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Acht Jahre nach seiner Abwahl als Landeshauptmann ist Jörg Haider nun in dieses Amt zurückgekehrt. Einst wegen seiner Aussage zur "ordentlichen Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches" von SPÖ und ÖVP gestürzt, ist Haider nun als Landeshauptmann (Ministerpräsident) stärker als je zuvor. Möglich wurde die Rückkehr des Enfant terrible der österreichischen Innenpolitik durch einen Erdrutschsieg bei den Landtagswahlen in Kärnten Anfang März. Mit 42 Prozent der Stimmen ließ Haiders Freiheitliche Partei (FPÖ) nicht nur die anderen Parteien weit hinter sich, sondern auch deren Schwüre zu Makulatur werden, Haider niemals wieder als Landeshauptmann zu akzeptieren.
Die Bedeutung dieser Rückkehr an die Macht geht weit über das Bundesland Kärnten hinaus, das nur etwa so viele Einwohner hat wie die Stadt Frankfurt am Main. Zunächst zeigt Haiders Wahlsieg, daß er und die FPÖ das vergangene Jahr der innerparteilichen Turbulenzen und Skandale unbeschadet überstanden haben. Hinzu kommt, daß die FPÖ mit ihrem Sieg in Kärnten erstmals in einem Bundesland stimmenstärkste Partei werden konnte; das ist eine historische Zäsur für Österreich, dessen politisches System seit 1945 de facto nur aus zwei Parteien bestanden hat. Nunmehr wird wohl auch die bipolare Welt in Österreich zu Ende sein, zumal Haiders Freiheitliche angesichts der Krise der EU gute Chancen haben, bei der Europawahl im Juni auch bundesweit erstmals zur stimmenstärksten Partei zu werden.
Haiders Wahl in Kärnten und seine Versicherung, für volle fünf Jahre Landeshauptmann bleiben zu wollen, haben aber noch zwei weitere Konsequenzen. Zunächst wird die FPÖ bei der Nationalratswahl im Herbst mit einem noch zu bestimmenden Spitzenkandidaten ins Rennen gehen, der möglicherweise auch auf Bundesebene als Partner für SPÖ und ÖVP akzeptabel sein könnte. Vor allem die bürgerliche ÖVP dürfte damit gegenüber dem ungeliebten sozialdemokratischen Koalitionspartner wieder über einen größeren Verhandlungsspielraum verfügen; dies gilt nicht nur für den Fall, daß die ÖVP den zweiten Platz auf Bundesebene behaupten kann, weil nicht auszuschließen ist, daß auch eine stärkere FPÖ der ÖVP den Bundeskanzler anbieten könnte, um die SPÖ von der Macht zu verdrängen.
Hinzu kommt, daß wegen der Schwäche der Grünen und Linksliberalen eine Ampelkoalition mit den Sozialdemokraten auch rechnerisch kaum möglich sein dürfte. Abschreckend wirkt in diesem Zusammenhang zudem das deutsche Beispiel der rotgrünen Regierung, deren chaotischer Start die Debatte über eine Nachahmung in Österreich weitgehend zum Verstummen gebracht hat. Angesichts des Machterhaltungstriebs in der SPÖ ist daher nicht auszuschließen, daß es auch zu einer Annäherung an die FPÖ kommt. Schließlich muß sich die SPÖ bewußt sein, daß ein Machtverlust im Bund angesichts der sozialdemokratischen Schwäche in den Bundesländern zu einem mehrjährigen Oppositionsdasein führen würde.
Obwohl die Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition im Bund nach wie vor die wahrscheinlichste Variante darstellt, ist das politische System in Österreich durch das Wiedererstarken Haiders zweifellos offener geworden. Die Zahl der Österreicher, die mit der ständestaatlichen Struktur des Landes, mit rot-schwarzer Parteibuchwirtschaft und mit der großen Koalition unzufrieden sind, dürfte weiter ansteigen. In diesem Sinne waren es auch nicht der unverbesserliche "dumpfe Kärntner Charakter" oder das "NS-Gen der österreichischen Seele", die zu Haiders Wahlerfolgen führten, sondern der Wunsch nach einem Ausweg aus der großen Koalition, welche die zweite Republik in 34 der 54 Jahre ihres Bestehens bisher regiert hat. Eine Änderung des politischen Systems wird jedoch nur Jörg Haider zugetraut, eine Einschätzung der Bevölkerung, die gleichzeitig auch zeigt, daß es den beiden kleinen Oppositionsparteien, Grünen und Linksliberalen, mit ihrer vorwiegend Randgruppen ansprechenden Gesellschaftspolitik nicht gelingt, eine glaubwürdige Alternative zu SPÖ und ÖVP zu bilden. Dies zeigte sich auch im vergangenen Jahr, als Grüne und Liberales Forum nicht in der Lage waren, von der Schwächephase der FPÖ zu profitieren. In diesem Sinne wird Haider, angesichts der spezifischen Situation in Österreich, nicht zuletzt auch von Bürgern gewählt, die vom herrschenden Zweiparteiensystem einfach genug haben, ohne von der FPÖ in allen Punkten überzeugt zu sein.
All diese Tendenzen bieten der FPÖ weitere Chancen für Wahlsiege, deren Höhe nicht zuletzt davon abhängen wird, welche Erfolge Haider in einigen Jahren in Kärnten vorzuweisen haben wird. Die Zeit der oppositionellen Schonfrist für Jörg Haider ist jedenfalls vorbei.
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