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In jenem März des Jahres 1935, in dem im Deutschen Reich die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt wurde, wurde in Kiel mit der „Gneisenau“ eine weitere Mißachtung von Versailles auf Kiel gelegt. Der spätere Nachfolger des Panzerschiffes „Admiral Graf Spee“ als Flottenflaggschiff gehörte nämlich - wie sein ebenfalls nach einem preußischen General aus den Befreiungskriegen benanntes Schwesterschiff „Scharnhorst“ - zu der den Deutschen im Pariser Vorort verbotenen Gattung der Schlachtschiffe.
Nach eindreivierteljähriger Bauzeit und genau 22 Jahre nach dem Untergang des gleichnamigen Großen Kreuzers bei den Falkland-Inseln lief das Schiff am 8. Dezember 1936 vom Stapel. Die Taufrede hielt auf Wunsch des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine, Generaladmiral Erich Raeder, der Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch. Nach einer Würdigung des Nachfolgers von Gerhard Scharnhorst als Generalstabschef Gebhard Blüchers schloß der Oberbefehlshaber des Heeres seine Rede mit den Worten: „Der erste im Angriff, der letzte, der von der Verfolgung abläßt - sei tapfer, treu und glück-lich - und ehre damit den großen Soldaten, den Generalfeldmarschall Neithardt von Gneisenau, dessen Namen Du tragen wirst!“ Nachdem die Witwe des letzten Kommandanten des Großen Kreuzers „Gneisenau“ den Taufakt vollzogen hatte, glitt der Neubau in sein Element. Durch unglückliche Umstände lief das Schiff zwar auf die Kaimauer am jenseitigen Ufer zu und drückte diese fast vier Meter ein, bevor es zum Stehen kam, doch wurde kein Zuschauer verletzt und der Havarist am Heck nur unwesentlich beschädigt.
Trotz dieser Beschädigung überholte die „Gneisenau“ in den folgenden Monaten ihr eher auf Kiel gelegtes und früher vom Stapel gelaufenes Schwesterschiff insofern, als sie der erste Schlachtschiffneubau war, der von der deutschen Kriegsmarine in Dienst gestellt wurde. So wurde das Schlachtschiff denn auch Nachfolger der „Admiral Graf Spee“ als Flottenflaggschiff.
Es behielt dieses Privileg vom Mai 1939 bis zur Ablösung in dieser Funktion durch die „Bismarck“, den neuen Stolz der deutschen Flotte, im März 1941.
Im Gegensatz zu ihrer Nachfolgerin „Bismarck“ war der „Gneisenau“ im Zweiten Weltkrieg ein erfolgreicher Durchbruchsversuch zum Handelskrieg im Nordatlantik vergönnt. Während Admiral Günther Lütjens nämlich mit dem Unternehmen „Rheinübung“ scheitern sollte, glückte ihm das Unternehmen „Berlin“. Es begann mit dem Auslaufen der Schwesterschiffe „Gneisenau“ und „Scharnhorst“ aus Kiel am 22. Januar 1941 und endete mit dem Einlaufen in Brest am 22. März des Jahres. Im Gesamtverlauf des zweimonatigen Unternehmens fielen 22 Schiffe mit 115.622 Bruttoregistertonnen dem deutschen Verband zum Opfer, davon 14 allein der „Gneisenau“.
Nachdem die „Gneisenau“ in Brest eingelaufen war, war sie ebenso wie die „Scharnhorst“ und die „Prinz Eugen“ schweren Luftangriffen der Briten ausgesetzt, die um die Gefahr wußten, die von derartigen deutschen Großkampfschiffen für ihren Atlantikhandel ausging. Nachdem am 6. April 1941 bereits eine Bristol-Beaufort der RAF-Squadron 22 einen erfolgreichen Torpedoangriff auf die „Gneisenau“ geflogen hatte, gelangen den Briten wenige Tage später bei einem in der Nacht vom 10. auf den 11. des Monats durchgeführten größeren Bombenangriff vier Treffer auf dem Kampfschiff. Die Verluste waren mit 88 Toten und einer nur wenig niedrigeren Zahl von Verletzten erheblich. Erst im Februar des darauffolgenden Jahres 1942 war die „Gneisenau“ wieder einsatzbereit.
Die deutsche Seite konnte derartigen Luftangriffen nichts Ad-äquates entgegensetzen, und ihre Kriegsmarine war seit dem Verlust der „Bismarck“ am 27. Mai 1941 zusätzlich geschwächt. Das Ergebnis war Adolf Hitlers Befehl zum strategischen Rückzug der drei Großkampfschiffe durch den Englischen Kanal in die Nordsee. Dieses am 11. Februar 1942 begonnene sogenannte Unternehmen „Cerberus“ verlief weitgehend erfolgreich. Trotz eines leichten Minentreffers gelang es der „Gneisenau“ am 12. Februar, die Reede von Brunsbüttel zu erreichen und durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal nach Kiel zu laufen. Bei einem Angriff britischer Bomberverbände auf diese Stadt in der Nacht vom 26. auf den 27. Februar erhielt sie jedoch einen schweren Bombentreffer in das Vorschiff, der sie einsatzunfähig machte. Die 112 zu beklagenden Gefallenen des Kriegsschiffes wurden am 4. März auf dem Kieler Ehrenfriedhof beigesetzt.
Einen Monat später, am 4. April, erfolgte die Verlegung des Schiffes nach Gotenhafen, um dort repariert und zugleich um etwa zehn Meter verlängert sowie mit 38-Zentimeter-Geschützen ausgerüstet zu werden. Am 1. Juli 1942 erfolgte die Außerdienststellung.
Zu der geplanten Wiederindienststellung ist es nicht mehr gekommen. Nach einem halben Jahr wurden nämlich die Werftarbeiten am Großkampfschiff zugunsten der U-Boot-Waffe eingestellt. Vor der Räumung Gotenhafens angesichts der heranrückenden Sowjets wurde der nicht mehr fahrbereite einstmalige Stolz der deutschen Kriegsmarine am 27./28. März 1945 zwischen den Molenköpfen als Hafensperre versenkt. Später wurde die „Gneisenau“ von den Polen gehoben. Von 1947 bis 1951 wurde das Schiff abgewrackt.
Foto: "Gneisenau“: Eben getauft und klar zum Stapellauf liegt das Schlachtschiff „E“ (Ersatz „Hessen“) der Kriegsmarine nebem dem Schweren Kreuzer „Blücher“, der ein halbes Jahr später vom Stapel laufen wird.
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