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Die Berliner Firma "Ideea" baut Kulissen für Messen und andere Großveranstaltungen. Wenn also beispielsweise der japanische "Samsung"-Konzern auf der Hannoveraner Elektronikmesse "Cebit" einen Stand aufstellt, dann bauen ihn die Asiaten nicht selber, sondern sie beauftragen "Ideea".
"Wir liefern nur Unikate", sagt Ideea-Chef Brüggemann selbstsicher. Maßgeschneiderte Ware - das ist sein Spitzenprodukt und sein Handicap zugleich. Denn Einzelanfertigungen können dem Kunden nicht vor der Bestellung gezeigt werden.
Wenn Brüggemann mit einem bunten Prospekt bei möglichen Auftraggebern saß, dann fehlte denen meistens die räumliche Vorstellung. "Der Kunde sagt dann, ,Das gefällt mir nicht , weil er es sich nicht vorstellen kann", faßt der Kaufmann die oftmals enttäuschende Reaktion seiner Geschäftspartner zusammen.
Deswegen träumte er von einer Art Labor im "Ideea"-Firmensitz in Berlin-Adlershof, in dem der Kunde eine dreidimensionale Computeranimation seiner Entwürfe ansehen und visuell "durchschreiten" kann. Aber wer entwickelt so etwas?
Brüggemann hörte sich um und wollte bereits ein Wiener Institut beauftragen, als mit einem Mitarbeiter das Problem in einer Adlershofer Kantine besprach. Am Nachbartisch lauschte ein Mitarbeiter vom "Fraunhofer Institut", der sich plötzlich in das Gespräch einmischte: "Wieso Wien? Wir entwickeln gerade genau das, was Sie suchen!"
Schnell wurden sich der Kaufmann und die Erfinder einig - zum beiderseitigen Vorteil. "Wir sparen viel Geld, weil wir nur über die Straße gehen müssen", sagt Brüggemann. Und das Institut hat ein Forschungsprojekt schneller versilbert als geplant. Der "Samsung"-Manager meinte übrigens, als der Messestand fertig war auf die Frage, ob es ihm gefalle: "Klar, ich war ja schon mal hier." In Wirklichkeit hat er nur die "Ideea"-Computeranimation gesehen. Aber die war so originalgetreu, daß er den echten Messeauftritt sofort "wiedererkannte".
Es ist ein schönes, und noch dazu wahres Märchen. Nicht aus 1001 Nacht, sondern vom Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof in Berlin-Treptow. Der Senat fördert hier mit viel Geld seinen "Hochtechnologiestandort" (Eigenwerbung). 2005 kosteten alleine die nichtuniversitären Wissenschaftseinrichtungen den Steuerzahler 130 Millionen Euro, die Humboldt-Uni weitere 58 Millionen. 401 Unternehmen erhielten mindestens 22 Millionen Euro Fördergeld, machten dafür aber auch einen Jahresumsatz von insgesamt 378 Millionen.
Auf 4,2 Quadratkilometern (und damit doppelt so groß wie Monaco) sind 724 Firmen und 18 akademische Einrichtungen mit 12000 Mitarbeitern angesiedelt. Hinzu kommen 6300 Studenten aus mehreren zur Humboldt-Uni gehörenden Fachbereichen (darunter Mathematik, Chemie, Physik).
Das Ziel ist klar: Die deutsche Hauptstadt verspricht sich eine Stärkung der heimischen Wirtschaft, wenn direkt in Berlin neue Produkte entwickelt werden. Über "chinesische Wachstumszahlen" jubelt Wirtschaftssenator Harald Wolf, wenn er über Adlershof spricht. Plus 14 Prozent Umsatz, plus elf Prozent Beschäftigte - das sind die stolzen Ergebnisse allein des Jahres 2005. Sie können sich sehen lassen.
Die Geschichte von Adlershof geht zurück in die Zeit des Ersten Weltkrieges. Damals war hier ein Flughafen, hier wurden Flugzeuge entwickelt und gebaut. Dann kam die Demilitarisierung unter der Knute des Versailler Diktatfriedens. Die Hangars standen leer.
Nun zog die junge Filmindustrie in die verwaisten Hallen und drehte legendäre Welterfolge des Stummfilms wie "Das Grabmal von Indien". Nebenan wurde indes auch an Flugzeugen, Motoren etc. weitergeforscht. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete die DDR hier die "Akademie der Wissenschaften" (AdW), eine reine Forschungsanstalt ohne Lehrbetrieb.
Angela Merkel hat hier bis 1990 gearbeitet. Ihr Kollege Michael Schindhelm (heute Chef der Berliner Opern-Stiftung) hat die Arbeitsbedingungen von damals auf unterhaltsame Weise in seinem Roman "Roberts Reise" festgehalten: den Mangel, die Überwachung, den Rückstand zum Westen, der immer größer wurde.
Nach der Wende war Adlershof am Ende. Die meisten der 5500 Wissenschaftler machten sich auf und davon. Doch die Stadt entschied sich, den Standort nicht aufzugeben und investierte kräftig.
Inzwischen ist ein kleiner Motor für die Berliner Wirtschaft entstanden, ein "sich ausbreitender Technologiepark", wie selbst der "Economist" in einer Septemberausgabe lobte.
Doch Adlershof ist nicht Silicon Valley, und so ist der Bekanntheitsgrad eher begrenzter Natur. "Selbst wenn Sie im Wedding jemanden auf Adlershof ansprechen, dann fragt der mit Sicherheit, wo und was das sein soll", klagt Gerhard Steindorf von der "Adlershof Projekt GmbH".
Bekannt ist das Viertel, wenn überhaupt, eher schon als Fernsehproduktionsort. Unter Honecker produzierte das DDR-Fernsehen in seinen Adlershofer Studios Karl-Eduard von Schnitzlers "Schwarzen Kanal" und die ebenso zuschauerschwache Nachrichtensendung "Aktuelle Kamera". Auch als die DDR untergegangen war, blieb das Fernsehen dem Standort treu. Seit 2005 etwa wird hier die Sat.1-Serie "Verliebt in Berlin" gedreht.
So kehrte selbst Angela Merkel 2005 noch einmal an die Stätte ihres vergangenen Wissenschaftlerlebens zurück - zum Kanzlerduell mit Gerhard Schröder, das live in Adlershofer Studios ausgefochten wurde. Die Kulisse kam übrigens von der Firma "Ideea".
Ideenschmiede zwischen Wirtschaft und Hochschulen: Nachwuchswissenschaftler im Gespräch mit ihrem Dozenten in Adlershof (Joker)
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