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Erst kürzlich wurde das Grab des Stifters gefunden", sagt Pater August, während er mit nahezu weltlicher Geschäftigkeit durch das Stift Rein führt. "Der Fund lockt Besucher an, 11000 im Jahr 2006. Das ist gut fürs Geschäft, denn der Erhalt der Anlage ist teuer", fügt er entschuldigend hinzu. Pater August ist einer von 16 Mönchen, die derzeit dem weltweit ältesten Zisterzienserkloster angehören. "Männliche Gäste, die hier Stille und Besinnung suchen, können jederzeit eine Woche mit uns leben", sagt er mit einladender Geste.
Das Kloster-Stift liegt 15 Kilometer nördlich der steirischen Hauptstadt Graz. Es ist ein Beweis dafür, daß die Steiermark mit ihren traumhaften Wanderwegen, Bergseen, Grotten, Gletschern und alpinen Skigebieten auch außerhalb der Mauern ihrer Metropole voller Geschichte steckt. Graz selbst - zweitgrößte Stadt Österreichs - wegen des sehenswerten Altstadtkerns 1999 zur Unesco-Welterbestätte gekürt, machte 2003 als europäische Kulturhauptstadt von sich reden.
Lange Zeit als "Pensionopolis" belächelt, hat sich Graz dank seiner Universitäten stark verjüngt - mittlerweile ist fast jeder fünfte Einwohner Student - und längst einen Platz in der internationalen Avantgarde-Kunstszene erobert.
Neben dem 123 Meter hohen Schloßberg sowie barocken, klassizistischen und Jugendstil-Gebäuden ziehen die "Blaue Blase", wie das neue Kunsthaus heißt, und die künstliche Mur-Insel Blicke auf sich. Durch diese vom amerikanischen Architekten Vito Acconci entworfene schwimmende Muschel, die Café, Amphitheater und die schönste Toilette der Stadt beherbergt, wurde der Fluß als neuer Lebensraum entdeckt.
Besucher, die das "Bermuda-Dreieck" genannte Vergnügungsviertel um den Mehl- und Färberplatz nicht verschlungen hat, finden den Weg durch die Natur in die barocke Anlage von Rein mit schönen Stifthöfen und der stets offenen Basilika. Bei der Führung durch das 1129 gegründete und seitdem durchgängig bewirtschaftete Stift erfahren die Gäste, daß die Zisterzienser in erster Linie Baumeister und Handwerker waren. "Erst später kamen richterliche, pastorale und Verwaltungsaufgaben hinzu", sagt der Pater und eilt in seiner schwarzen Soutane mit dem weißen Überhang voran.
Aufmerksamkeit gilt dem wertvollen Chorgestühl und der romanischen Kapelle hinter Glas. Enge Gänge führen mitten ins 12. Jahrhundert und in die Bibliothek. Es riecht nach Staub und altem Pergament. Rund 300 Handschriften und 120000 Bücher stapeln sich in den hohen Regalen.
Damals war Stift Rein Skriptorium für ganz Mitteleuropa. Pater August blättert im Reiner Musterbuch mit 14 verschiedenen Berufsdarstellungen, das zwischen 1208 und 1213 entstand. "Das ist nur eine Kopie", bedauert er. Aber im Museum von Wien sei das Original gut aufgehoben.
Schon betrachten staunende Augen ein anderes Meisterwerk der schreibenden Mönche aus der Hochblüte der Buchmalerei: das "Antiphonale". "Alle 300 Bögen sind digitalisiert und im Internet abrufbar", demonstriert der Mönch am Computer und druckt gleich ein paar Seiten aus. Der 65jährige geht mit der Zeit und beherrscht die moderne Technik. "Wer mag, kann einen Druck für drei Euro mit nach Hause nehmen", sagt er geschäftstüchtig.
Dann streicht er beinah liebevoll über einen runden Steintisch. Eine Glasplatte schützt die eingeätzten Daten - für 200 Jahre im Voraus berechnete Wochentage, Sternzeichen, Mond- und Sonnenaufgänge. "Der Kalendertisch von Johannes Kepler aus dem Jahr 1607", verkündet Pater August stolz. Kepler (1571-1630), der 1594 als Lehrer für Mathematik und Moral an die evangelische Stiftsschule nach Graz kam, erstellte als Mathematiker der Landesregierung Kalender mit Prognostica. Dadurch erlangte er auch als Astrologe Berühmtheit. "Und was tun die Bauern im Dezember", fragt der Pater, der erst vor sechs Jahren ins Kloster kam. Schweine schlachten, läßt der Kalender erkennen. Pater August verweist auf die einzigartige Sammlung, darunter der älteste deutsche Kalender von 1373, barocke Bauern- und Mondkalender.
Mit einem Blick auf die Uhr, die an unsere Endlichkeit erinnert, wie er betont, und zunächst nur zur vollen Stunde schlug, erklärt er noch den langen Weg zur Sekunde, bis er sich freundlich lächelnd verabschiedet.
Auch der Uhrturm, der sich gedrungen als städtisches Wahrzeichen an den Schloßberg von Graz duckt, hatte ursprünglich nur einen Zeiger. Jetzt gibt der große die Stunden und der kleine die Minuten an, weil sie bei der nachträglichen Montage vertauscht wurden.
Zunächst reichte es, die Stunden zu wissen. Dann schlugen die Uhren auch die Viertelstunden. Im 18. Jahrhundert kam die Minuteneinteilung hinzu. Die Sekunden wurden gar erst im 19. Jahrhundert eingeführt.
Aber dem Reisenden schlägt keine Stunde.
Zisterzienser-Stift Rein, A-8103 Rein, Telefon (00 43) 31 24-5 16 21, www.stift-rein.at, Ausstellungen mit Führung: "Mönche als Baumeister" bis 6. Januar 2008, täglich 13.30 Uhr, "Die ältesten Urkunden der Steiermark" ab 24. März 2007, täglich 10.30 Uhr, Führung durch die Stiftsbibliothek mit der Möglichkeit, am Chorgebet der Mönche um 12 Uhr teilzunehmen. Männliche Gäste können eine Woche mit den Mönchen leben: pro Tag 40 Euro. Weitere Informationen: www.steiermark.com/events, www.graztourismus.at, "Graz Tourismus - Markt- und Pressebetreuung", Messeplatz 1 / Messeturm, A-8010 Graz, Österreich, Telefon (00 43) 3 16-80 75-41.
Foto: Immer offen für weltlichen Besuch: Zwei Mönche aus |
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