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Die Programmgestalter - genauer gesagt: die für den Notfall vorgesehenen Programm-Umgestalter - der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten waren wohl noch nie so gefordert. Erst stirbt Harald Juhnke - kleines "Special" im einen oder anderen Dritten Programm, zu mehr langt es nicht, denn mit dem Ableben weiterer (und weitaus wichtigerer) Prominenter ist stündlich zu rechnen; der verstorbene Papst beherrschte ohnehin alle Sendeplätze. Nach seinem Tod dann eine Woche lang Sondersendungen nahezu rund um die Uhr, da blieb nicht mehr viel Sendezeit für das Ableben des Fürsten von Monaco und die Verehelichung des britischen Thronfolgers.

Doch die oben erwähnten Programm-Umgestalter schafften es ohne größere Pannen, alles unterzubringen, und haben sich einige Komplimente verdient. Denn noch nie in der Geschichte des Fernsehens mußten in einem so engen Zeitraum so viele Programmpläne so kurzfristig über den Haufen geworfen werden wie in den vergangenen zwei Wochen.

Manchmal hatte man allerdings das Gefühl, es sei "des Guten zu viel". Zumindest aber "des weniger Guten". Einige der "kritischen" Beiträge zur Würdigung des Papstes waren jedenfalls überflüssig bis ärgerlich. Natürlich ist auch angesichts des Todes niemand moralisch verpflichtet, die von Johannes

Paul II. vertretenen Positionen in allen Punkten für richtig zu halten. Zumindest aber muß man doch einräumen, daß auch seine als "umstritten" bezeichneten Aussagen auf einem in zwei Jahrtausende
n gewachsenen Glaubensfundament stehen. Wer der römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft angehört, tut dies in unserer pluralistischen Gesellschaft aus freien Stücken; er akzeptiert damit die Grundsätze und "Spielregeln", was ihn nicht hindert, an deren Weiterentwicklung mitzuwirken, auch durch konstruktive Kritik. Wer aber außerhalb dieser Gemeinschaft steht oder sich stellt, sollte sich an das altbewährte preußische "Jeder nach seiner Façon" halten - und sich aus innerkirchlichen Grundsatzfragen heraushalten. Die Regel des Alten Fritz bedeutete eben nicht nur individuelle Glaubensfreiheit des einzelnen, sondern auch Schutz der Glaubensgemeinschaften. Aber solch preußisches Denken ist von Leuten wie Ströbele, Drewermann oder Ranke-Heinemann wohl nicht zu erwarten.

Meinungsfreiheit sei "die Freiheit von 200 reichen Leuten dieses Landes, ihre Meinung zu verbreiten", meinte einst Paul Sethe, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Im Prinzip hatte er damit wohl nicht ganz unrecht, mit der Zahl 200 aber dürfte er inzwischen deutlich daneben liegen - es werden immer weniger. So erfahren wir in diesen Tagen, daß der Hamburger Großkonzern Gruner + Jahr (unter anderem mit Titeln wie Stern oder Geo) die traditionsreiche Stuttgarter Motor-Presse (auto motor und sport) mehrheitlich übernimmt - mit Genehmigung nationaler und europäischer Kartell- behörden, die in solcher Meinungsmacher-Konzentration "keine marktbeherrschende Stellung" erkennen.

Derweilen baut der Münchner Medien-Mogul Hubert Burda, der im Sinne Sethes auch nicht zu den Ärmsten zählt, seine Präsenz im Norden weiter aus: Nach dem Erwerb der Hamburger "Verlagsgruppe Milchstraße" mit der Programmzeitschrift TV Spielfilm hat er sich nun auch das - bisherige - Konkurrenzblatt TV Today einverleibt, was aber dank HörZu (Axel Springer Verlag) ebenfalls nicht als marktbeherrschend gilt. Burdas jüngste Erwerbung gehörte übrigens noch vor Jahresfrist zum Imperium von Gruner + Jahr und wurde über den Verlag der Hamburger Morgenpost als Zwischen-Eigentümer weitergereicht. Bei TV Today handelt es sich, daran sei ausdrücklich erinnert, um einen Zeitschriftentitel und nicht um einen Wanderpokal.

Die Wettervorhersager (oder sollte man sagen: Schlechtwetterherbeireder) in den Radiostationen haben einen neuen metereologischen Tatbestand entdeckt: die Regenwahrscheinlichkeit. Angegeben wird sie in Prozentzahlen, wie sie gemessen wird, bleibt verborgen - möglicherweise hinter dunklen Regenwolken, die schwer über den Studiobunkern lasten.

Dienstag morgen zum Beispiel durften wir uns über eine Regenwahrscheinlichkeit von nur fünf Prozent freuen. Aber was will der Radiomoderator uns damit sagen? Trifft dieser - absolut betrachtet eher unwahrscheinliche - Regen fünf Prozent der Menschen im Einzugsgebiet des NDR? Oder fünf Prozent der Hörer dieses einen Senders? Gehöre ich zu diesen oder jenen fünf Prozent? Muß ich also, trotz strahlend blauem Himmel, einen Schirm mitnehmen? Oder hat die Prognose mit mir persönlich überhaupt nichts zu tun? Fällt der Regen auf fünf Prozent der Fläche des Sendegebiets? Vielleicht aber auch flächendeckend während fünf Prozent der Sendezeit? Und wie rechnet man das aus - Dreisatz, Integralrechnung oder doch Satz des Pythagoras (alles mal gelernt und das meiste längst vergessen)?

Fragen über Fragen. Die Suche nach einer gültigen Antwort fordert den ganzen Menschen. Und der hat dann vor lauter Fragen und Suchen am Ende doch vergessen, den Schirm mitzunehmen.

Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte die neue deutsche Wahrscheinlichkeitswelle, als eine junge Kollegin auf einem Hamburger UKW-Sender einen strahlenden Sonnentag mit der mathematischen Sensation begrüßte, die Regenwahrscheinlichkeit liege heute "unter null Prozent". Den ganzen Tag über habe ich - leider vergebens - auf ein paar Regentropfen gewartet, die langsam gen Himmel schweben ...

 

Elisa Wachtner macht zur Zeit Urlaub, fernab von den Aufgeregtheiten deutscher und internationaler Politik. Daher erscheint statt seines an dieser Stelle gewohnten politischen Wochenrückblicks in den nächsten Ausgaben ein Blick zurück in die Medien - manchmal, aber nicht immer im Zorn.

 

"Kommen Sie zurück! Es gibt noch mehr Änderungen!"
 
     
     
 
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