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Zyniker könnten sich schadenfroh die Hände reiben: Da hat die Evangelische Kirche in Berlin (die Katholiken bilden hier nur eine Diaspora-Gemeinde) jahrzehntelang linksdrehende Organisationen, Parteien und Bewegungen unterstützt und gehätschelt, hat für "Toleranz" plädiert, wo es wichtig gewesen wäre, der Beliebigkeit und Kirchenfeindlichkeit entgegenzutreten. Sie hat christlichen Selbstbehauptungswillen als fundamentalistisch beschimpft, bei jeder Gelegenheit die antifaschistische Alarmglocke geläutet und auf allen Multikulti-Feten mitgetanzt - und was ist der Dank? Der rot-rote Senat will sie aus den Schulen werfen!
Worum geht es? In Berlin erfolgt der Religionsunterricht bisher freiwillig. Wer nicht mag, kann währenddessen eine Freistunde nehmen. Die Verantwortung für den Unterricht liegt laut Landesverfassung bei den Religionsgemeinschaften.
Als diese Festlegung getroffen wurde, konnte die Abgeordneten davon ausgehen, daß sie die christlichen Kirchen betraf. Konflikte mit der Verfassungsordnung waren praktisch ausgeschlossen. Gleiches gilt für den Unterricht durch jüdische Geistliche. Doch die Einwanderung hat das Bild gewandelt. Inzwischen hat die Islamische Föderation ihr Recht auf die Erteilung von Religionsunterricht eingeklagt. Es gibt Zweifel, ob die dabei vermittelten Prinzipien mit der Verfassungs- und Werteordnung in Deutschland vereinbar sind. Um eine staatliche Aufsicht zu gewährleisten, soll jetzt ein verbindlicher Religions- und Werteunterricht eingeführt werden.
Wenn es nach Bildungssenator Klaus Böger (SPD) geht, dann würde nach Brandenburger Vorbild ein Wahlpflichtfach Lebenskunde/Ethik/Religion (LER) erteilt. Die Schüler könnten sich zwischen Lebenskunde/Ethik und dem Religionsunterricht entscheiden. Der Unterricht würde zwei Wochenstunden betragen, und zwar von der ersten bis zehnten Klasse. CDU und FDP stimmen diesem Plan prinzipiell zu. Allerdings steht Böger in seiner Partei fast allein.
Die meisten SPD-Kreisverbände sind für einen neutralen Ethikunterricht als Pflichtfach, der Religionsunterricht könnte daneben auf freiwilliger Basis außerhalb des regulären Unterrichts erfolgen. Doch wieviel Schüler würden dieses Zusatzangebot annehmen? Faktisch stünden die Kirchen draußen.
Die PDS hat dieses Konzept noch zugespitzt. Sie will ein Fach "Interkulturelle Bildung" durchsetzen. Das klingt schick, modern, multikulturell. Sie bedient damit den Atheismus ihrer Wählerklientel und macht den "Migranten" ein freundliches Angebot, beim nächsten Mal PDS zu wählen. Auf diese Weise will die Partei im Westteil der Stadt Fuß fassen, was ihr bisher kaum gelungen ist.
Die PDS beruft sich auf die Trennung vom Staat und Kirche. Die stellvertretende Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus, Carola Freundl, die privat mit Kultursenator Thomas Flierl (ebenfalls PDS) liiert ist, hat noch eine weitere, volkspädagogische Absicht ausgesprochen: "Es geht auch darum, die Herkunftsreligionen zu relativieren. Die Schüler sollen die anderen Kulturen kennenlernen."
Diese Sprache ("relativieren") ist verräterisch. Man muß sich fragen, ob solche Überlegungen nur naiv sind oder schon diabolisch. Denn klar ist, daß nur die christlichen Religionen "relativiert" bzw. geschwächt würden, die glaubensstarken jungen Muslime würden sich von ihrer Religion gewiß nichts abhandeln lassen. Die Erwartung der PDS aber, an muslimische Wählerstimmen zu kommen, wird nicht aufgehen. Eher werden die Neubürger ihre eigenen, islamisch geprägten Parteien gründen.
Die Evangelische Kirche nennt den PDS-Vorschlag "unausgegoren". Er bedeute einen massiven Eingriff in die Religionsfreiheit. Der Staat würde sich damit die Bewertung der Religionen und ein Monopol in der Wertevermittlung anmaßen. Eine neutrale Wissensvermittlung könne die Klärung von Werten und Lebenskonzepten nicht leisten. Während die Kirchen sich längst in der Defensive befinden, geht die Islamische Föderation zur Offensive über.
In einem Brief an die Presse greift sie Berliner Lehrer scharf an, die sich angeblich als "Bollwerk" im Kampf gegen den Islam verstünden. Kritisiert wird ein mangelnder Respekt gegenüber dem Kopftuch und anderen Gepflogenheiten muslimischer Schüler. Fast schon drohend heißt es: "Wer sich so verhält, darf sich nicht wundern, wenn Eltern und Schüler sich wehren und dabei auch die offene Diskussion und den Gang zum Rechtsanwalt nicht scheuen." Wenn erst das Antidiskriminierungsgesetz in Kraft ist, wird man wissen, was damit gemeint ist.
Immer zum Entgegenkommen bereit: Der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber (2. v.r.) mit Vertretern islamischer Organisationen am 11. Januar in Berlin |
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