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Wohl jedem Geschichtsinteressierten ist die "Emser Depesche" ein Begriff. Viele wissen, daß ein in Bad Ems verfaßtes Telegramm in einer von Otto v. Bismarck redigierten Fassung Frankreich Preußen den Krieg erklären ließ. Doch wer kann aus eigener Anschauung sich ein Urteil darüber bilden, inwieweit der preu- ßische Ministerpräsident und Außenminister die Depesche manipuliert oder gar gefälscht hat?
Die "Emser Depesche" ist der Anlaß, aber nicht die Ursache für den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. Napoleon III. hatte planmäßig den Ausbruch des deutschen Bruderkriegs von 1866 gefördert, in der Hoffnung, als lachender Dritter die eigene Vermittlung teuer verkaufen zu können. Statt zu der erhofften lang- wierigen und beide deutschen Großmächte langfristig schwächenden Selbstzerfleischung Deutschlands war es jedoch durch Preußens kriegsentscheidenden Sieg bei Königgrätz (Sadová) und seine Großzügigkeit gegenüber Österreich zu einem überraschend schnellen Frieden gekommen. "Rache für Sadová" lautete daraufhin die Forderung in Frankreich.
Eine Möglichkeit hierzu bot sich, als bekannt wurde, daß Fürst Karl Antons Sohn Erbprinz Leopold aus der dem hohenzollerischen Hausverband angehörenden, aber süddeutschen und katholischen Linie Hohenzollern- Sigmaringen für den spanischen Thron kandidierte. Die Franzosen stellten sich quer. Sie waren laut ihrem Außenminister nicht "verpflichtet zu dulden, daß eine fremde Macht einen ihrer Prinzen auf den Thron Karls V. setze und dadurch zu" ihrem "Schaden das gegenwärtige Gleichgewicht der Mächte Europas in Unordnung bringen und die Interessen und die Ehre Frankreichs gefährden könnte". König Wilhelm I. von Preußen schreckte zurück und bat die Sigmaringer per Handschreiben vom 10. Juli 1870, der französischen Forderung zu entsprechen. Zwei Tage später wurde der Kandidaturverzicht zuerst in Paris bekannt.
Statt nun Ruhe zu geben, setzte der Kaiser der Franzosen nach. Der französische Botschafter Vincent Graf Benedetti wurde beauftragt, den in Bad Ems kurenden Preußenkönig mit einer weitergehenden Forderung zu konfrontieren, in der Hoffnung, daß dieser abermals um des lieben Friedens willen nachgeben werde.
Was nun tatsächlich in Bad Ems geschah, telegraphierte der Vortragende Rat im preußischen Außenministerium Heinrich Abeken seinem Minister am 13. Juli 1870:
"Seine Majestät der König schreibt mir:
,Graf Benedetti fing mich auf der Promenade ab, um auf zuletzt sehr zudringliche Art von mir zu verlangen, ich sollte ihn autorisieren, sofort zu telegraphieren, daß ich für alle Zukunft mich verpflichtete, niemals wieder meine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur zurückkämen. Ich wies ihn, zuletzt etwas ernst, zurück, da man à tout jamais dergleichen Engagements nicht nehmen dürfe, noch könne. - Natürlich sagte ich ihm, daß ich noch nichts erhalten hätte, und da er über Paris und Madrid früher benachrichtigt sei als ich, er wohl einsähe, daß mein Gouvernement wiederum außer Spiel sei.
Seine Majestät hat seitdem ein Schreiben des Fürsten bekommen. Da Seine Majestät dem Grafen Benedetti gesagt, daß er Nachricht vom Fürsten erwarte, hat Allerhöchstderselbe mit Rück-sicht auf die obige Zumutung, auf des Grafen Eulenburg und meinen Vortrag beschlossen, den Grafen Benedetti nicht mehr zu empfangen, sondern ihm nur durch einen Adjutanten sagen zu lassen: daß seine Majestät jetzt vom Fürsten die Bestätigung der Nachricht erhalten, die Benedetti aus Paris schon gehabt, und dem Botschafter nichts weiter zu sagen habe.
Seine Majestät stellt Eurer Exellenz anheim, ob nicht die neue Forderung Benedettis und ihre Zurückweisung sogleich sowohl unseren Gesandten als in der Presse mitgeteilt werden sollte?"
Der Adressat des Telegramms machte auf seine Weise vom Angebot des Königs Gebrauch und verschickte noch am selben Tage das folgende Telegramm an die Missionen in Dresden, München, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt, Hamburg und Weimar:
"Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der Kaiserlich Französischen Regierung von der Königlich Spanischen amtlich mitgeteilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems an seine Majestät den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisieren, daß er nach Paris telegraphiere, daß seine Majestät der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur wieder zurückkommen sollten. Seine Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß seine Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen habe.
Teilen Sie dies dort mit."
Keine Woche später, am 19. Juli 1870, erklärte Frankreich Preußen den Krie |
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