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Wie die Bundeswehr kleingespart wird

 
     
 
Es geht nur noch ums Sparen. Militärische oder politische Entscheidungen werden im Ministerium nicht mehr getroffen". Diese Worte eines hohen Offiziers aus dem Bundesverteidigungsministerium treffen den Nagel auf den Kopf. Ob es um die Ausmusterung von Waffensystemen, die Anschaffung neuen Wehrmaterials oder die Frage von Standortschließungen geht, immer bestimmt der finanzielle Aspekt die Entscheidung.

Noch von Scharping stammt die Konzeption, die vor zwei Jahren die Marschrichtung der Bundeswehr festlegte. Die aber wurde vor einigen Monaten durch den Erlaß der neuen Verteidigungspolitischen Richtlinie
n (VPR) erneut geändert. Also muß eine neue Konzeption her. Sie soll bis Ende des Jahres vorliegen und eine verbindliche Planung sowie ein neues Materialkonzept enthalten. Verteidigungsminister Peter Struck hat zur Feinausplanung der VPR Anfang Oktober eine Weisung erlassen, deren Umsetzung bis 2010 abgeschlossen sein soll. "Klasse statt Masse", so das Motto. Begründen tut der Minister das mit den veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen.

Bei der Vorstellung der Weisung ließ Struck die Katze dann allerdings aus dem Sack. Allein durch die personelle Verkleinerung der Bundeswehr will er "mehrere hundert Millionen Euro einsparen". Das muß er wohl auch, denn der Bundeswehr fehlen im nächsten Jahr zusätzlich 248 Millionen Euro, mit denen der Kanzler die geplünderten Rentenkassen auffüllen will. Es sind also in erster Linie keine militärischen oder politischen Gründe, welche die Bundeswehr weiter schrumpfen lassen, auch wenn der Minister prophezeit, die Streitkräfte würden zwar kleiner, aber moderner und leistungsfähiger werden. "Alter Hut" murrt mancher Spitzenmilitär. Tatsächlich haben das Strucks Vorgänger auch schon versprochen, um die Wirkung schmerzhafter Einschnitte zu mildern. Struck habe diesen Leitsatz lediglich auf die neuen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen ausgerichtet, so die Kritik.

Eine "neue Bundeswehr für neue Aufgaben", das soll das Ziel der umwälzenden "Strucktur-Reform", genauer, der Reform der Reform der Reform sein, der sich die Bundeswehr derzeit unterziehen muß. Kein evolutionärer, sondern ein revolutionärer Ansatz also. Am Ende des Reformprozesses werden vollkommen andere Streitkräfte stehen. Ihr Auftrag: Interventionseinsätze statt Landesverteidigung. Nichts wird mehr so sein wie früher. Dazu gehört auch eine weitere Reduzierung des Umfangs. Der Grund ist einfach: das Geld und damit die Soldaten und das Material werden knapp. Künftig sollen nur noch 250.000 Männer und Frauen in der Bundeswehr dienen - weitere Reduzierung nicht ausgeschlossen. Damit einher geht eine drastische Beschaffungsreduzierung.

Kein Wunder, daß in den Streitkräften ein erbitterter Verteilungskampf ausgebrochen ist. Doch die Linie des Ministers ist klar. Alle Erfordernisse von Material und Ausrüstung werden überprüft. Dabei wird es nicht mehr darum gehen, die Forderungen der Teilstreitkräfte zu erfüllen. Künftig werden alle Beschaffungsvorhaben ausschließlich aus übergeordneter Sicht betrachtet und in ihrer Priorität nach dem wahrscheinlichsten und realitätsnächsten Einsatzszenario beurteilt werden.

Um Luft für Investitionen zu bekommen, will der Minister unter anderem 90 Tornados, Flugabwehr- systeme, Kampfpanzer und alle Schnellboote abschaffen. Nur so könne er bestehende Systeme erhalten und Neuanschaffungen finanzieren. Trotzdem sind den Inspekteuren diese Kröten zu fett, um sie widerstandslos zu schlucken. Generalleutnant Gert Gudera wehrt sich vor allen gegen die personelle Reduzierung des Heeres. Schließlich trügen seine 135.000 Soldaten die Hauptlast der Auslandseinsätze. Eine Verkleinerung auf 87.000 sei nicht hinnehmbar. Luftwaffen-Chef Gerhard Back akzeptiert zwar die Reduzierung alter Systeme, aber der Generalleutnant wehrt sich vehement gegen Kürzungen bei der Beschaffung des Eurofighters und unbemannter Aufklärungsdrohnen. Die Einführung dieser Waffensysteme sei "unabdingbar". Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Lutz Feldt, hält sich dagegen zurück. Er verliert zwar ein Tornadogeschwader, aber der Verlust der Schnellboote wird ihm durch die Anschaffung hochmoderner Korvetten versüßt. Außerdem hat Struck den Bau von vier neuen U-Booten genehmigt. Feldt warnt aber vor einer weiteren Reduzierung des Personalbestands seiner Teilstreitkraft. Mit nur noch 20.000 Soldaten hat die Marine tatsächlich schon jetzt die gerade noch vertretbare Untergrenze erreicht.

Keine Sorgen muß sich die noch junge Streitkräftebasis (SKB) machen. Sie besteht derzeit aus 25.000 "Uniformträgern" - es wird hier nicht mehr von Soldaten gesprochen! - von Heer, Marine und Luftwaffe. Ihr zukünftiger Gesamtumfang wird sogar 50.500 Uniformträger betragen. Als zentraler militärischer "Servicebetrieb" stellt sie die Unterstützung aller Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche der Bundeswehr mit Material, Versorgungsgütern und Dienstleistungen sicher. Hier werden Fähigkeiten und Kräfte wie beispielsweise im Nachschub- und im Fernmeldewesen zusammengefaßt. Ziel ist die Schaffung einer wirtschaftlicheren, einsatzorientierten, modularen und flexiblen Struktur der Bundeswehr. Kritiker bemängeln, daß mit der SKB eine unverhältnismäßig große "Etappe" auf Kosten der Teilstreitkräfte geschaffen wurde.

Auch der Sanitätsdienst mit derzeit etwa 23.000 Soldaten hat nicht viel zu befürchten. Er wird im erweiterten Aufgabenspektrum der Bundeswehr immer wichtiger. Da legt kein Minister die Axt an.

Widerstand regt sich nicht nur bei den Inspekteuren. Auch die Kommunen sind besorgt, denn Struck will die Zahl der Standorte deutlich reduzieren. Und die Rüstungsindustrie fürchtet um ihre Zukunft. Doch der Minister läßt nicht mit sich reden. Er hat deutlich gemacht, daß allgemeinpolitische Aspekte für ihn ebenso wenig eine Rolle spielten wie die Wirtschaftsförderung.

"Nicht besser, Hauptsache anders" ist ein geflügeltes Wort in den Streitkräften, die schon viele Reformen und Reförmchen durchlebt und durchlitten haben. Es fällt schwer zu glauben, daß Veränderungen, die hauptsächlich auf Sparzwängen beruhen, etwas zum Besseren wenden. Der Bundeswehr wäre es in jedem Fall zu wünschen. Denn ihre Einsätze werden immer mehr - und immer gefährlicher. Wenn der Verteidigungshaushalt weiter zum Stopfen von Haushaltslöchern herhalten muß, wird es irgendwann eng für ihre Soldaten.Schon jetzt ein seltener Anblick: Tornados der Bundeswehr
 
     
     
 
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