|
Der für die Osterweiterung der EU zuständige Kommissar Günter Verheugen hat sich jetzt in Beratungen mit der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin und in einer Ansprache vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Rostock erneut für Übergangsfristen bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmern bei der Öffnung der EU ausgesprochen.
Der Vorschlag von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), die Arbeitnehmerfreizügigkeit bei einer Erweiterung vorübergehend einzuschränken, sei "sehr wichtig" gewesen und werde eine "prominente Rolle" spielen, sagte Verheugen weiter. Er sei sich sicher, daß die Zuwanderungsfrage in den Verhandlungen noch in diesem Jahr abgeschlossen werde. Es handele sich um ein "Thema", das nach seiner Ansicht nicht in den Bundestagswahlkampf 2002 hineingezogen werden dürfe.
Der Pendlerverkehr werde vor allem in den mitteldeutschen Grenzregionen ein unkalkulierbares Problem sein, sagte der EU-Kommissar auf dem Jahresempfang der Rostocker Industrie- und Handelskammer. Diesen Regionen werde deshalb bei der Bewältigung der Probleme durch die Erweiterung besonders geholfen werden. Doch wer soll das bezahlen? Die EU will es jedenfalls nicht: Mit "frischem Geld" aus Brüssel sei nicht zu rechnen. Vielmehr müsse in den bestehenden Förderprogrammen umgeschichtet werden.
Eine Ausführung von Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) sorgte im Land für viel Aufsehen. Nach seiner Einschätzung wird sich auf mittlere Sicht auch eine Wanderbewegung aus Mecklenburg-Vorpommern nach Polen einstellen. Ballungszentren wie Stettin würden in bis zu zehn Jahren auch für qualifizierte Beschäftigte aus dem Landkreis Uecker-Randow attraktiv sein.
Viele Einwohner fragen sich nun, was ihr Regierungschef damit gemeint hat? Denn selbst ein Arbeitsloser und eine ABM-Kraft erhalten derzeit in Pasewalk ein Mehrfaches des Lohnes eines Facharbeiters in Polen. Und daß die Löhne in Stettin demnächst so drastisch ansteigen, daß es für einen Arbeiter aus der Uckermark interessant wäre, in der Hafenstadt zu arbeiten, das erwartet keiner. Folglich vermuten viele Einwohner in Mecklenburg-Vorpommern, daß Ringstorff ihnen Arbeitslosengeld und ABM-Mittel kürzen oder gänzlich wegnehmen will. Denn nur wer nichts mehr hat, würde auch für ein paar Zloty arbeiten.
In Mecklenburg-Vorpommern steht nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Emnid vom Jahreswechsel fast die Hälfte der Einwohner der Aufnahme Polens in die EU skeptisch gegenüber. Als wesentlichen Grund für die Skepsis in der Bevölkerung bei der EU-Erweiterung nannte Verheugen das Thema Zuwanderung.
Ein Thema fehlte natürlich bei den Beratungen: Das Recht auf die Heimat. Zum Heimkehrrecht für die deutschen Heimatvertriebenen machten weder Ringstorff noch Verheugen Anmerkungen.A. Kessler
|
|