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Wir leben nach wie vor über unsere Verhältnisse", stellte Bundesfinanzminister Hans Eichel fest und verkündete gleichzeitig, daß er bis 2006 die ungeheure Summe von 126 Milliarden Euro an Steuerausfällen für Bund, Länder und Gemeinden erwarte. Schuld sei das geringe Wachstum. Angesichts des im ersten Quartal 2003 um 0,2 Prozent gefallenen Bruttoinlandsprodukts seien die Regierungsprognosen des Wachstums in diesem Jahr nicht mehr realistisch. Mit anderen Worten: Deutschland steckt, gelinde gesagt, in der Stagnation und die Rezession hat ihren Fuß in die Tür der deutschen Wirtschaft gestellt.
Zum zweiten Mal wird Deutschland damit den sogenannten "Stabilitätspakt" verletzen, den deutsche Politiker einst erfunden hatten, um die Deutschen über den Tod ihrer DM hinwegzutrösten. Der Euro als unsinniger Versuch, mittels einer gemeinsamen Währung die "Einheit Europas" - was immer das auch ist, und wem immer das auch nützt - herbeizuzwingen, sollte bekanntlich "so stabil sein wie die DM". Das marktwirtschaftliche Wettbewerbs-prinzip konkurrierender Währungen wurde dem Euro-Dogma einer Einheitswährung geopfert. Diese ist scheinbar im Verhältnis zum amerikanischen Dollar stabil, aber sie ist auch in dieser Hinsicht den Manipulationsfähigkeiten der größten Wirtschaftsmacht der Erde ausgeliefert.
Der "Stabilitätspakt" als Propagandamasche von einst kann künftig für Deutschland teuer werden: Drohen doch den Deutschen bei seiner weiteren Verletzung Strafen bis zu zehn Milliarden Euro und sie könnten darüber hinaus gewissermaßen unter Kuratel gestellt werden. Die Kuh, die der Europäischen Union (EU) bereitwillig und großzügig die Milch gegeben hat und weiterhin gibt, kann dann jederzeit geschlachtet werden. Kommissionspräsident Romani Prodi jedenfalls hat schon vor Monaten den "Stabilitätspakt" als "dumm" bezeichnet und sich damit viele Türen offengehalten.
Einmal mehr führt demnach die Spur der deutschen Malaise nach Brüssel, anders zwar, als von den Euromanen - seien sie überzeugt oder scheinheilig - erwartet, aber doch genau so, wie es die realistischen Verteidiger der DM immer befürchtet hatten. Angesichts der verzückt dem Euro entgegentaumelnden Banker war auch die große Mehrheit der deutschen Medien willig dem Euro-Jubel gefolgt, gefüttert von millionenschweren Pro-Euro-Inseraten und Werbespots. Die trickreichen Versuche, die der Währungsumstellung folgenden Preiserhöhungen als "Einbildung" der Käufer zu leugnen, von einer nur "gefühlten Inflation" zu sprechen und die Käufer für dumm zu verkaufen, wird bei nahezu jedem Einkauf und bei jedem Restaurantbesuch im Alltag als real existierende Abzocke wahrgenommen. Die Folge war und ist eine drastische Kaufzurückhaltung. Diese verstärkte prompt die sich durch jahrelange Arbeitslosigkeit abzeichnende Stagnation zu einer Spirale, die in Richtung auf eine Rezession zeigt. Folglich ist die gegenwärtige Situation, die den Bundesfinanzminister mit Steuerausfällen bis 2006 von bis zu 126 Milliarden Euro, also rund 250 Milliarden Mark rechnen läßt, nicht ausschließlich, aber auch auf den Euro und auf die EU zurückzuführen.
Ein Vergleich erhellt die reale Lage: Die rund 250 Milliarden Mark, die Eichel als Steuerausfälle und als drohende Katastrophe an die Wand malt, entsprechen ziemlich genau der Summe, die Deutschland als der Haupt-Nettozahler seit der deutschen Wiedervereinigung an die EU gezahlt hat. Es war und ist eine Wahnsinnstat, daß Deutschland trotz der enormen finanziellen Belastung, die ihm seit 1990 mit der Überwindung der Sozialismusfolgen im eigenen wiedervereinigten Land entstand, weiter - ja sogar im verstärkten Umfang - zur Brüsseler Kasse gebeten wurde. Weit über 240 Milliarden DM flossen in dieser Zeit auf dem Umweg über die Brüsseler Bürokratie in erster Linie nach Spanien, Portugal, Griechenland und Irland, um dort zum Beispiel Straßen bauen zu können, die sich Deutschland im eigenen Land, wie zum Beispiel die "Mitte-Deutschland-Verbindung" von Aachen nach Görlitz zeigt, einfach nicht leisten konnte. "Europäische Solidarität", von der in zahllosen Festreden geredet wurde, und wird, hätte verlangt, Deutschland nach der Wiederherstellung seiner staatlichen Einheit für ein Jahrzehnt von allen Zahlungen an Brüssel freizustellen, damit es sich selbst für seine Aufgabe, Brücke zum Osten Mitteleuropas zu sein, hätte fit machen können. Die deutsche Politik hat das nicht verlangt, sondern pünktlich überwiesen und auch aus diesem Grund ihren Beitrag zu den heutigen finanziellen und wirtschaftlichen Problemen des eigenen Landes geleistet.
Angesichts des europäischen De-sasters als Folge des Irak-Krieges, der offen zutage tretenden innereuropäischen Streitereien und Fraktionsbildungen stellt sich die Frage, wie lange noch die pünktlichen Zahlungen Deutschlands nach Brüssel die einzige reale Konstante in Europa sein können und sein werden. |
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