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Amerikanische Interessen-Konflikte

 
     
 
In einem Beitrag zum "FAZ"-Feuilleton vom 15. Dezember gab Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, seine Erklärung für die "Rückenstärkung" Israels seit dem Junikrieg 1967 durch die USA. Das, was die jeweilige Regierung als amerikanisches Interesse sehe, sei entscheidend. "Die amerikanischen Juden", die vor allem Amerikaner und treue Patrioten seien, "werden keinen Druck gegen etwas ausüben, was in Washington als das amerikanische Interesse betrachtet wird."

Den Begriff "Rückenstärkung" hat Primor nicht erläutert. Seit der Eroberung Restpalästinas 1967 besteht die "Rückenstärkung" darin, daß die USA Israel die neuesten Waffen, viel Geld und diplomatisch
e Unterstützung geben, so daß die Besiedlung und Ausbeutung (Wasser, Arbeitskräfte usw.) der besetzten Gebiete begünstigt wird. Israel bekommt mehr amerikanische "Entwicklungshilfe" als jedes andere Land auf der Welt, obwohl es schon lange kein Entwicklungsland mehr ist und sogar an fünfter Stelle unter den Waffenexportländern der Welt steht.

Mehrmals haben die USA im Sicherheitsrat der UN die Verurteilung Israels wegen der Kolonialisierung durch Vetos vereitelt. Die ursprüngliche Forderung von amerikanischen Regierungen, Israel solle sich (dem Völkerrecht entsprechend) bis auf kleine Grenzverbesserungen aus allen eroberten Gebieten zurückziehen, ist inzwischen aufgegeben worden.

Statt dessen soll die Lösung der Auseinandersetzung allein durch Verhandlungen zustande kommen. Da Israel die Gebiete militärisch beherrscht und im engsten eigenen Interesse handelt, sind die Aussichten für die Palästinenser und Syrer bei Verhandlungen äußerst schlecht, zumal die amerikanischen Präsidenten versprochen haben, keinen Druck auf Israel auszuüben. So sprach Clinton nicht mehr von "besetzten Gebieten", sondern von "umstrittenen Gebieten".

Nach Ausbruch des neuen palästinensischen Aufstands verurteilte der Sicherheitsrat der UN Israel wegen unverhältnismäßiger Gewaltanwendung, aber die USA enthielten sich der Stimme. Mit wenigen Gegenstimmen sprach der amerikanische Kongreß Israel seine Unterstützung aus und verurteilte die palästinensischen Aufständischen.

Was die amerikanischen Regierungen als amerikanisches Interesse an der "Rückenstärkung" Israels gesehen haben und sehen werden, hat Primor nicht erklärt. Israel und seine Unterstützer in den USA behaupten immer wieder, Israel sei für die USA wichtig, um den Einfluß der radikalen arabischen Kräfte einzudämmen. Gemeint waren früher der arabische Nationalismus und der Kommunismus; heute sind es die Islamisten. Keine Frage, die amerikanischen Regierungen wollen die herrschenden Regime in den Ölländern und anderen arabischen Ländern vor dem politischen Islam schützen. Es geht um günstige Öllieferungen, Investitionen und Handel, insbesondere mit Waffen, wie auch um die amerikanische Vorherrschaft in diesem Teil der Welt.

Wahrscheinlich haben amerikanische Regierungen Israel zuzeiten als Vollstrecker amerikanischer Interessen gesehen. So 1967 beim israelischen Angriff auf Ägypten, weil Ägypten damals immer enger mit der Sowjetunion zusammengearbeitet und unter amerikanischem Einfluß stehende arabische Regime gefährdet hat. Jedoch gilt zu bedenken, daß Israel nirgendwo in der arabischen Welt als Schutzmacht gegen politische Islamisten willkommen wäre. Bezeichnenderweise haben sich die USA einer Beteiligung Israels am Golfkrieg widersetzt. Es kommt dazu, daß die fortwährende Besetzung Restpalästinas den politischen Islam reizt und stärkt und die Regime damit gefährdet.

Die Aussage, "die amerikanischen Juden" würden keinen Druck gegen etwas ausüben, was Washington als im amerikanischen Interesse betrachtet, ist irreführend. Primor übersieht unter anderem die Bedeutung von jüdischen Verbänden, die sich für Israel einsetzen. Sie üben Einfluß auf die Regierung aus, bevor diese eine Feststellung über das amerikanische Interesse trifft.

Im Mittelpunkt steht das American Israel Political Affairs Committee (AIPAC), das eng mit mehr als sechzig jüdischen Verbänden zusammenarbeitet und deren Wahlkampfspenden für einzelne Politiker steuert. Sie haben außerordentlich große Summen für Wahlbewerber ausgegeben, deren Erfolg ihnen besonders wichtig war.

Der AIPAC hat mit Erfolg gegen Kongreßmitglieder gekämpft, die sich der Begünstigung Israels widersetzt haben, zum Beispiel Senator Fulbright, der 17 Jahre im Senat war und dem Ausschuß für Außenpolitik vorstand. Bei einer Umfrage erklärten Kongreßabgeordnete, warum sie wirtschaftliche und militärische Hilfe für Israel befürworteten. Die Antworten lauteten: Israel hilft uns im Kampf gegen den Kommunismus, Israel ist eine Demokratie, es setzt Entwicklungshilfe sinnvoll ein, aber die am häufigsten gegebene Antwort war: Das hilft mir in meinem Wahlkampf.

Es hat auch Fälle gegeben, wo die Regierungen gewisse Standpunkte vertreten haben, gegen die das AIPAC trotz allem gekämpft hat. Ein Beispiel: Präsident Reagans Entscheidung, Aufklärungsflugzeuge im Wert von 8,5 Milliarden Dollar an Saudi-Arabien zu verkaufen. Zweifellos war dieses Geschäft im mate-riellen Interesse der USA, und keiner hätte glaubhaft machen können, daß Saudi-Arabien Israel angreifen würde. Doch das AIPAC behauptete, die Flugzeuge würden Israel gefährden. Da die Zustimmung von einem Haus des Kongresses für den Verkauf notwendig war, besuchten AIPAC-Mitglieder Kongreßabgeordnete und schickten allen Mitgliedern des Kongresses einen Holocaust-Roman. Reagan unterlag im Unterhaus, erzielte aber eine knappe Mehrheit von vier Stimmen im Senat.

 
     
     
 
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