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Abtreibung trotz Schmerzempfinden

 
     
 
Mehr als zehn Jahre nach dem entscheidenden Karlsruher Urteil zur Neufassung der rechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen kommt wieder etwas Bewegung in die Abtreibungsdebatte. Auf Betreiben einer Gruppe von CDU-Abgeordneten um die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Böhmer sowie den Lebensrechtsaktivisten Hubert Hüppe hat die Unionsfraktion einen Entschließungsantrag mit dem Titel "Vermeidung von Spätabtreibungen
- Hilfen für Eltern und Kinder" vorgelegt. Ziel der Initiative sei es, die Zahl sogenannter Spätabtreibungen zu senken, bei denen schon lebensfähige Kinder noch bis unmittelbar vor ihrer Geburt abgetrieben werden. Maria Böhmer dämpfte allerdings weitergehende Erwartungen: "Wir wollen den umstrittenen Paragraphen 218 nicht erneut aufschnüren", erklärte sie.

Rund 97 Prozent der gemeldeten Abtreibungen werden nach dem sogenannten Konfliktberatungsgesetz - der de facto Fristenregelung - vorgenommen. Die so bis zum Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche nach einer entsprechenden ärztlichen Beratung durchgeführten Abtreibungen sind nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zwar rechtswidrig, bleiben aber straffrei. Die amtliche Statistik für das Jahr 2003 weist für die 13. bis 23. Schwangerschaftswoche über 2.000 Abtreibungsfälle aus, selbst noch im letzten Schwangerschaftsdrittel gab es offiziell 217 Abbrüche. Die genaue Zahl von Spätabtreibungen ist umstritten. Nach Angaben des unabhängigen Bundesverbands Lebensrecht könnten es bis zu 800 pro Jahr sein, da ein großer Teil von Spätabtreibungen diskret und einfach als "Totgeburten" abgebucht werde.

Die Tötung eines ungeborenen Kindes aufgrund einer diagnostizierten Behinderung verstößt gegen das seit 1994 grundgesetzlich verankerte spezielle Diskriminierungsverbot. Diese Bestimmung des Grundgesetzes wird im Fall der Spätabtreibungen mit der fragwürdigen Begründung umgangen, es könne zu einer Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit der werdenden Mutter kommen, falls sie ihr Kind austragen müßte. Durch dieses juristische Hintertürchen ist die Praxis der eigentlich illegalen medizinischen Indikation erneut eingezogen. Im aktuellen Antrag der CDU/CSU-Fraktion heißt es dazu mißverständlich: "Eine absehbare Behinderung allein ist kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch." Der Zusatz "allein" dürfte Behindertenverbände und kompromißlose Lebensschützer stutzig machen.

Die CDU/CSU fordert die Bundesregierung auf, "einen Gesetzentwurf zur wirksamen Vermeidung der sogenannten Spätabtreibungen vorzulegen". In der vergangenen Legislaturperiode scheiterte ein entsprechender Unionsantrag an der mangelnden Unterstützung von rot-grünen Abgeordneten. Nach dem Willen der Union soll es eine verbesser-

te psychosoziale Beratung und Betreuung der betroffenen Frauen geben. Zudem solle nicht mehr die Diagnose eines einzelnen Arztes ausreichen, sondern die Begutachtung durch ein "interdisziplinär besetztes Kollegium" vorgeschrieben werden. Um betroffenen Eltern mehr finanzielle Sicherheit zu bieten und "die Entscheidung auch für ein behindertes Kind zu erleichtern", fordert der Unionsantrag ein "eigenständiges und einheitliches Leistungsgesetz für Behinderte". Weiter verlangt die Union eine erweiterte statistische Erfassung aller Behinderungen der abgetriebenen Embryonen und Föten sowie des genauen Zeitpunkts ihrer Abtreibung.

Bei Lebensrechtsverbänden stieß der Verstoß der Union zur Verringerung der Zahl von Spätabtreibungen auf Zustimmung. Eine Sprecherin der Christdemokraten für das Leben (CDL) erklärte, Spätabtreibungen seien besonders grausam, da viele Kinder "diesen Tötungsversuch zunächst überleben und zudem schon ein ausgeprägtes Schmerzempfinden besitzen". Bekannt wurde vor sieben Jahren der Fall des Oldenburger Jungen Tim, der nach seiner Abtreibung zehn Stunden unversorgt im OP-Saal lag und heute bei Pflegeeltern lebt. Weiter kritisierten die CDL, daß keine Statistik existiere, wie viele Kinder aufgrund von Fehldiagnosen abgetrieben würden. "Aus Angst, später verklagt zu werden, raten viele Ärzte eher zur Abtreibung." Die Unionsforderung, die ärztliche Haftung nur noch auf "grobe Fahrlässigkeit" zu beschränken, sei daher begrüßenswert.

 
     
     
 
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