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Der Laie würde heute sicher von einer – mit Verlaub – Klapperkiste sprechen, ausgewiesene Automobilfreunde aber wissen, daß der kleine weiße Flitzer ein Cabrio Junior Sport der Firma Röhr ist, von dem nur 1400 Exemplare hergestellt wurden. Eines davon besaß die junge Marion Gräfin Dönhoff (1909–2002), und es führte sie vor 70 Jahren sicher 4000 Kilometer vom elterlichen Gut Friedrichstein in Ostdeutschland bis nach Albanien und zurück. Gemeinsam mit ihrer Schwester Yvonne von Kuenheim war sie aufgebrochen, die Welt zu erkunden. Im Gepäck eine Leica, die sie 1928 zum Abitur geschenkt bekommen hatte. Auf dieser abenteuerlichen Reise und auch noch viele Jahrzehnte später entstanden eindrucksvolle Schwarzweißfotos, die Gräfin Dönhoff in fernen Ländern, aber auch in der Heimat Ostdeutschland aufnahm. 40 großformatige Fotografien sind jetzt im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen (dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, bis 2. April). Sie geben einen kleinen Einblick in die Welt, als die Touristenpfade noch nicht so ausgetreten waren wie heute, als alleinreisende Frauen noch skeptisch angesehen wurden. Die Welt der albanischen Bauern stand jedenfalls Kopf, als die beiden jungen Damen im weißen Cabrio mit dem Kennzeichen IC-41010 auftauchten und gar eine Zigarettenpause einlegten, Kinder strömten herbei, um das nicht mehr ganz so weiße Prachtstück zu bestaunen. Bis in den Jemen, wo sie die typischen Hochhäuser mit den kunstvollen Verzierungen fotografierte, und in die Wüste zu den stolzen Tuareg reiste die Gräfin – Reiseziele, die auch heute noch nicht selbstverständlich sind.
Was aber dachten die Einheimischen, als sich erste Europäerinnen im 18. Jahrhundert in den Orient verirrten? Nach ihrem ersten Buch „Die Krinoline bleibt in Kairo“ (2004), in dem sie reisende Frauen von 1650 bis 1900 vorstellte, legt Barbara Hodgson nun die Ergänzung vor: Die Wüste atmet Freiheit – Reisende Frauen im Orient 1717 bis 1930 (Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 184 Seiten, zahlr. Abb., gebunden mit Schutzumschlag, 24 Euro). Sie schildert darin die Erlebnisse von Lady Mary Montagu, die als erste prominente moderne Europäerin den Orient bereiste, sie porträtiert Ida von Hahn-Hahn, Gertrude Bell, Louisa Jebb oder Rosita Forbes, die bald die Freiheiten erkannten, die ihnen der Orient damals bot, und die ein Leben fernab der europäischen Konventionen führten. Sie schliefen in Zelten, legten Korsettt und Krinoline ab und lernten fremde Sitten und Lebensart kennen. Die hier beschriebenen Frauen erkannten auf diesen Reisen, „wer sie sein sollten und könnten, Beschränkungen wußten sie erfindungsreich zu umgehen oder sie ignorierten sie einfach und bewiesen so, daß sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen konnten“ (Barbara Hodgson).
Das taten auch die Frauen, die Katja Büllmann in ihrem neuen Buch Eine einzige Reise kann alles verändern (Malik im Piper Verlag, München, 234 Seiten, Klappbroschur, 16,90 Euro) porträtiert. Ob Elena oder Mathilde, ob Hilke oder Barbara – sie erlebten, was die Autorin Miriam Beard einmal in Worte faßte: „Reisen ist ein tiefgreifender Wandel, dem wir uns unterwerfen, ein fundamentales Umdenken in Bezug auf das Leben.“ Allein zu reisen bedeutet zunächst einmal die Überwindung von Ängsten. Ein Aufbruch ins Ungewisse ist immer mit persönlichen Unsicherheiten verbunden. Was erwartet einen am Ziel, welchen Menschen wird man begegnen, wird man prekäre Situationen zu meistern wissen? Nicht immer ist die Reise allein wichtig. So hat Barbara, die Fotografin, für sich erkannt: „Ich war viel unterwegs. Dann bin ich zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Beides war wesentlich. Denn um wirklich wegzufahren, mußt du erst einmal zu dir kommen.“
Reisen damals: Touristen in Jerusalem (zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts) Foto: Library of Congress
Unterwegs im weißen Cabrio: Marion Gräfin Dönhoff reiste in den 1930er Jahren von Ostdeutschland bis nach Albanien. Foto: Marion Gräfin Dönhoff Stiftung |
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