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Zwangsarbeiter-Entschädigung: Für die sind wir nur Spielzeug

 
     
 
Esten, Letten und Litauer geht es nicht zuerst um die Deutsche Mark sondern um die Achtung ihrer nach fünf Jahrzehnten brutaler sowjetrussische Fremdherrschaft mühsam wiedergewonnenen Souveränität. Jener Souveränität, die fü Berlin keiner Beachtung und keiner Respektierung wert gewesen war, als Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop am 23. August 1939 in Hitlers Auftrag Estlan und Lettland und am 28. September 1939 auch Litauen Stalin überantwortete.

An diesen schrecklichen Abschnitt ihrer Geschichte mußten die Balten
denken, als am 7 Juli der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Errichtung der "Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft" mit großer Mehrheit verabschiedete, deren Finanzmittel

Zwangsarbeiter für erlittenes Unrecht entschädigen sollen. Das mag übertrieben sein denn Berlin und Moskau hatten sich diesmal nicht zu Lasten der baltischen Staate verständigt, aber eben doch über die Köpfe der Esten, Letten und Litauer hinweg.

"Für die Großen sind wir Kleinen doch nur Spielzeug", charakterisierte ei estnischer Diplomat das Verhalten der deutschen und russischen Regierung in de Zwangsarbeiterfrage. "Es ist für sie wohl nur Zeitverschwendung, mit uns Balten zu sprechen!" fügte er voller Bitterkeit hinzu.

Was war geschehen? – Leistungsberechtigte Balten werden mit ihren Ansprüche nicht an die in Berlin residierende Stiftung direkt verwiesen, sondern an die russisch-weißrussische Stiftung "Verständigung und Aussöhnung" als "bewährte Partnerorganisation" mit Sitz in Minsk.

Diese soll die Anträge entgegennehmen, prüfen und über die Beschwerden entscheiden So als seien Estland, Lettland und Litauen völkerrechtliche Bestandteile der Sowjetunio gewesen – ein Anspruch Moskaus, den Deutschland nie anerkannt hatte.

Anfang der 90er Jahre flossen schon einmal zwei Milliarden Mark für einen ähnliche Zweck wie jetzt in die Sowjetunion. Da damals die baltischen Staaten noch nicht wiede handlungsfähig waren, gab es keinen Grund für die Beanstandung dieser Regelung. Ander 1994, als Bonn sich um eine Schlußvereinbarung mit den inzwischen wieder aktionsfähi gewordenen Baltenrepubliken bemühte.

Als Zwischenträger für die insgesamt acht Millionen Mark (zwei Millionen davon fü Estland) war erneut die "bewährte Partnerorganisation" in Minsk ausersehen. Die Balten sagten Nein. Estland werde von dieser Organisation keine einzige Deutsche Mar entgegennehmen, erklärte man in Reval.

Die Regierung Kohl erkannte ihren peinlichen Fehler und regelte die Angelegenheit in einer bilateralen Vereinbarung auf der völkerrechtlichen Ebene zweier souveräne Staaten: Deutschland und Estland.

Daß die neue Bundesregierung hinter diese Position zurückfallen würde, mochten die Regierungen in Reval, Riga und Wilna nicht für möglich halten, zumal Kanzler Schröde gerade einen medienwirksamen Staatsbesuch im Baltikum absolviert hatte.

Daher gab es auch im Vorfeld der Berliner Entscheidung keine lautstarken Protestworte Nur der Seimas von Litauen witterte Unrat und protestierte vorsorglich offiziell gegen die sich im Gesetzentwurf abzeichnende Tendenz.

Diesem Protest schlossen sich an: der "Verein für das Andenken der Opfer de Faschismus in Litauen", die "Jüdische Gemeinde in Litauen", der "Ra des litauischen Vereins der ehemaligen minderjährigen Häftlinge in faschistische Zwangskerkerungsorten" und der "Verein der Opfer des Faschismus der ehemalige Häftlinge der Konzentrationslager".

In einem gemeinsamen Brief hatten diese Vereine auf die Mängel des Fonds de Verständigung und Zusammenarbeit der Russischen Föderation hingewiesen und ihre Unverständnis darüber Ausdruck verliehen, daß von ihnen verlangt werde, daß si wiederum ausgerechnet von dem Land deutsche Gelder zugeteilt bekommen sollten, das si fünfzig Jahre lang okkupiert und terrorisiert hat.

All dies gab dann auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Prof. Wolfgang Freiherr v. Stette bei der Abstimmung im Reichstag in einer persönlichen Erklärung zu Protokoll.

Ihm ist es zu verdanken, daß in letzter Minute in die Begründung des Gesetzes übe die Stiftung wenigstens eine klarstellende Ergänzung eingefügt wurde, derzufolge de Deutsche Bundestag davon ausgeht, "daß in den betreffenden Staaten eigene Antrags und Beschwerdestellen durch die Partnerorganisationen erreichtet werden, in denen die Betroffenen in der eigenen Landessprache ihre Ansprüche, gegebenenfalls Beschwerde geltend machen können". Wenig. Sehr wenig. Aber doch besser als nichts. Dennoch: Die Mißachtung der Baltenrepubliken ist damit nicht behoben.

Übrigens: Im Kuratorium der "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" sind u. a. Vertreter der Russischen Föderation, Weißrußlands, der Ukraine, Polens un Tschechiens vorgesehen – nicht aber Repräsentanten der Republik Estland, Lettlan und Litauen. – Für die Großen sind die Kleinen eben offenbar wirklich nu Spielzeug.

 
     
     
 
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