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Terror als »Theorie des Partisanen« Das Glorifizieren des Illegalen nach 1945 fordert Tribut von Michaela Weiser Nun ist es einen Monat her, seitdem Flugzeuge als fliegende Bomben in herausragende Symbole der „einzigen Weltmacht“ gesteuert wurden, wobei Tausende von Menschen das Leben verloren. Damit wurde nicht nur demonstriert, wie verletzlich die USA sind, sondern auch wie man mit verhältnismäßig geringen Mitteln die hoch komplizierte, miteinander verschränkte Wirtschaft ins Schwanken bringen kann.
Zunächst riefen führende Amerikaner, aber auch Europäer aus, nun sei Krieg ausgebrochen. Zeitungen behaupteten, ein Dritter Weltkrieg drohe. Rasch aber wurde diese Behauptung zurückgewiesen. Was war es denn nun, was am 11. September in New York zwar nicht begann, aber seinen bisherigen Höhepunkt erreichte? In der öffentlichen Diskussion tauchen - vor allem wenn sich Militärs oder realitätsorientierte Historiker oder auch weitläufige und gebildete Journalisten (die selten genug sind) zu Wort meldeten - Begriffe auf wie „Partisanenkrieg“, „Guerillataktik“, auch wohl, wenn es sich um intime Kenner handelt, „verdeckter Kampf“. Tatsächlich handelt es sich um diese neue Form der Kriegsführung, die so neu nun wieder auch nicht ist. Man hat nur, wenn sich Ansätze zeigten, ganz schnell die Erkenntnis dazu wieder verdrängt.
Zwar werden die Ausführenden solcher Anschläge wie auch die Hintermänner und politischen Führer gern propagandistisch „Terroristen“ genannt, doch handelt es sich bei dieser Art von Kriegsführung um eine unausbleibliche Herabwürdigung. Man denke daran, daß die vom Partisanenkrieg in der Sowjetunion überraschte deutsche Wehrmacht die Partisanen „Banden“ nannte. Genau so geht es heute mit den „Terroristen“. Und man ist genau so ratlos, wie es die Wehrmacht 1941 war, als sie auf Partisanen traf, die sich an keinerlei Kriegsregeln und an keine völkerrechtliche Voraussetzungen hielten.
Partisanenkrieg, verdeckter Kampf, Kleinkrieg, diese Formen des modernen Krieges werden von Kräften angewendet, die dem übermächtigen Gegner unterlegen sind. Partisanen oder Terroristen oder verdeckte Kämpfer unterlaufen die Hochrüstung des mächtigen Gegners wie etwa seine Atomwaffen. Carl Schmitt, der am meisten beschimpfte, aber auch am meisten zitierte Staatsrechtler der Neuzeit, hat bereits gleich nach dem Zweiten Weltkrieg, ausgehend vom Begriff des Politischen, mit seiner schmalen Schrift „Theorie des Partisanen“ diese Entwicklung des modernen Krieges vorausgesagt. Und Sebastian Haffner meinte schon 1962, der irreguläre, subversive, totale Kleinkrieg werde zur Standardform der Kriegsführung im Zeitalter der Atomwaffen. Und, so ergänzte er, er sei grausamer, roher und ungesitteter als der durch das Völkerrecht eingehegte Krieg der bewaffneten Streitkräfte.
Wer führt nun diesen Krieg gegen die USA? Sind es etwa wirklich nur die Marotten eines durchgeknallten, über enorme Geld- mittel verfügenden Exoten, wie man uns glauben macht? Sehr bald kam ins Spiel, daß es doch um den von Huntington vorausgesagten „Kampf der Kulturen“ geht.
Kanzler Schröder und Außenminister Fischer lehnten diese Sicht heftig ab, widerspricht sie doch deren Traum von der Allharmonie dieser Welt, wenn man erst einmal die Ewiggestrigen bekehrt oder ausgeschaltet hat. Wenn man hört, daß von Pakistan bis zur Türkei ein hoher Prozentsatz der muslimischen Bevölkerung dem Kampf der Fundamentalisten zustimmt, so daß die meisten dortigen Regierungen Angst haben, sich auf die Seite der Amerikaner zu schlagen, weil sonst die Gefahr besteht, daß sie vom Volk hinweggefegt werden, dann wird deutlich, daß hier nicht der verdeckte Kampf auf die Person eines Osama bin Laden reduziert werden kann. Dahinter steht mehr. Jene dürften recht haben, die sagen, daß sich jetzt andere Kulturen, an der Spitze die des Islam, gegen die gewaltige Übermacht der USA, die der Welt ihre Gesetze und ihren Lebensstil aufzwingt, zu wehren beginnen.
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