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Vergangenes Wochenende öffnete in Berlin ein Museum zur Alltagskultur der DDR. An der Spreepromenade der Liebknechtbrücke gelegen, auf der anderen Uferseite des Berliner Doms und schräg gegenüber vom Palast der Republik, der derzeit Stück für Stück abgetragen wird, ergänzt es die bisherigen DDR-Museen in Amsterdam (!), Pforzheim, Malchow und Eisenhüttenstadt.
Während das legendäre Museum „Haus am Checkpoint Charly“ die Geschichte der deutschen Teilung und insbesondere jener Berlins dokumentiert, widmet sich das Museum im Untergeschoß des neugebauten „Domaquarees“ ausschließlich dem alltäglichen Leben und bietet dabei etwas bislang wohl Einzigartiges , zumindest für Berlin: Die Besucher können erstmals sämtliche Dinge anfassen, riechen und – wer keine Scheu hat – schmecken.
Gemeinsam ist beiden ungleichen Berliner Einrichtungen, daß sie auf ausschließlich private Initiative hin entstanden sind. Das mag bezeichnend sein für die Geschichtspolitik Berlins, insbesondere heute, da die Linkspartei/PDS den Kultursenator stellt, der sich zur Erinnerung an die Teilung der Hauptstadt ein Museum des „Kalten Krieges“ wünscht, wohl um die Verantwortung der Mauerverbrechen museal auf die Regierungen in Ost und West gleichermaßen zu verteilen.
Geschäftsführer und Initiator der etwas versteckt liegenden Dauerausstellung, deren Eingang sich direkt an der Schiffsanlegestelle befindet, ist der aus Freiburg stammende Unternehmer Peter Kenzelmann. Der studierte Ethnologie hat für dieses Projekt 600000 Euro aufgewendet. Bei einer begrenzten Ausstellungsfläche von gerade 400 Quadratmetern hat er aus der Not eine Tugend gemacht. Denn das Museum zeigt die DDR in einer einzigen Plattenbausiedlung: die berüchtigten Betonplatten der DDR-Wohnsilos nämlich bilden die Front der Stellwände – und sind zugleich selbst Ausstellungsmöbel. Sie repräsentieren die Blöcke der „Wohnungsbauserie 70“, dem typischen Plattenbau-System der Honecker-Ära. Die Fassadenteile dienen dabei zugleich als Raumteiler.
Die originelle Anordnung verdankt sie dem erfahrenen Architekten und Ausstellungsgestalter Fank Wittmer aus Stuttgart. Die Präsentation läßt einer gewissen Komik Raum (allerdings nicht um jeden Preis). Das dürfte maßgeblich der Leitung durch den Historiker Stefan Wolle geschuldet sein, der die Schau wissenschaftlich begleitet hat. Mit ihm wurde der richtige Mann zu Rate gezogen. Sein grundlegendes Werk „Die heile Welt der Diktatur“, das „Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989“ beleuchtet, vergißt über alle Tristesse und Totalitarismus-Theorie nicht den Witz – entsprechend lakonisch zuweilen die sparsam gehaltenen Texttafeln, auf deutsch und englisch.
Die Erklärtafel zum Thema „Konsum“ etwa steht unter der Überschrift „Verwalteter Mangel“ (englisch etwas deutlicher: „Working with nothing“). Der Schlußsatz des Textes, der den Alltag als „Jagd nach Mangelware“ präsentiert, wartet mit einer auch für Kinder leicht verständlichen Botschaft auf, die Erwachsene unwillkürlich schmunzeln läßt: „Die Planwirtschaft konnte die Wünsche der Menschen nach westlicher Vielfalt nicht befriedigen. 1989 war die Geduld der Menschen zu Ende.“
Auf den roten Wänden und Stützpfeilern des Ausstellungsraumes verkünden rostige, abgeblätterte Gold-Lettern die Losungen des verstaatlichten DDR-Alltags, die den Besuchern – je nach Alter und Herkunft – zumeist noch gut in Erinnerung sind. Mit dem heutigen Abstand erscheinen die Parolen völlig absurd und zugleich komisch. Etwa beim Trabant, der „Pappe“, in den sich jeder Ausstellungsbesucher hineinsetzen kann. An den Wänden entziffert man derweil Propagandasprüche „Die Kraft der zwei Kerzen“ oder „Überholen ohne Einzuholen“. Kurios ist auch die Losung „Trinke nicht wahllos / Greife zum Wein“. Da es in der „Zone“ seinerzeit meist nur süßen oder Mehrfruchtwein gab, konnte man sich gleich besser an einen anderen Slogan halten, der da lautete: „Ein klarer Kopf lernt sicher.“
Lernen ist in diesem Zusammenhang ein Stichwort. Wie es in DDR-Schulen zuging, zeigt ein Film, der verschiedene Sequenzen des Bildungsalltags vor Augen führt, dazu finden sich Pioniertuch, FDJ-Bluse, und -Ausweis und ein Schulheft, dessen aufgeschlagene Seite „Mein(en) Pionierauftrag für das Schuljahr 1975/76“ wiedergibt. Dort heißt es unter anderem: „Wir lernen das Leben und den Kampf der Antifaschisten“ und „Wir sammeln Altstoffe“. Darunter findet sich ein Stapel gebundenes Altpapier. Darunter Gesetzestexte, die genauso Makulatur geworden sind wie die vielbändigen Reihen mit den Klassikern des Marxismus-Leninismus. Daß deren Wahrheit nicht allmächtig, sondern ein bizarrer wie unheilvoller Treppenwitz der Geschichte war, zeigt nicht zuletzt die umgrenzte Schau der DDR-Alltagswelt mit ihren minderwertigen Produkten und grotesken Losungen, die heutigen Schülern erstmals einen Kontakt mit der Alltagswelt des „Arbeiter- und Bauernstaates“ vermittelt.
DDR-Museum Berlin, Karl-Liebknecht-Straße 1, Berlin-Mitte; Telefon (030) 84712373-1, Internet: www.ddr-museum.de Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro |
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