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In diesen Tagen weltpolitischer Turbulenz wirkt unser Außenminister nachdenklicher denn je. Einer leberkranken Indianer-Squaw gleich haben sich die Sorgenfalten noch tiefer ins linkische Gesicht gegraben. Doch der zerknitterte Schein trügt - wie immer. Hinter dem wirren Relief sprudelt das Genie. Es galt, ein schönes Etikett für das neueste Stadium für eine Beziehung zu finden, die nüchtern betrachtet zur Zeit gar keine mehr ist - keine nette jedenfalls, seit sich Deutsche und Amerikaner auf dem zerhauenen diplomatisch
en Parkett prügeln wie die Kesselflicker. "Partnerschaft im Widerspruch" hat Joschka Fischer die eiternde Wunde überklebt. Ein hübsches Wort, das sogar einer weiteren Klimaverschlechterung noch standhielte. "Partnerschaft im Widerspruch" - so könnte man auch das Verhältnis zweier Herren umschreiben, die sich zum Kampf auf Leben und Tod verabredet haben.

Solche alt-europäischen Kümmernisse kennt US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nicht. Jugendfrisch hat der schneidige Texaner sein Pferd bestiegen und den abtrünnigen Opis in Paris und Berlin im vollen Galopp eins übergebraten - yiiiiieeehaaah! Wir brauchen Deutschland und Frankreich gar nicht mehr, ätzt er gegen die Treulosen. Europa kreist sowieso bald um die Metropolen Kiew, Kischinau und Aschchabad, da sitzen die echten Kumpel. Eine richtige Weltmacht benötigt keinen Festlandsdegen, so die Nachricht. Da tun es auch ein paar postkommunistisch verrostete Buttermesser.

Deutschland und Frankreich wollen also gemeinsam (nicht) marschieren in den Irak-Krieg. Allerdings jeder auf seine Weise: Die Franzosen mit den üblichen Hintertürchen - ein wenig Tü, ein wenig Ta, und am Ende schaun mer mal, was das Beste für uns ist. Die Deutschen hingegen in gewohnt hochmoralischer Pose ohne Wenn und Aber - wie immer bei Sachen, bei denen sie nichts zu gewinnen haben. Hier zeigt sich: Wir Deutschen sind, bei aller elyséeischen Freundschaft, eben doch die besseren Menschen: Diese Franzosen taktieren immer so komisch und werden erst bärbeißig, wenn es um handfeste Vorteile geht. Allein wir Deutschen zeigen gerade dann unsere Prinzipienfestigkeit, wenn außer Prügel nichts ansteht, werden aber gleich ganz weich und gut bekömmlich, wenn unsere einst national genannten Interessen ins Spiel kommen.

Dabei sind wir viel flexibler und verschließen uns besseren Argumenten nie. Noch vergangene Woche stand an dieser Stelle, wie Rotgrün ein Duell im Uno-Sicherheitsrat zu vermeiden trachtete. Kaum war die Zeitung schlußredigiert, kamen parallel zu den Elysée-Feiern die "besseren Argumente" ins Blickfeld: Wahlen in Hessen und Niedersachsen. Danach heißt es nun wieder: Viel Stunk, viele Stimmen.

Die Welt zankt und Tony Blair lächelt. Tony Blair lächelt immer, wie es guterzogenen Amerikanern zueigen ist. Als Vizekönig der US-Kolonie Britannien (der unter Drogen bereit ist, sich für den Premierminister einer souveränen Nation zu halten) ist er allerdings im Begriff, seine Schutzbefohlenen um den Verstand zu grinsen. Die haben sich nämlich in Teilen diese versnobte englische Nüchternheit bewahrt und piesacken den Statthalter tagtäglich mit Fragen. Liberalen-Chef Charles Kennedy will wissen, unter wessen Befehl die britischen Heloten-Regimenter am Golf eigentlich stehen. Er hat nicht begriffen, daß mitten im Kampf gegen das Böse solche Querschüsse tabu sind. Jetzt wird gefälligst marschiert, Mister Kennedy. Befragen können Sie ja dann die Toten.

In der Karibik gibt es diese Gruselgeschichten von "lebenden Toten", Zombies heißen die da. Starren Blicks staksen die blassen Horrorgestalten durchs Land, schlagen die erschauernden Lebenden in ihren Bann. Wer das mal in billigen Filmen gesehen hat, mag fragen, warum die Leute nicht einfach wegrennen - so langsam und holzig, wie diese Laufkadaver sich fortbewegen. Aber so einfach ist das eben nicht, wie wir gerade an der Saar entsetzt miterleben. Düster grollend hat Oskar Lafontaine dort seinen ideologischen Totenkopf aus der Gruft gesteckt und alle sind ihm vom Fleck weg verfallen. Mit einer "Arbeiterbewegung gegen den Krieg" hat er ihnen den ältesten aller roten Hüte angeboten: Den Saargenossen gefiel das Stück auf Anhieb. Und der Schatten breitet sich aus im Land. Selbst der Chef der SPD-Reichstagsfraktion, Stiegler, faselt schon ganz kariert.

Als sei dies alles nicht genug Ungemach, sehen sich Kanzler und Nation überdies einem Abgrund an Landesverrat gegenüber. Der 2001 aus Hamburg verjagte SPD-Generalsekretär Scholz hat die Umtriebe zugunsten des Feindes öffentlich gemacht. CDU und CSU sind die Räuberhöhlen unpatriotischen Geistes, weil sie mit den Amis packeln. Na ja, wir wollen nicht so hart sein: Vielleicht haben die Schwarzen den Kanzler bei einer seiner vier oder fünf außenpolitischen Kehrtwendungen in den vergangenen sechs Monaten nur aus den Augen verloren? Uns geht es ja nicht anders. Zugegeben, es ist natürlich viel spannender, wenn eine Regierung alle paar Tage ganz neue Marschrouten ausgibt - nur für den folgewilligen Troß kann das auf Dauer ziemlich stressig werden. Nachsicht, Herr Scholz! Wir suchen Sie noch.

Überhaupt muß doch erst einmal geklärt werden, welches Vaterland der SPD-General eigentlich meint. Der außenpolitische Sprecher der Union, Friedbert Pflüger, steht beispielsweise vorbildlich fest zu seiner Nation und macht keinen Hehl aus seinem Stolz, wenn er "Star and Stripes for ever" singt. Im Unterschied zu dem Glücklichen haben wir gewöhnlichen Weltbürger nach der rotgrünen Einbürgerungsnovelle schon größere Schwierigkeiten, aus unserer stattlichen Sammlung unterschiedlicher Reisepässe denjenigen herauszufinden, der uns am Innigsten berührt.
 
     
     
 
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