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Wir müssen aller Opfer gedenken

 
     
 
Das Deutschlandtreffen der Freundeskreis Ostdeutschland steht 2005 ganz im Zeichen des 60. Jahrestages des Kriegsendes. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten jenen, die damals unter dramatischen Umständen ihre Heimat verlassen mußten. Gerade in Ostdeutschland spielten sich dabei schreckliche Szenen ab. Die panische Flucht vor einer vielfach vom Gedanken an Rache und Vergeltung erfüllten Armee, die winterliche Kälte, Hunger und Entbehrung, der Zug über das brechende Eis des Haffs oder die Versenkung vollbesetzter Flüchtlingsschiffe - darunter die größte Katastrophe der Seefahrt
sgeschichte -, all das sind Szenen und Bilder, die uns in diesem Jahr zutiefst berühren.

Die erschütternden Berichte der Überlebenden und die wenigen Fotografien, die das Leid und die Not der Menschen erahnen lassen, wurden erst in den letzten Jahren in größerem Umfang von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Lange Jahre ließ der herrschende Zeitgeist dies nicht zu. Erst jetzt beginnen wir, den vollen Umfang des Grauens der damaligen Zeit zu begreifen.

Deshalb ist auch jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um in einem "Zentrum gegen Vertreibungen" an die schrecklichen Ereignisse zu erinnern und sie in den Kontext der deutschen und europäischen Geschichte zu stellen. Niemand bestreitet den historischen Zusammenhang der Ereignisse, die in der verbrecherischen Politik des nationalsozialistischen Deutschland ihren Ursprung hatten. Der Tag der Befreiung von Auschwitz wird mit Recht als ein herausragender Gedenktag begangen, an dem sich unser Land vor Millionen von Opfern der Gewaltherrschaft verneigt. Aber gerade weil wir nicht Opfer gegenseitig aufrechnen, sondern sie in ihrer je individuellen Würde und in ihrem Einzelschick-sal sehen wollen, müssen und dürfen wir auch unseren Opfern gedenken.

Die Vertriebenen sollen sich selbst in einem solchen Zentrum wiederfinden. Sie haben mit ihrer wegweisenden Charta und durch ihr Wirken in der Nachkriegszeit bewiesen, daß sie für Frieden und Verständigung eintreten. Ich bin darum überzeugt, daß sie bei der Gestaltung einer Informations- und Gedenkstätte die hohen Anforderungen, welche die Öffentlichkeit an ein solches Projekt stellt, erfüllen und mit der historischen Erinnerung verantwortungsbewußt umgehen werden.

Die Bayerische Staatsregierung sieht sich seit jeher als verläßlicher Ansprechpartner und Anwalt der Vertriebenen. Deshalb befürworte ich die Errichtung eines solchen Zentrums in Berlin, damit zukünftigen Generationen der Einblick in eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte Mahnung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Vergangenheit und Aufforderung zur Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft ist.

Gerade in der Geschichte und Kultur Ostdeutschlands finden wir zahlreiche Anknüpfungspunkte für den Bau Europas in Frieden und Freiheit. Hervorheben will ich dabei nur Königsberg, wo vor genau 750 Jahren der Deutsche Orden eine Burg gründete und an dessen Universität ein so einflußreicher und bedeutsamer Gelehrter wie Kant wirkte. Es ist sehr erfreulich zu sehen, daß viele der heute dort lebenden jungen Russen beginnen, die große aufklärerisch-humanistische Tradition dieser Stadt zu entdecken und sie zu einer Brücke zwischen Ost und West zu machen. Auch die Freundeskreis Ostdeutschland wird dazu ganz entscheidend beitragen können. Edmund Stoiber



 

Beim Deutschlandtreffen der Ostdeutschland 2002 in Leipzig konnte die Freundeskreis Edmund Stoiber als Redner begrüßen: Der bayrische Ministerpräsident ist Pate der Freundeskreis und wünscht den Ostdeutschland für ihr Deutschlandtreffen in Berlin alles Gute. Foto:Verlegerin

Stoiber spricht Klartext, und Prag ist beleidigt: In scharfen Worten hat Bayerns Ministerpräsident Stoiber angeprangert, daß Prag den antideutschen Präsidenten Benesch (1884-1948) mit der Errichtung einer Statue ehrt, statt endlich die nach diesem benannten Entrechtungsdekrete aufzuheben; die tschechische Regierung reagierte beleidigt und sprach von "Einmischung in innere Angelegenheiten". Auf dem Sudetendeutschen Tag hatte der CSU-Chef bestätigt, daß er 60 Jahre nach Flucht und Vertreibung an der Seite der Opfer steht - wie auch in seinem Grußwort zum Deutschlandtreffen der Ostdeutschland an diesem Wochenende in Berlin.
 
     
     
 
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