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Triumph des Willens

 
     
 
Die mittlerweile 98jährige Regisseurin Leni Riefenstahl ist "noch zu Lebzeiten in die Phase ihres Nachruhms eingetreten". Das schreibt Rainer Rother, Programmche des Kinos im Deutschen Historischen Museum in Berlin, in seinem Buch "Len Riefenstahl. Die Verführung des Talents". Es ist eine Mischung aus Biographie un Filmessay. Rother versucht, sich dem Werk und der Persönlichkeit Riefenstahls beton sachlich zu nähern und eine pauschale Verdammung ebenso zu vermeiden wie kritiklos
e Genie-Kult.

Rothers Worte waren kaum gedruckt, da wurden sie durch den Kölner Taschen-Verlag scho bestätigt. Der großformatige Riefenstahl-Prachtband des Kölner Verlags stellt, mit de Worten der Herausgeberin Angelika Taschen, eine Huldigung an eine "besondere Frau un einzigartige Künstlerin" dar. Es zeigt Leni Riefenstahl von Beginn ihre Künstlerlaufbahn in den zwanziger Jahren bis in die Gegenwart. Ein biographischer Anhan enthält zusätzlich zahlreiche Fotos aus ihrem Privatalbum. Der Untertitel "Fün Leben" verweist darauf, daß sie außer als Regisseurin auch als Tänzerin Schauspielerin, als Fotografin des afrikanischen Nuba-Stammes und zuletzt als Tiefseetaucherin für Aufsehen sorgte.

Ihr fortwirkender Ruhm aber gründet sich zweifellos auf den Parteitagsfil "Triumph des Willens" (1935) und die "Olympia"-Filme "Fest de Völker" und "Fest der Schönheit" (1938). Die Stärke von Rothers Buc liegt in der Analyse der filmischen Mittel. Die Qualität von "Triumph de Willens" führt er auf die Übertragung erzählerischer Konventionen auf de Dokumentarfilm und das angewandte Montage-Verfahren zurück. So schwebt de "Führer", ohne daß er in einer ausdrücklichen Authentisierungsgeste gezeig wird, mit dem Flugzeug in Nürnberg ein. Die Anfangsszenen suggerieren den alternierende Blickkontakt zwischen ihm und dem Volk. Die Hierarchie ist klar: Das Volk wird nur in de Aufsicht, von oben, Hitler in der Untersicht oder parallel gezeigt. Die Gesichte verzückter Frauen und Kinder werden in Großaufnahme ins Bild gesetzt: "In ,Triump des Willens’ lieben die Frauen und die Buben den ‚Führer‘, während die Männer ihm folgen." Rother widerlegt die Behauptung, der Film zeige nu "unpolitische" Bilder. In "Olympia" fallen die propagandistische Verweise allerdings weit zurückhaltender aus, als von Rother dargestellt. Und noc anläßlich der Hitler-Sequenzen läßt sich fragen, ob ein amerikanischer Präsident ode englischer König auf der Ehrentribüne des Stadions nicht ganz genauso ins Bild gebrach worden wäre.

Die Wirkung der Riefenstahl-Filme leitet sich für Rother aus den technische Überwältigungseffekten her, die das Publikum "verführen". Riefenstahl argumentiert er, sei es nicht darum gegangen, ein "persönliche Anliegen" mi einer "persönlichen Handschrift" zu verbinden, sondern "ein unpersönliche, rein handwerklich interpretierte Aufgabe zu lösen. ... Perfektion ohn Provokation ist das Resultat ..." Die Berühmtheit ihrer Filme sei deshalb "nu zum kleineren Teil Resultat formaler Qualitäten, zum größeren Teil aber den Anlässen Produktionsumständen und Funktionen der Filme geschuldet". Sie werde nur "s lange als eine große Regisseurin gelten, wie sie auch den Nimbus des Berüchtigte behält".

Der ästhetische Mehrwert der Riefenstahl-Filme ist ihm entgangen. Riefenstahl Ingenium hatte in "Triumph des Willens" mit beängstigender Intensitä erfaßt wie stark der Parteitag 1934 einer verzweifelten, irrationalen, anachronistische Disposition der Gesellschaft entsprach, und in welchem Maße Hitler untergründige kollektive Sehnsüchte verkörperte. Es ist denkbar, daß Thomas Mann sich für de "Faustus"-Roman (1947), als er die "latente seelische Epidemie", de "Sankt-Veits-Tanz" und die "visionär-kommunistischen Predigten irgendeine ‚Hänselein‘ mit Scheiterhaufen der Weltlichkeit", das "mystisch Herumziehen des Volkes" in Kaisersaschern beschrieb, von ihren Bildern inspiriere ließ. Riefenstahls Film bietet eine unübertroffene, vielleicht unübertreffbar Innenansicht aus dem Herzen des Nationalsozialismus. Ohne "Triumph des Willens" wüßte man weit weniger über die mentalen Strukturen Deutschlands.

Dieser "definitive Film des nationalsozialistischen Führerkults" (R. Rother bietet das bis heute überzeugendste künstlerische Abbild Hitlers. Hitler ist hie tatsächlich der "Führer", an den die Menschen ihr Verlangen delegieren, de ihnen die Befreiung von existentieller Angst verbürgt; für den umgekehrt die Zustimmung die ihm entgegenschlägt, das unverzichtbare Lebenselixier darstellt. An diesem Befun ändert nichts, daß sein Bild merkwürdig unkritisch erscheint, die Nachtseite unsichtbar bleiben. Leni Reifenstahl hat ehrlich eingestanden, daß sie, wie so viele, de zerstörerischen Charisma Hitlers, das sie so unvergleichlich schilderte, selber erlege war.

Anders als der Buchtitel das ankündigt, ist dieser Zusammenhang zwischen Verführun und Verführtsein bei Leni Riefenstahl nur schwach herausgearbeitet. Rother hätte genaue aufzeigen müssen, inwiefern sie im Schnittpunkt politischer, geistiger, ästhetische Diskussionen und Entscheidungen der bewegten 20er Jahre stand.

Ein Rezensent hatte 1923 im Berliner Tageblatt anläßlich eines Tanzauftritts Len Riefenstahls notiert: "Es stolpert hier keine leichtsinnige Schöne die verworrene Pfade zur Kunst empor; es grübelt in diesen Tänzen ein wahnsinniger Wille zur Erlösun von solchen Ketten des verwunschenen Leibes, es tastet in dieser Finsternis ein Demütige, es ringt ein Mensch mit dem Engel." Die Bedeutung dieses Satzes ist Rothe entgangen. Er läßt an das ästhetische Programm von Isadora Duncan (1878–1927) Ahnherrin des modernen Ausdruckstanzes, denken, die in der Vorlesung "Tanz de Zukunft" (1903) eine umfassende, harmonische Erziehung von Körper, Geist und Seel durch Musik und Tanz gefordert und verkündet hatte: "Ja, sie wird kommen, die Tänzerin der Zukunft, sie wird kommen als ein freier Geist, der in dem Leibe des freie Weibes der Zukunft wohnen wird."

Als ein "freies Weib" dürfte Riefenstahl sich ohne weiteres betrachte haben, und wovon sie "erlöst" werden wollte, zeigt ihr Spielfilm "Da blaue Licht" (1932), in dem sie außerdem das Mädchen Junta spielt. Ihre Zufluch ist eine Berggrotte, deren Kristalle bei Vollmond ein rätselhaftes Licht ausstrahlen un zum Schluß zur okönomischen Verwertung abgebaut werden. Diese Art gesellschaftliche Fortschritts nutzt der von den Dorfbewohnern als Hexe verfemten Junta gar nichts, durc die Entweihung ihrer Berggrotte verliert sie den Bezirk ihrer Freiheit und stirbt, inde die stupiden Dorfbewohner durch die Vernutzung des Wunderbaren wohlhabender, nicht abe klüger werden. Der Maler Vigo, der ihnen den Weg in die Grotte bahnte – auch, u sich Junta zu unterwerfen –, muß erkennen, daß er, statt das Höchste zu erringen das Beste verloren hat. Auch Vigo ist ein Opfer der von männlicher Logik strukturierte Moderne geworden.

Die Kraft einer Frau allein, das hatte Juntas Schicksal gezeigt, reichte nicht aus, u ihr ehernes Gesetz zu durchbrechen. Dazu mußte sie sich mit dem Meta-Mann verbünden. De hat Leni Riefenstahl in Hitler gesehen und ihn deshalb zum Helden ihres ästhetische Programms  gemacht. Daß sie dabei mitten hinein in die Politik geriet un NS-Propaganda vom Feinsten lieferte, war eine unvermeidliche Folge, aber, von ihr au gesehen, keine politische Absicht.

Im übrigen könnte man ketzerisch fragen, ob der spezifische Blick der große Riefenstahl-Filme nicht schon per se eine "Provokation" darstellt, weil e tradierte Erwartungszusammenhänge radikal durchbricht und, im Sinne einer "Ästheti des Schreckens", blitzartig einen neuen Modus des Sehens evoziert, der neuartige unbekannte oder verdrängte Realitäts- und Lebenszusammenhänge erkennbar macht.

Der häufig gehörte Vorwurf der Stilisierung, der Monumentalisierung, der Ausblendun von Zufälligkeiten und Anstrengungen in den Riefenstahl-Filmen fällt bei genauere Hinsehen in sich zusammen: Die Bewegungen der Hoch- und Stabhochspringer in "Olympia" wirken auf den heutigen Betrachter beinahe ungelenk, und einig Marathon-Läufer brechen vor Erschöpfung zusammen. Den Sportlern wird ihre individuell Physiognomie nicht nur belassen, sie wird durch die Kameraführung sogar noch verstärkt Der am häufigsten und durch und durch symathisch gezeigte Sportler ist übrigens de Afroamerikaner Jesse Owen, der alles andere als einen Kronzeugen der NS-Rassenideologi darstellt! Man fragt sich, ob die meisten Kritiker überhaupt kennen, worüber sie s souverän urteilen.

Die Schönheit der Sportler in "Olympia" ist keinesfalls das Ergebni antikisierender Stilisierungen. Die Sportler arbeiten sie, im Zusammenwirken mit de Kamera, aus sich selber heraus! Die Antike-Zitate fordern nicht zum Rückfall in die Vergangenheit auf, sondern sind Ansporn, sich dem verlorengegangenen Zustand der Grazie in sportlichen Kampf und im Zeichen jenes "unendlichen" Bewußtseins wiede anzunähern, das Kleist im Aufsatz "Über das Marionettentheater" erwähnt. Da Bewußtsein, welches dem Zuschauer zum Beispiel aus dem Gesicht der Diskuswerferin Gisel Mauermeyer entgegenstrahlt, ist ein nahezu unendliches. Leni Riefenstahl hat ihren Figure in "Olympia" die volle personale Würde belassen und sie gleichzeitig so dich an die Grenze zur Vollendung geführt, wie nur möglich. Das ist ihr bleibender Beitra zur Weltkunst!

Verstärkt greifen Künstler auf Elemente der körperbetonte "Riefenstahl-Ästhetik" zurück, um eine brachliegende Semantik neu zu besetzen Die stets "engagierten", sich mit den Zeichen einer diffus-linken Protestkultu schmückenden Großstadtindianer hatte Pasolini bereits vor dreißig Jahren als Reflexbündel der Konsumgesellschaft und "Huren einer ungerechten Bilderwelt" verabschiedet. Den neuen, unpolitischen Heroen des Computerzeitalters kommt indes de Unterleib abhanden. Die von ihr inspirierten Werke mögen noch randständig sein: von de Peripherie aus zielen sie auf zentrale Leerstellen der Gegenwart.

Das amerikanische Time Magazine hat sie zu den hundert bedeutendsten Künstlern des 20 Jahrhunderts gezählt. Wer den  Taschen-Bildband durchblättert, weiß auch warum: Leni Riefenstahl dürfte immer noch als eine der größten Regisseurinnen gelten die das Treiben der Welt filmkünstlerisch überragend zu gestalten wußte.

Rainer Rother: Leni Riefenstahl. Die Verführung des Talents. Henschel Verlag, Berli 2000, 288 S., s/w Abb. 39,90 DM

Angelika Taschen (Hg.): Leni Riefenstahl. Fünf Leben. Taschen Verlag Köln, Bildban (s/w und Farbe), Großformat, 336 S., 69,95 DM

Hinterließ während der Olympischen Spiele in Berlin auch wegen der aufwendige technischen Apparatur für erhebliches Aufsehen: Leni Riefenstahl während de Dreharbeiten für ihren meisterhaften dokumentarischen Film "Olympia" im eigen für das "Sportfest der Völker" errichtetem Stadion in der deutsche Hauptstadt. Die häufig aus politischen Gründen erhobenen Vorwürfe monumentale Stilisierungen verfingen in der Fachwelt kaum

 
     
     
 
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