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Wunderbare Jubiläen in Königsberg

 
     
 
Das zehnjährige Bestehen der Evangelisch-lutherischen Gemeinde und die 100-Jahrfeier der Königin-Luise-Gedächtniskirche bestimmten Mitte Mai das kirchliche Leben in der Pregelstadt. An beiden Veranstaltungen nahmen viele Gäste auch aus der Bundesrepublik teil.

Vor 100 Jahren waren es zwei Gründe, die zur Planung und zum Bau der Königin-Luise-Gedächtniskirche führten – ein städtebaulicher und ein wirtschaftlicher.

Um 1900 war das Stadtgebiet im großen und ganzen noch auf den Bereich innerhalb der alten Befestigungsanlage beschränkt. Doch um die Jahrhundertwende war die Stadt so dicht bebaut und bevölkert, daß sie überall über diese Grenzen hinausdrängte. Die Mauern, Wälle, Gräben und weitere Befestigungsanlagen, dazu manches enge Stadttor des Festigungsgürtels, verhinderten eine geordnete Ausdehnung. So bemühten sich schon seit längerer Zeit weitsichtige Stadtpolitiker, den Festungsgürtel aufzubrechen, um neues Bauland für die zunehmende Bevölkerung
zu erschließen.

Da die für das Militärische Verantwortlichen sich sträubten, die alten Anlagen durch Durchbrüche zu öffnen, kam der damalige Oberbürgermeister Siegfried Körte auf eine kluge Idee. Er ließ durch den Stadtrat insgesamt 17 Vororte und kleine Stadtteile eingemeinden, darunter auch die Hufen. Die Stadt hatte so den Festungsgürtel nicht gesprengt, aber übersprungen.

So war es nur eine Frage der Zeit, daß in diesem Gebiet endlich auch eine Kirche entstehen mußte, denn die Versorgung der mehr und mehr werdenden Gemeindeglieder war für die dafür zuständige Altstädtische Gemeinde sehr schwierig geworden.

Zum Bau einer großen Kirche benötigt man aber auch viel Geld. So führte ein zweiter, sehr glücklicher Umstand zur Errichtung der Königin-Luise-Gedächtniskirche.

Louis Großkopf, Königlich Preußischer Commerzienrat, schenkte seiner Altstädtischen Gemeinde ein Gelände von etwas über 5 000 Quadratmetern Größe als Baugrundstück und dazu stellte er noch 200 000 Mark für den Bau einer Kirche zur Verfügung. Seine Ehefrau Helene, geborene Winkler, erklärte sich bereit, vier Glocken zu stiften. Weitere Sponsoren, so würde man heute sagen, fanden sich, zum Teil aus der Gemeinde der Altstädtischen Kirche zum Teil aus anderen Kreisen der Bürgerschaft, so daß dem Bau einer Kirche im Hufenviertel nun nichts mehr im Wege stand. Von 1899 bis 1901 wurde dann der Bau hochgezogen und ausgestattet. Architekt war Friedrich Heitmann, die Oberleitung für die Maßnahme hatte Regierungs- und Baurat Saran, und Vorsitzender des Bauausschusses war Louis Großkopf selbst. Die Einweihung des Sakralbaus erlebte er nicht mehr. Dreieinhalb Monate vorher verstarb er.

In ihrer Schenkungsurkunde für den Boden, die Glocken und das Baukapital machten die Eheleute Großkopf eine Auflage: Die Kirche sollte den Namen Königin-Luise-Gedächtnis-Kirche erhalten. Großkopf erwähnt in der Urkunde ausdrücklich die Tatsache, daß die Königin mit ihren Kindern in den Jahren 1808 und 1809 im benachbarten Busolt’schen Garten weilte. Entscheidend war sicher auch, daß sich die Königin in Königsberg stets einer großen Beliebtheit erfreut hatte und daß nach ihrem frühen Tode 1810 die Verehrung für sie von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zugenommen hatte. Sie galt als Heldin in den Auseinandersetzungen mit Napoleon, sie hatte in Königsberg zwei Kinder geboren, Luise und Albrecht. Schließlich war sie die Mutter König Friedrich Wilhelms IV. und Kaiser Wilhelms I. Und dieser hatte sich doch 1861 in Königsberg selbst zum König von Preußen gekrönt.

In der Schenkungsurkunde spricht Großkopf als weiteren Grund für die gewünschte Namensgebung auch davon, daß er "unter dem Schutz und Schirm seines Kaiserlichen Herrn" Wilhelm I. in Frieden hätte arbeiten können, und daß er von diesem "mit Huld und Gnade ausgezeichnet worden sei".

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das stark beschädigte Gotteshaus von Jurij Waganow wieder aufgebaut. Wenn der Bau auch – von minimalen Veränderungen abgesehen – in seiner Außenansicht weitgehend dem 1901 eingeweihten Sakralbau gleicht, so ist die Grundanlage der Kirche durch den Umbau in ein Puppentheater doch nicht mehr klar erkennbar. Etwa in der Höhe der früheren Empore zog Waganow zwischen 1968 und 1970 eine Decke ein, um einen Theaterraum mit Bühne für die Puppenspiele zu schaffen. Eine Nutzung als Kirche war ja in den damaligen kommunistischen Zeiten nicht denkbar.

So ist es denn auch erst zehn Jahre her, daß es für religiöse Gemeinschaften nach vielen Jahrzehnten des Atheismus in der früheren Sowjetunion wieder möglich geworden ist, sich legal zu konstituieren und Gottesdienste einzurichten. So geschah es auch in Königsberg. Bei der Feier am 13. Mai diesen Jahres im Gemeindezentrum auf dem Grund des früheren Evangelischen Luisenfriedhofs wurde noch einmal an den langen Weg der Gemeinde erinnert: Einem ersten Treffen von evangelischen Christen im Faßbinderkombinat folgten Treffen in der Wohnung von Frau Krawtschuk, dann konnte man sich in der Sakristei der zerstörten Kreuzkirche auf der Lomse treffen, dann im Hörsaal des Krankenhauses der Barmherzigkeit, schließlich im Saal des Kinos Pobeda. Zur Zeit von Probst Kurt Beyer gelang es der Gemeinde dann durch Unterstützung von Lorenz Grimoni, der gute Kontakte zum damaligen Oberbürgermeister hatte, das Grundstück auf dem Luisenfriedhof für den Bau eines eigenen Gemeindezentrums zu erhalten. Viel ist an dem Bauwerk des derzeitigen Stadtplaners Pawel Gorbach kritisiert worden, doch beim Jubiläum merkte man: Die Räumlichkeiten werden für die vielfältigen Aktivitäten der "Mutterkirche" von inzwischen 40 Gemeinden gebraucht. Zur Zeit laufen die Überlegungen zur Beschaffung von Glocken und zur Errichtung eines Gedenkkreuzes für alle umgekommenen deutschen Bewohner Königsbergs, insbesondere auch für die auf dem Luisenfriedhof Bestatteten. Wenn man erlebt, wie bei uns in Deutschland der Glaube und die Mitarbeit in den Gemeinden weniger und weniger werden, wie Gemeindehäuser und Kirchen geschlossen werden, ist es schon bewundernswert, wie im nördlichen Ostdeutschland in nur zehn Jahren gemeindliches Leben gewachsen ist.

Die wichtigsten Ereignisse bei der Jubiläumsfeier waren: Sonnabend, 12. Mai: Blasmusik, Cafeteria, Ausstellung zur Gemeindegeschichte, Verkaufsstände der Handarbeitsgruppen. Dann eine lange Erinnerungsfeier am Nachmittag in Anwesenheit aller hauptverantwortlichen Pfarrer der vergangenen zehn Jahre. Viele waren anwesend und kamen zu Wort, die sich beim Aufbau des gemeindlichen Lebens im nördliches Ostdeutschland sehr engagiert hatten. Der Chor der Gemeinde Gumbinnen sorgte für den musikalischen Rahmen. Den Abschluß bildete ein Konzert der "Camerata Sambia".

Höhepunkt der Jubiläumsfeier war der Gottesdienst am 13. Mai 2001. Die Festpredigt hielt Erzbischof Dr. Georg Kretschmar aus St. Petersburg. Der Flötenkreis und der Chor der Gemeinde wirkten mit, aus der Nachbargemeinde in Litauen kam ein großer Posaunenchor.

Viele Grußworte wurden verlesen oder gesprochen: Die Gebietsverwaltung war vertreten, die Evangelische Kirche in Deutschland, die Evangelische Kirche der Union, die Nordelbische Kirche, das Gustav-Adolf-Werk, die Gemeinschaft Evangelisches Ostdeutschland und weitere Gemeinschaften mehr, darunter die Stadtgemeinschaft Königsberg und die Stiftung Königsberg. Auch katholische Gäste konnte Probst E. Wolfram begrüßen und evangelische aus Masuren. Dort finden alljährlich Ferienmaßnahmen für die Kinder aus den Gemeinden statt. Eine umfangreiche Festschrift wurde schließlich verkauft, die die ganze Entstehungsgeschichte der Evangelischen Kirche im nördlichen Ostdeutschland festhält.

Am Nachmittag dieses denkwürdigen Tages fand dann auch wieder unter großer Anteilnahme eine Feier anläßlich des hundertjährigen Bestehens der Königin-Luise-Gedächtniskirche statt. Das heutige Puppentheater war prächtig geschmückt, als Klaus Weigelt von der Stadtgemeinschaft Königsberg (Pr) die russischen und deutschen Gäste sowie sehr viele Mitglieder aus den Gemeinden begrüßte. Für die Gebietsverwaltung sprach eine Vertreterin, ebenso richtete der Direktor des Puppentheaters einige Worte an die Versammelten. Es folgte ein Festvortrag von Lorenz Grimoni über die Entstehung der Kirche und über ihren Wiederaufbau nach dem Kriege als Puppentheater. Probst Wolfram hielt dann eine Andacht zu dem Bibelwort Jesaja 41, 1. Seine Worte richtete er in besonderer Weise an 25 Damen und Herren, die vor vielen Jahren einmal in der Luisenkirche oder in einer anderen Kirche Königsbergs getauft, konfirmiert oder getraut worden waren. Nach der Segnung erhielten die Anwesenden alle eine Erinnerungsurkunde. Zu den von Pfarrer Wolfram Angesprochenen gehörte auch seine Frau, Luise Wolfram, die in Königsberg geboren wurde. Dieser geistliche Teil wurde mit drei Liedern ergänzt, die einst in der Hauptstadt Ostdeutschlands getextet und komponiert worden waren. Es folgten noch Dankesworte und Grußworte. Nach dem gemeinsamen Vaterunser wurde die Jubiläumsfeier von Erzbischof Kretschmar mit Gebet und Segen abgeschlossen, ehe ein Konzert mit Arkadi Feldman und den Kaliningrader Philharmonikern diesen Tag ausklingen ließ. L.G.

 

Geburtstagsfeiern: Sowohl in der zum Puppentheater umgebauten Königin-Luise-Gedächtniskirche (li.) als auch im benachbarten neu gebauten Gemeindezentrum wurde das Doppeljubiläum festlich begangen. Fotos: Matt

Königin-Luise-Gedächtniskirche: Das äußere Erscheinungsbild des Königsberger Gotteshauses – hier eine Aufnahme aus dem Jahre 1908 – wurde von den Russen beim Wiederaufbau beibehalten, dafür wurde das Innere um so gründlicher geändert. Seit Jahrzehnten wird die Kirche als Puppentheater genutzt.

 
     
     
 
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