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Mit der Wiedervereinigung wurde das westdeutsche System von Lohnersatzleistungen in Form von Frührente, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe und Arbeitslosengeld in Ostdeutschland sofort wirksam. Die Lohnersatzleistungen, die der Staat anbietet, wirken wie Mindestlöhne im Tarifsystem. Viele Empfänger haben am Arbeitsmarkt kaum eine Chance auf eine regulär bezahlbare Arbeit, weil der Lohnersatz höher ausfällt als ein an der Produktivität orientierter Lohn zuzüglich staatlicher Abgaben.
Sachsen sieht in der "Aktivierenden Sozialhilfe" eine große Chance, Transferempfänger - vor allem Langzeitarbeitslose - in ein geregeltes Arbeitsverhältnis zu führen. Gleichzeitig bietet sie Arbeitgebern einen Anreiz, zusätzliche Stellen auch im Niedriglohnbereich anzubieten.
Sachsen ist bereit, dies in einem lokal begrenzten Modell zu erproben. Teilnehmern soll nach einer Qualifizierungsmaßnahme ein befristetes Arbeitsverhältnis in der Wirtschaft oder einer Kommune zur Verfügung gestellt werden. Statt der bisherigen Lohnersatzleistungen erhalten sie nunmehr Lohnergänzungsleistungen. Diese setzen sich zusammen aus einem produktivitätsorientierten Teil und einem Lohnkostenzuschuß beziehungsweise ergänzender Sozialhilfe. Das damit erzielte Einkommen erreicht zumindest das Niveau der bisherigen Lohnersatzleistungen oder geht darüber hinaus.
Wer trotz zumutbarer Beschäftigung nicht arbeitswillig ist, dessen Hilfe wird nach den bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten gekürzt. Für alle Nicht-Erwerbsfähigen oder Erwerbsfähige, die keine Arbeit bekommen, bleibt es bei den bisherigen Regelungen.
Der Föderalismus ist ein traditionelles und zentrales Element der staatlichen Ordnung in Deutschland. Zusammen mit dem Subsidiaritätsprinzip bietet er die besten Voraussetzungen für einen bürgernahen Staat. Die Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen der Länder auf den Bund bei gleichzeitiger Einräumung von Mitwirkungsrechten für die Länder über den Bundesrat hat zu einer Zentralisierung der Gesetzgebung sowie zu Konsenszwang geführt.
Der Reformstau in der Bundesrepublik Deutschland ist in hohem Maße institutionell bedingt. Durch die Vermengung von Verantwortung wird es dem Wähler zusehends erschwert, die politische Verantwortung für bestimmte Felder zuordnen zu können. Sanktionen für politisches Fehlverhalten sind nur noch begrenzt möglich. Insbesondere werden reine Verteilungskämpfe sowie macht- und wahlstrategisches Verhalten gefördert, eigenverantwortliches Handeln auf Länder- und Gemeindeebene wird erschwert.
Eine grundlegende Reform des Föderalismus ist überfällig. Eine Reform muß mehr Eigenverantwortlichkeit von Bund, Ländern und Kommunen sowie mehr Gestaltungsfreiheit vor Ort anstreben. Insgesamt muß es gelingen, die Effizienz und Transparenz staatlicher Leistungen zu erhöhen. Eine Neuordnung der Aufgaben und ihrer Finanzierung kann nur gelingen, wenn es im Stadium des Übergangs nicht zu größeren Verwerfungen kommt.
Die Entflechtung von Mischfinanzierungen und gesetzgeberischen Zuständigkeiten hätte auch zur Folge, daß die Verantwortung für gute und schlechte Politik klar wäre. Damit könnte insbesondere der steigenden Verschuldung der Länder Einhalt geboten werden. (Finanz-)Politische Verantwortungslosigkeit darf nicht zu Lasten der Gesamtheit der öffentlichen Gebietskörperschaften gehen. Dies ist nicht zuletzt erforderlich, damit der Staat handlungsfähig bleibt, die
Lasten für die kommenden Generationen minimiert werden und die nationale Verpflichtung Deutschlands im Rahmen des Europäischen Stabilitätspaktes eingehalten wird.
Wir brauchen einen Nationalen Stabilitätspakt. Dieser muß die Defizitanteile (Obergrenzen) für Bund und Länder genau festlegen. Dabei ist auch eine Vereinbarung über einen Sanktionsmechanismus bei Überschreitungen der jeweiligen Anteile notwendig. Der Freistaat Sachsen unterstützt mit diesem wiederholt vorgetragenen Vorschlag auch die im vergangenen Jahr vom Wissenschaftlichen Beirat aufgestellten Forderungen.
Eckpunkte: 1) Verteilung der Defizitobergrenze 45 Prozent Bund / 55 Prozent Länder 2) Verteilung zwischen den Ländern nach Einwohnerzahl 3) Gesamtstaatliche Sanktionen zahlen die Verursacher 4) Anreize für Unterschreitung der Anteile: Zum Beispiel variabler Anteil der Zuweisungen des Bundes für Forschungsförderung oder Etablierung eines Defizithandels
Im Bereich des Bundesrechts wird unzureichend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Ländern eigene Regelungen zu erlauben. Hier besteht die Möglichkeit, Landesregierungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen zu ermächtigen. Zudem kann der Bund dem Landesgesetzgeber eigene Regelungsspielräume überlassen, indem er seine Bundesgesetzgebungskompetenz nicht wahrnimmt beziehungsweise dem Landesgesetzgeber ausdrücklich Gesetzgebungskompetenz einräumt.
Auch die Einräumung von Zugriffsrechten der Länder auf bundesgesetzliche Regelungen durch eine entsprechende Verfassungsänderung würde den Wettbewerb innerhalb Deutschlands um die besten Regelungen erhöhen. Hier wäre den Ländern freigestellt, ob sie gesetzgeberisch aktiv werden wollen.
Die Föderalismuskommission des Bundestags muß durchsetzbare Vorschläge erarbeiten, um die Kompetenzen von Bund und Ländern zu entflechten. Der Bundesgesetzgeber muß verstärkt von seiner Möglichkeit Gebrauch machen, Öffnungs- und Experimentierklauseln zu schaffen, die es den Ländern erlauben, von Regelungen des Bundes auf Dauer oder zeitlich befristet abzuweichen. Weiterhin müssen dem Landesgesetzgeber umfangreiche Zugriffsmöglichkeiten auf Bundesrecht eingeräumt werden.
Das geltende Tarif- und Besoldungsrecht ist kein Modell für die Zukunft. Die Regelungen sind zu kompliziert und unflexibel. Sie belohnen zu wenig die Leistungen der Mitarbeiter und lassen keine ausreichend differenzierende Entlohnung zu. Demotivation der Leistungsträger und ungenutzte Leistungspotentiale sind die Folge. Für Ostdeutschland, mit einem relativ großen Anteil von Bediensteten des öffentlichen Dienstes, ist die Reform des Tarifrechts um so wichtiger.
Das neue Tarifrecht soll die Effizienz und Effektivität des öffentlichen Dienstes stärken. Hierfür muß es einfach und verständlich, leistungsorientiert und regional flexibel sein. Der öffentliche Dienst muß im Wettbewerb um die "besten Köpfe" auch mit der Privatwirtschaft bestehen können.
Das neue Tarifrecht soll ohne Unterscheidung nach Angestellten und Arbeitern für alle Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gelten. Die Länder sollen durch Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen eigene Handlungsspielräume erhalten oder selbst die Tarifverträge abschließen. Feste Vergütungsbestandteile müssen in Elemente der Leistungsbezahlung umgewandelt werden. Hierbei darf jedoch die finanzielle Leistungsfähigkeit nicht außer Acht gelassen werden.
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Georg Milbradt wurde am 23. Februar 1945 in Eslohe/Sauerland geboren, aufgewachsen ist er in Dortmund, wo die Familie, die aus Wongrowitz in der Nähe von Posen stammt, nach Kriegswirren und Flucht schließlich landete. 1964 machte er in Dortmund sein Abitur. Im selben Jahr begann er ein Studium der Fächer Volkswirtschaft, Jura und Mathematik an der Universität Münster, welches er 1968 mit dem Diplom als Volkswirt und der Note "sehr gut" abschloß. 1973 promovierte er zum Dr. rer. pol. "summa cum laude". 1980 erhielt er die Lehrbefugnis für das Fach Volkswirtschaft. In den Jahren 1983 bis 1990 war er als Finanzdezernent der Stadt Münster tätig. Von November 1990 bis Februar 2001 war er sächsischer Staatsminister der Finanzen. 1973 wurde er Mitglied in der CDU, und 1991 wurde er in den Landesvorstand, im November 1999 zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der sächsischen Christdemokraten gewählt. Im September 2001 wurde er dann Landesvorsitzender der Sachsen-CDU. Seit dem 18. April 2002 hat Georg Milbradt das Amt des Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen inne.
Zu viele Stimmen, zu viel Durcheinander: Eine Föderalismusreform muß zu mehr Effizienz und Transparenz führen. Foto: mecom/Unkel
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