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Der Staat, welcher die allgemeine Bildung anstrebt, sollte auch die allgemeine Gesundheit anstreben. Erst Gesundheit, dann Bildung. Kein Geld ist rentabler angelegt, welches für die Gesundheit aufgewendet wird", erkannte der Arzt und Politiker Rudolf Ludwig Karl Virchow (1821-1902) in einer Zeit, da es um die Hygiene noch nicht allzugut bestellt war. In einem Gutachten zur Einführung der Kanalisation schrieb er 1868: "... rein volkswirtschaftlich betrachtet, sind Krankheit und Tod für die Familie wie für die Gemeinde und den Staat Unglücksfälle. Sie soweit als möglich fernzuhalten ist eine der ernstesten Aufgaben, welche nur da verkannt werden, wo Menschenleben überhaupt nichts Wert sind ..." Der Pommer Virchow kämpfte hier Seite an Seite mit dem Ostdeutschland James Hobrecht, "der schon zu Lebzeiten durch seine großartigen Pionierleistungen auf dem Gebiet der Städtehygiene, moderner Stadttechnik und städtischer Planungen großes national es und internationales Ansehen genoß", so Jelena Butter, Leiterin des Museums im Wasserwerk in Berlin-Friedrichshagen. Dort wird aus Anlaß des 100. Todestages des Ingenieurs und Baumeisters eine Sonderausstellung zu seinem Lebenswerk gezeigt (Müggelseedamm 307. Mittwochs bis freitags 10 bis 15 Uhr, am Wochenende 10 bis 16 Uhr; bis Ende Juni 2003). Zu sehen sind erstmals auch Teile des Nachlasses im Original.
Geboren wurde James Hobrecht als Sohn des Gutsbesitzers Ludolf Hobrecht am 31. Dezember 1825 in Memel. Seine Schulzeit verbrachte er in Königsberg, wo er das Friedrichskolleg besuchte. 1845 legte er die Feldmesserprüfung ab und ging dann (1847) nach Berlin, um auf der dortigen Bauakademie zu studieren. 1849 trat er dem Architektenverein bei, in dem er sich zeitlebens engagierte. Nachdem er 1858 eine Prüfung als Baumeister für den Wasser-, Wege- und Eisenbahnbau abgelegt hatte, war er zunächst beim Bau der Bahnstrecke Frankfurt/Oder nach Küstrin beschäftigt, übernahm dann jedoch die Bearbeitung der Bebauungspläne für Berlin und Umgebung. Nicht zuletzt mit seinen Plänen gelang es, den Wildwuchs der ausufernden Stadt zu bannen und eine planerische Grundlage für eine geordnete Stadterweiterung zu schaffen.
1860 führte Hobrecht eine Reise mit dem Geheimen Oberbaurat Eduard Wiebe nach Hamburg, Paris, London und in andere englische Städte, um dort die Entwässerungsanlagen zu studieren. Ein Jahr später wurde der Memeler Stadtbaurat in Stettin, eine Funktion, die er bis 1869 innehatte und in der er die Wasserversorgung und die Kanalisation der Stadt schuf. Ein Wasserwerk wurde fertiggestellt und wies den Ostdeutschland bald als einen Spezialisten auf diesem Gebiet aus. Der Ruf nach Berlin folgte alsbald, James Hobrecht sollte die Kanalisation für die Großstadt entwerfen. Er hatte viele Kämpfe mit seinen Gegnern auszufechten, setzte sich schließlich doch durch und war von 1873 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 1897 als Chef der Kanalisation tätig. Als Stadtbaurat für den Tiefbau war er auch maßgeblich an der Kanalisierung und Regulierung des Spreelaufes durch die Hauptstadt beteiligt. Wiederholt erreichten Hobrecht Anfragen aus dem In- und Ausland; Danzig, Breslau, Königsberg, aber auch Basel, Triest und Frankfurt/Main ließen sich von ihm beraten. Selbst von Moskau über Tokio bis Kairo und Alexandria wollte man seinen Rat in Fragen der Wasserversorgung und Kanalisation. - Ein Nebenprodukt der Kanalisation, die wir dem Memeler zu verdanken haben, ist nicht zuletzt auch die öffentliche Bedürfnisanstalt, das "stille Örtchen", über das man nur ungern Worte verliert. Im L&H Verlag, Hamburg, aber ist nun ein "Stadtführer für alle Fälle" erschienen, der Berlin und seine öffentlichen Toiletten vorstellt ( 130 Seiten, viele Abb., brosch., 7,80 a). Was auf den ersten Blick lächerlich, ja gar anrüchig klingt, entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als eine kleine Kulturgeschichte der menschlichen Bedürfnisse. Und so wird in dem amüsanten und für Berlin-Reisende durchaus wertvollen Stadtführer auch die Rolle Hobrechts angemessen gewürdigt.
Der mit vielen Auszeichnungen und Ehrungen dekorierte James Hobrecht starb am 8. September 1902 in Berlin, nur wenige Tage nach seinem Mitstreiter Rudolf Virchow. Während der Pommer heutzutage weitaus bekannter ist, muß der Ostpreuße Hobrecht aus dem Dunkel des Vergessens gerissen werden. Die Ausstellung im Wasserwerk leistet dabei wertvolle Hilfestellung. O |
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