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Über die Medienfreiheit im Nahen Osten hat man im Westen wenig Illusionen - und das nicht zu Unrecht, ist doch laufend von Zensur, Verhaftungen und Morden zu hören. Aber die von "Freunden des Westens" ausgeübten Repressionen werden dabei meist gnädig übergangen - und das beweist, daß auch die Berichterstattung über den Nahen Osten zensiert oder manipuliert ist. Besonders in Medien des deutschen Sprachraums wirken Themen, Bilder und Worte oft wie gefiltert - "aus besonderer Verantwortung".
Im Zeitalter des Satelliten-Fernsehens kann man das Manko allerdings mit Hilfe fremdsprachiger Medien ausgleichen. Sprachkenntnisse sind dabei nützlich, doch nicht unerläßlich, denn schon allein aus dem, was gezeigt wird, lassen sich manche Schlüsse ziehen. Eine Informationsquelle ersten Ranges ist jedenfalls "BBC World": Man muß immer wieder staunen, wie fair das britische Staatsfernsehen berichtet - wo doch Fairneß nicht gerade eine Maxime der britischen Außenpolitik ist. Selbst die Sparmaßnahmen und Umbesetzungen, mit denen Tony Blair die "unbotmäßige" BBC voriges Jahr bestrafte, scheinen keine Auswirkungen auf die Qualität zu haben.
Nun erhält die BBC ernsthafte Konkurrenz. Nicht von CNN oder anderen, die nachweislich der US-Regierung "gefällig" sind, sondern vom arabischen Sender "El-Dschasira": Seit 15. November wird durchgehend ein Programm in englischer Sprache ausgestrahlt, das wie die arabischen über Satellit oder Kabel in den meisten Ländern zu empfangen ist. Einzig in den USA hat sich kein lokaler Verteiler finden lassen - welch Zufall.
"El-Dschasira" - "die Insel", in englischer Transskription "Al-Jazeera" - ist indirekt eine Folge des "CNN-Golfkriegs" von 1991: CNN konnte durch die Berichte aus dem Kriegsgebiet schlagartig enorme Marktanteile erobern und auch im Nahen Osten höchste Einschaltquoten erzielen. UN-Generalsekretär Boutros Ghali nannte CNN damals "das 16. Mitglied des Sicherheitsrats". Kein Wunder, daß ein arabisches Gegenstück gefragt war - und auf die Beine gestellt hat es 1996 der Emir von Katar.
"El-Dschasira", das sich am Niveau der BBC orientiert, ist heute ein wohltuender Kontrast zu staatlichen und islamischen Propagandasendern zwischen Marokko und Zentralasien. Für Saddam Husseins Informationsminister war "El-Dschasira" "amerikanische Propaganda" - während die USA, deren Hauptquartier sich in Doha, der Hauptstadt Katars befand, das Bagdader Büro des Senders bombardierten. Vom Westen kommt der Vorwurf eines "Naheverhältnisses zu Terroristen" und von arabischer Seite, daß man auch Israelis zu Wort kommen läßt. Und arabische Potentaten, empört über Berichte von Zensur und Dissidenten, sorgen dafür, daß Unternehmen ihrer Länder keine Werbeeinschaltungen an "El-Dschasira" vergeben.
Mit dem neuen englischen Programm könnte "El-Dschasira" jetzt einen wesentlichen Beitrag zur Meinungsbildung in Europa leisten.
Emir mit ungewöhnlichem Hobby
Hamad bin Chalifa, Emir von Katar, erinnert eher an aufgeklärte mitteleuropäische Autokraten des 18. Jahrhunderts als ans Klischee vom "Ölscheich" - er wäre ohnehin mehr ein "Gasscheich", denn Katar besitzt nach Rußland die zweitgrößten Erdgas-Reserven. Beim Aufbau von "El-Dschasira" 1996 kam ihm zugute, daß damals ein von BBC und einer saudischen Gruppe für den arabischen Raum betriebener Sender wegen saudischer Zensur den Betrieb einstellte und so zahlreiche Spitzenkräfte verfügbar waren. Das arabische Programm hat heute allein im Nahen Osten 40 Millionen Zuschauer.
Das englische Programm ist redaktionell unabhängig vom arabischen. Auch dafür ließ der Emir groß "einkaufen": Geschäftsführer Nigel Parsons blickt auf eine Karriere bei "Associated Press" und BBC zurück, und zu den prominenten Moderatoren zählen Sir David Frost sowie der von CNN her bekannte Riz Khan. "El-Dschasira" hat weltweit 60 Standorte mit Hauptbüros in Doha, Washington, London und Kuala Lumpur. In Mitteleuropa sind die Programme über Astra 19,2 Ost und Eutelsat 13 Ost zu empfangen. |
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