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Noch weiß Hans Eichel nicht, wo er die halbe Milliarde hernehmen soll, die sein großzügiger Chef in unser aller Namen den Flutopfern in Südostasien zur Verfügung stellte - da droht dem Bundeskassenwart neues Ungemach: Die jüngste Verhandlung des Europäischen Gerichtshof s für Menschenrechte (EGMR) in Sachen DDR-Enteignungen vermittelte neutralen Beobachtern die Gewißheit, daß Berlin in Straßburg auf die Verliererstraße geraten ist. Das Urteil, das im Frühsommer erwartet wird, könnte ein weiteres Milliardenloch in die Bundeskasse reißen.
Diesmal ging es in Straßburg nicht um die Alteigentümer, die in der sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 entschädigungslos enteignet worden waren, pauschal verunglimpft als "Junker". Wohl aber um deren einstiges Eigentum: Ländereien, Immobilien und Betriebe waren während 40 Jahren real existierender DDR sogenannten "Neusiedlern" übereignet worden. Dies wurde 1990 noch in aller Eile von der letzten DDR-Regierung gesetzlich abgesichert, zwei Jahre nach der Vereinigung aber von der nunmehr gesamtdeutschen Bundesregierung wieder aufgehoben. Die meisten der Neusiedler wurden enteignet, aber nicht angemessen entschädigt.
So kamen Kanzler Kohl und sein Finanzminister Waigel zu beträchtlichen Vermögenswerten, die sie aber nicht - wie in einem Rechtsstaat eigentlich zu erwarten - an die ursprünglichen Eigentümer weiterreichten, sondern dem Staats-
vermögen einverleibten. Kritiker wie der Hamburger Kaufmann Heiko Peters nennen diesen Vorgang "Staatshehlerei", die Rechtsvertreter der Neusiedler in dem Straßburger Verfahren werfen der Bundesregierung einen "Beutezug" vor.
Den Neusiedlern war bereits vor einem Jahr von einer kleinen Kammer des EGMR ein Entschädigungsanspruch zugesprochen worden. Gegen diesen Spruch rief die Bundesregierung die Große Kammer an. In der mündlichen Verhandlung, zu der zahlreiche Betroffene eigens nach Straßburg gereist waren, machte Regierungsanwalt Prof. Frowein erneut eine ziemlich unglückliche Figur. Sein Plädoyer, vorgetragen in Englisch mit einigen französisch klingenden Brocken, machte auf Prozeßbeobachter einen eher dürftigen Eindruck.
Sollte die Große Kammer sich dem Spruch der Vorinstanz anschließen, würde das für die Bundesregierung nicht nur teuer, sondern auch in weiterem Sinne unangenehm. Dann muß sie nämlich davon ausgehen, auch gegenüber den Alteigentümern, also den Bodenreformopfern der ersten Nachkriegsjahre, zur Kasse gebeten zu werden. Zumal ihre Argumentation in diesem Falle auf noch schwächeren Füßen steht, nachdem sich Altkanzler Kohl von seiner ursprünglichen Version, ohne Unantastbarkeit der Bodenreform hätte die Sowjetunion einer deutschen Wiedervereinigung nicht zugestimmt, inzwischen endgültig verabschiedet hat. Juliane Meier
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