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Gerne hätten die vertriebenen Bürger von Ostdeutschlands Hauptstadt das 750. Gründungsjubiläum der Stadt zusammen mit den heutigen russischen Bewohnern gefeiert. Über zwei Jahre wurden unter Federführung des Landtagspräsidenten von Brandenburg deutsch-russische Gespräche darüber geführt, in welcher Art und Weise gemeinsame Veranstaltungen und Projekte durchgeführt werden könnten. Die Stadtgemeinschaft Königsberg (Pr) war zu diesen Gesprächen eingeladen und auch anwesend.
Als jedoch Präsident Putin die Entscheidung endlich traf, daß das Fest unter dem Motto "750 Jahre Kaliningrad" vom 1. bis 3. Juli stattfinden sollte - die russischen Vertreter konnten über eine lange Zeit keine Entscheidungen fällen -, hatten die Königsberger schon längst gehandelt: Mit seit nunmehr 14 Jahren befreundeten Institutionen, mit denen es schon einen regen Kulturaustausch gab, wurden Projekte und Veranstaltungen in die Wege geleitet, völlig unabhängig davon, wie die Verantwortlichen der Oblast und der Stadtduma von Königsberg entscheiden würden. Über den Königsberger Bürgerbrief wurden die Königsberger eingeladen, im August Königsberg zu besuchen. Für diese Zeit wurden dann Gottesdienste, Konzerte, Ausstellungen vorbereitet. Bis zuletzt waren die Verantwortlichen der Stadt informiert, bezüglich der Aufstellung des Denkmals für Herzog Albrecht wurde miteinander korrespondiert.
Am 6. August dieses Jahres fand dann als Auftakt eine Begegnung vieler angereister Königsberger mit Gemeindemitgliedern der Auferstehungskirche statt. Beim Betreten des Kirchengeländes staunten die Besucher über den herrlichen Blumenschmuck, den man auf dem ganzen Kirchengelände vorfinden kann. Der gemeindliche Posaunenchor stimmte mit Kirchenliedern auf den Tag ein.
Propst Heye Osterwald begrüßte die von weither angereisten Gäste, unter ihnen viele westdeutsche Bürger, die gerne die Stadt, die Landschaft und die Menschen kennenlernen wollten. Nach einer Andacht, umrahmt vom Chor der Gemeinde, stellte Propst Osterwald die Arbeit in den 48 evangelisch-lutherischen Gemeinden sowie die sozialen Tätigkeiten in dem Gebiet vor wie das Seniorenheim in Gumbinnen und das Straßenkinderprojekt Jablonka. Besonders interessiert wurde sein Hinweis aufgenommen, daß inzwischen russische Theologen mehr und mehr die Betreuung der Gemeinden übernehmen können. Einer dieser Theologen übersetzte auch alle deutschen beziehungsweise russischen Ansprachen in hervorragender Weise. Klaus Weigelt, Vorsitzender der Stadtgemeinschaft Königsberg (Pr), sprach ein Grußwort und dankte der Gemeinde für die freundliche Aufnahme. Für die Duma sprach Andrej Maschlenko ein Grußwort. Er gehört übrigens der evangelisch-lutherischen Gemeinde als Mitglied an. Eine Gruppe von Frauen hatte dann für den großen Besucherkreis eine schmackhafte Suppe vorbereitet.
Ab 14 Uhr begann ein Unterhaltungsprogramm: Schüler der Schule Nr. 1, der früheren Burgschule, deren Patenschule das Duisburger Mercator-Gymnasium ist, hatten ein kleines Theaterstück in Anlehnung an Molières "Der Bürger als Edelmann" in deutscher Sprache einstudiert. Für ihre flotte Aufführung erhielten die Darsteller viel Beifall. Anschließend sang der Chor verschiedene Volkslieder, zuweilen mit Akkordeon oder mit Flöten begleitet. Dann war Kaffeezeit und für alle gab es reichlich Kuchen und Kaffee oder Tee.
Ein für viele angereiste Königsberger besonderer Tag sollte der Sonntag, 7. August 2005 werden. Zahlreiche Königsberger fanden sich am frühen Morgen auf dem Friedhof an der ehemaligen Cranzer Allee ein, um dort der Toten zu gedenken. Dieser Friedhof ist vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) neu angelegt und verschönt worden. Gedenkworte sprach Pfarrer i. R. Lorenz Grimoni. In seiner Ansprache gedachte er der im August 1944 bei der Bombardierung der Stadt umgekommenen Bürger wie aller weiteren Opfer der Kriegshandlungen bis zu der Zeit, als die letzten deutschen Bürger 1948/49 die Stadt verlassen mußten. Er schloß aber auch die anderen Opfer des Zweiten Weltkrieges ein, Deutsche und Russen, die Opfer aller Völker. Während die Stadtgemeinschaft ein Blumengebinde am großen Kreuz niederlegte, legten viele der Angereisten ebenfalls Blumen zur Erinnerung an umgekommene Familienmitglieder nieder. Alle Besucher des Friedhofs waren sich darin einig, daß der Friedhof eine würdige Gedenkstätte geworden sei.
Anschließend fand man sich im vollbesetzten Dom zu einem gemeinsamen Gottesdienst mit der Auferstehungsgemeinde ein. An ihm nahmen auch Vertreter der katholischen und der jüdischen Gemeinde teil, die am Ende des Gottesdienstes auch ein Grußwort sprachen. Während Pfarrer Osterwald die Liturgie verantwortete, hielt der Präsident des Gustav-Adolf Werkes, Pfarrer Dr. Wilhelm Hüffmeier, die Predigt. Die Gemeinde sang Lieder, die einmal in Königsberg entstanden waren: "Gott des Himmels und der Erden ...", "Such, wer da will, ein ander Ziel ...", "Lobe den Herren, o meine Seele ..." sowie das Lied von Herzog Albrecht: "Was mein Gott will, gescheh allzeit ..." Sehr bedauerlich war die mangelhafte Lautsprecheranlage. Die Beiträge aller Mitwirkenden wurde von den meisten Besuchern nur schlecht verstanden.
Nach dem Gottesdienst ergriff Klaus Weigelt das Wort. Im Auftrag der Stadtgemeinschaft Königsberg (Pr) verlieh er zunächst dem Dombaumeister Igor Odinzow die "Königsberger Bürgermedaille". Damit sollte dessen beharrliches Bemühen um den Wiederaufbau des Königsberger Domes geehrt werden. Aus der Ruine, angefüllt mit Schutt, mit Büschen und Bäumen bewachsen bis zum Jahre 1991, hat Igor Odinzow es gegen viele Widerstände geschafft, den Dom wieder entstehen zu lassen. Im Südturm ist eine evangelische Kapelle entstan-
den, im Nordturm eine orthodoxe Kapelle, und bald soll in der ehemaligen Taufkapelle auch ein Raum für die katholischen Mitchristen entstehen. Der Dom verfügt in seinen Türmen über ein immer reicher ausgestattetes Stadt-Museum, ein Kant-Museum und ein Museum, das an die Geschichte des Domes erinnert. Zurzeit ist ein großes Stadtmodell der Kneiphofinsel in Arbeit, manche Besucher konnten sich vom Fortschritt dieser Arbeiten überzeugen. Die Beschaffung einer Orgel, einer Fußbodenheizung und die Wiederherstellung einiger Epitaphe stehen noch aus. Viele Anwesende, die zu den Förderern des Domes gehören und die regelmäßig Spenden auf das Konto des Förderkreises der Stadtgemeinschaft überwiesen haben, konnten sich selbst ein Bild davon machen, daß ihre Spenden unmöglich Scheinendes möglich gemacht haben.
Eine Bürgermedaille erhielt auch Lorenz Grimoni für seine Bemühungen um die Führung und den Ausbau des Museums Stadt Königsberg in Duisburg, für seine langjährige Mitarbeit beim Königsberger Bürgerbrief und für seine Arbeit für den Förderkreis Dom. Lorenz Grimoni hält ständig Kontakt zum Dombaumeister, dieser kommt zuweilen nach Duisburg. Mit Material aus dem Museum konnten in der Vergangenheit oft notwendige Unterlagen und Bildvorlagen für die Renovierungsarbeiten erstellt werden.
Im Anschluß an den Gottesdienst schenkte die Stadtgemeinschaft Königsberg (Pr), inzwischen mit der "Stiftung Königsberg" verbunden, der Stadt Königsberg einen Nachguß der Figur Herzog Albrechts. Die Ansprache hielt Klaus Weigelt. Besonders hob er das Verdienst des langjährigen Zweiten Vorsitzender der Stadtgemeinschaft Dr. Herbert Beister hervor, der dieses Projekt in Gemeinschaft mit den russischen Stellen nicht nur seit Jahren verfolgt, sondern auch den Löwenanteil der aufzubringenden Mittel zur Verfügung gestellt hat. Der Sockel für dieses Denkmal hatte den Krieg überstanden. Aus gleichem Material hat Igor Odinzow auch eine wunderbare halbrunde Anlage zum Denkmal geschaffen. Die überlebensgroße Figur befindet sich in unmittelbarer Nähe der Grabstätte Immanuel Kants an jenem Ort, an dem einst die von Herzog Albrecht gegründete Universität stand, die "Albertina". Auf dem Sockel ist in deutscher und russischer Schrift festgehalten: "Herzog Albrecht, Gründer der Universität." Auf den beiden Schriftrollen, die er in der Hand hält, sind auch wieder die beiden für Königsberg wichtigen Jahreszahlen zu lesen: 1525 (Einführung der Reformation in Preußen) und 1544 (Gründung der Universität).
Am Nachmittag dieses denkwürdigen Tages gab die Stadtgemeinschaft im Deutsch-Russischen Haus einen Empfang für viele russische Freunde, für Vertreter der Universität, der Galerie und der Museen, für Abgeordnete der Duma, für Heimatforscher und Künstler. Anwesend waren auch Sem Simkin sowie Vertreter der russischen Agnes-Miegel-Gesellschaft und der russischen Ernst-Wiechert-Gesellschaft. Man freute sich über das Wiedersehen, vertiefte Kontakte und tauschte Geschenke aus. Besonders begehrt war die Sondernummer des Königsberger Bürgerbriefes, eine Zusammenfassung wichtiger Königsberger Ereignisse und Präsentation wichtiger Persönlichkeiten des Königsberger Kulturlebens. Und natürlich wurden wieder gemeinsame Projekte besprochen, denn nach dem Jubiläum sollen die vielfachen Kontakte nicht abreißen, und die kulturelle Zusammenarbeit soll nicht zu Ende sein. So sind auch zukünftig Ausstellungen geplant und Buchprojekte angedacht. Die Vorstandsmitglieder der Stadtgemeinschaft Königsberg (Pr), die fast vollzählig in Königsberg anwesend waren, hatten viele Gespräche zu führen. Es ging um die Fortführung der von der Stadtgemeinschaft finanzierter Deutschkurse, die Beschaffung von Material für eine besondere E.T.A.-Hoffmann-Präsentation und anderes mehr.
Besonders auffallend war für alle Besucher, daß dem Bemühen der russischen Behörden, russische Geschichte vor Ort präsent werden zu lassen - zum Beispiel durch ein Denkmal für den großen Dichter Puschkin oder in Pillau durch ein Reiterdenkmal für Zarin Elisabeth - eine ständige Rückbesinnung an die deutschen Wurzeln Königsbergs gegenüber stand. An "Königsberg" erinnern nicht nur das Etikett auf der Bierflasche oder auf der Pralinenschachtel, sondern auch viele Wiedergaben alter Königsberger Stadtansichten auf großen Bildwänden etwa auf der Straße nach Cranz und Rauschen oder auf der Werbetafel vor dem Hotel "Kaliningrad". L. G.
Vor dem neuen Herzog-Albrecht-Denkmal: Lorenz Grimoni, Igor Odinzow, Heye Osterwald und Klaus Weigelt |
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