutschland manchmal suspekt sind. Außerdem machen die Briten ihre Witze über die Deutschen als Gewohnheitsnazis, doch diese revanchieren sich mit Schadenfreude über das miserable englische Gesundheitswesen.
So sorgt der normale Alltag für ausgleichende Gerechtigkeit. Und vor allem sind beide Länder in politischen und militärischen Bündnissen vereint. Kurzum, das Verhältnis ist gut, und es ist überhaupt nicht zu erkennen, was ein kirchliches Versöhnungszentrum in Potsdam daran noch verbessern könnte.
Wenn weder die Engländer noch die Deutschen diese Einrichtung brauchen, wer dann? Nur die entseelte Amtskirche. "Citykirche" und "Versöhnungszentrum" verhalten sich zueinander wie Form und Inhalt. Und genau da liegt das Elend der protestantischen Kirchen in Deutschland, die über keinen religiösen Glutkern mehr verfügen, der strahlt, wärmt und die Menschen anzieht. Daher will sich jene Kirche mit gesinnungsethischem politischem Aktionismus in die Öffentlichkeit drängen.
Das ist auch der Grund für den Streit mit der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG). Die TPG will Schwulenehen, die feministische Theologie, das Kirchenasyl und Kriegsdienstverweigerer außen vor halten. Was ist dagegen einzuwenden? Hat in der Schwulenszene etwa eine theologische Debatte über die reli-giöse Bedeutung der Ehe stattgefunden, die die Segnung der Homo-Partnerschaft ausgerechnet in der Garnisonkirche nahelegt? Wehrdienstverweigerer handeln längst nicht immer aus Gewissensgründen, sondern oft aus Bequemlichkeit und Karriere-Erwägungen.
Die Kirchenzuflucht für abgelehnte Asylbewerber bildet das moralische Schutzschild für einschlägig engagierte - und finanziell interessierte - Vereine und Anwälte, und über den Tinnef der Jesa-Christa-Theologie schweigt man besser ganz. Alle diese Aktivitäten können in fast jeder beliebigen Kirche stattfinden. Warum dann auch noch in der Garnisonkirche? Es geht lediglich darum, die eigene gesellschaftspolitische Vorherrschaft zu demonstrieren. Diejenigen, die am lautesten Toleranz predigen, sind außerstande, sie zu gewähren. Sie wollen allein bestimmen, und das überall.
Menschliches Handeln ist stets mit der Möglichkeit des Scheiterns und des Irrtums befrachtet. Das wäre Ort, Thema und Aufgabe der Religionsverkündung, nicht aber die Aufgeregtheit des "engagierten Christentums". Dieses verkommt zum inquisitorischen Arm des politisch-korrekten Zeitgeistes. Es war furchtbar zu erleben, wie der Bischof von Berlin-Brandenburg und EKD-Ratspräsident Wolfgang Huber, bar jeder Nächstenliebe, sich an die Spitze der Treibjagd gegen den CDU-Abgeordneten Martin Hohmann setzte. Die Kirche, die jetzt in Potsdam nach einem "Versöhnungszentrum" ruft, ist Teil eines mächtigen Pharisäerkartells. Sie versöhnt niemanden, sie stiftet Unfrieden.
Die Ächtung politischer Gegner hat die Seelsorge verdrängt: "Ordensleute für den Frieden" demonstrieren vor der Frankfurter Börse zum Evangelischen Kirchentag 2001 |
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