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Sein Leben widmete er der Volkskunde Ost- und Westpreußens, einer Wissenschaft, die er wie kaum ein anderer auch dem Laien zu vermitteln wußte: Erhard Riemann, geboren am 3. April 1907 in Kraußen, Kreis Königsberg. Aufgewachsen in Deutsch Thierau, Kreis Heiligenbeil, wo sein Vater als Lehrer und Kantor wirkte, besuchte er das Kneiphöfische Gymnasium in Königsberg und legte 1926 das Abitur ab. - Unweit der Schule lag übrigens das Geburtshaus von Agnes Miegel, jener Dichterin, die Riemann noch in Königsberg kennenlernen sollte und mit der ihn zeitlebens ein enger Briefwechsel verband. Viele Jahre später wurde er schließlich mit der Verleihung der Agnes-Miegel-Plakette des Tatenhausener Kreises ausgezeichnet. - Zum Studium zog es den jungen Ostdeutschland zunächst in die Ferne. In Freiburg, München und Wien belegte er Germanistik, Anglistik, Volkskunde und Vorgeschichte, bis es ihn an die Königsberger Albertina zog, wo er bei Walther Ziesemer, dem "führenden Kopf der ostdeutschen Heimatforschung", studierte. Vor allem aber war es Walther Mitzka, der Riemann für die Volkskunde begeisterte. 1935 promovierte er, angeregt durch Mitzka, mit der Dissertation "Ostdeutsches Volkstum um die ermländische Nordostgrenze. Beiträge zur geographischen Volkskunde Ostdeutschlands". Es folgte eine Anstellung als Assistent am "Preußischen Wörterbuch". 1937 dann ging Riemann als Wissenschaftlicher Assistent zum Stadtgeschichtlichen Museum Königsberg, wo er eng mit Eduard Anderson und Fritz Gause zusammenarbeitete. Zwei Jahre später wirkte er, inzwischen habilitiert, als Dozent für Volkskunde an der Hochschule für Lehrerbildung in Elbing. - Die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, den Riemann als Soldat in Frankreich und Rußland erlebte, verbrachte der Ostpreuße im niedersächsischen Oldenburg im höheren Schuldienst (1947-55). 1952 schon erging an ihn dann der Auftrag, das "Preußische Wörterbuch" fortzuführen. Eine Aufgabe, der sich Riemann mit ostdeutscher Hartnäckigkeit und preußischer Akribie widmete. 1955 wurde die Wörterbuchstelle nach Kiel verlegt, dort erhielt Riemann eine Dozentur für Deutsche Volkskunde und Mundartforschung.
Als er 1972 pensioniert wurde, stand der 1970 zum Professor Ernannte noch mit aller Kraft in der wissenschaftlichen Arbeit, so beim "Preußischen Wörterbuch" oder als Leiter der Kommission für ostdeutsche Volkskunde. Immer aber fand er noch die Zeit, sich in Publikationen auch anderen Themen zu widmen, so der Literaturwissenschaft, insbesondere der Mundartdichtung oder der Königsberger Barockdichtung. Die Reihe seiner Veröffentlichungen umfaßt nahezu 150 Titel, ganz zu schweigen von Rezensionen in Fachblättern und Wochenzeitungen wie dem oder seiner Tätigkeit als Herausgeber volkskundlicher Schriften. Für dieses Engagement wurde er 1976 mit der Verleihung des Kulturpreises für Wissenschaft von der Freundeskreis Ostdeutschland geehrt. Die Überreichung des Georg-Dehio-Preises der Künstlergilde konnte Erhard Riemann nicht mehr erleben - er starb am 21. März 1984 in Kiel, wo er in seinem Haus an der Küste von Schilksee ein Domizil gefunden hatte, das ihn so sehr an seine Heimat Ostdeutschland, an die Steilküste des Samlands erinnerte.
Mit Riemann hatten die vertriebenen Ostdeutschland nicht nur einen hervorragenden Wissenschaftler verloren, sondern auch einen Mann, der es meisterhaft verstand, auch Laien dieses Fachgebiet nahezubringen. Solche Männer sind rar geworden. Peter van Lohuizen
Kant-Grabmal inKönigsberg: Erbaut von Friedrich Lahrs, wurde es Ostern 1924 zum 200. Geburtstag des Philosophengeweiht. |
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