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Für jeden Sozialdemokraten, so hieß es noch vor einem Dutzend Jahre, gibt es drei Großmächte: Die USA, die Sowjetunion und den SPD-Parteivorstand. Doch inzwischen: außer den USA ist von "Großmächten" nichts mehr übriggeblieben. Die SPD zerfranst im Streit zwischen Traditionalisten und Modernisierern. Kanzler Gerhard Schröder kann zwar davon ausgehen, daß er in der innerparteilichen Auseinandersetzung die besseren Argumente hat, aber eine Serie von Landtagswahlen mit drohenden Niederlagen der SPD könnten eine schwere Hypothek für die Autorität des Kanzlers werden.
Es war das von Schröder zusammen mit dem britischen Premier Tony Blair vorgelegte Grundsatzpapier, das den SPD-Linken die Haare zu Berge stehen ließ. Beide Regierungschefs hatten sich darin für umfassende Wirtschaftsreformen, Steuersenkungen insbesondere für die Betriebe und eine Entbürokratisierung (früher bekannt als schlanker Staat) ausgesprochen. Was die Linken in der SPD, zum Beispiel den Sprecher des Frankfurter Kreises, Detlev von Larcher, besonders ärgert: Aus dem Papier kann man genausogut die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher herauslesen. Sozialdemokratisches Traditionsvokabular, etwa die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, kommt entweder überhaupt nicht oder nur noch am Rande vor. Besonders Sozialdemokraten, die vor Landtagswahlen stehen, reagierten empört: Der saarländische Ministerpräsident Reinhard Klimmt meldete sich mit einem Schreiben an den Bonner Kanzler zu Wort, in dem er das Schröder/Blair-Papier für die SPD-Niederlage bei den Europawahlen verantwortlich machte. Mit Schröders Politik, so Klimmt weiter, solle "die Gerechtigkeit ausgemustert werden".
Für viele SPD-Landesfürsten stand sofort fest, wie sich soziale Gerechtigkeit in Deutschland schaffen lassen könnte: durch neue Steuern. Damit hatten die Umverteiler und Steuererhöherer schon den ersten Fehler gemacht, der sie aber nicht im geringsten störte: Gerechtigkeit hat nämlich immer zwei Seiten. Da ist die eine Seite des Empfängers staatlicher Leistungen. Hier muß Gerechtigkeit herrschen. Wenn sich Arbeiten nicht mehr lohnt, weil die sozialen Leistungen aus der Staatskasse genauso hoch sind, dann ist die Gerechtigkeit abgeschafft. Gerechtigkeit gilt aber auch für den Steuerzahler. Der baden-württembergische FDP-Politiker Walter Döring überraschte neulich mit der Nachricht, 23 Milliarden Mark soziale Leistungen in Deutschland würden nicht zweckbestimmt ausgegeben. Steuergerechtigkeit ist das gewiß nicht.
Jetzt soll also die Wiedereinführung der Vermögenssteuer für mehr Gerechtigkeit sorgen. Schröder will die Steuer nicht, weil Abgaben das Wirtschaftswachstum bremsen. Den SPD-Linken ist das egal, weil ihrer Ansicht nach ohnehin nur der Staat neue Arbeitsplätze schaffen kann. Und das kostet Geld. Die erste Fehlüberlegung bei den Forderungen nach Wiedereinführung der 1997 abgeschafften Vermögenssteuer war schon die Annahme, das Geld komme der Bundeskasse zugute. Einnahmen aus einer Vermögenssteuer würden jedoch nach der im Grundgesetz vorgesehenen Finanzaufteilung zwischen Bund und Ländern den Ländern zugute kommen. Die Länder hatten zum Ausgleich der Verluste durch die weggefallene Vermögenssteuer eine Erhöhung der ihnen zustehenden Erbschaftssteuer erhalten. Von einer Senkung der Erbschaftssteuer sprach aber niemand.
Großvermögensbesitzer, die bereits mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen dem Finanzamt überlassen müssen, dürfen wegen des vom Verfassungsgericht aufgestellten Halbteilungsgrundsatzes nicht zusätzlich belastet werden. Dieser Grundsatz besagt, daß jedem Bürger mindestens die Hälfte des von ihm verdienten Geldes bleiben muß. Genau bei denen will die SPD jedoch kassieren. Völlig übersehen haben die Befürworter der Vermögenssteuer, daß auch Grundbesitz Vermögen darstellt.
Für den Chef des Bonner Instituts Finanzen und Steuern, Adalbert Uelner, handelt es sich bei den Rufen nach Vermögenssteuer nur um einen "Appell an den Neidkomplex, der im Wahlkampf nützen soll". HL
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