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Dann laufen die Wähler davon

 
     
 
Die CSU steckt in einem Dilemma: Einerseits verspürt die bayerische Partei eine klammheimliche Schadenfreude über die Spendenaffäre der CDU. Lähmung und Lethargie, die die CDU befallen haben, lassen den Einfluß der kleinen Schwesterpartei wachsen. Bei der Konzeption einer Steuerreform zeigte sich München gegenüber den schwachen CDU-Verhandlern kompromißlos wie zu Zeiten eines Franz Josef Strauß. Und schon rufen die ersten christdemokratischen Politiker nach Edmund Stoiber
als neuem Kanzlerkandidaten im Jahre 2002. Doch der bayerische Ministerpräsident dreht und wendet sich: Solange die CDU schwächelt, hätte er Chancen, nach der Kandidatur zu greifen. Doch ohne eine starke und geschlossene CDU hätte der Bayer keine Chancen, Kanzler zu werden.

Somit endete die traditionelle Klausurtagung der Berliner CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth eher mit Rätselraten. Irgendwie hängt die CSU mit drin im Spendensumpf. Die Bayern sind fest mit der CDU verbunden. Und wenn der christdemokratische Zug auf Talfahrt ist, hängt der weiß-blaue Kurswagen dran und befindet sich ebenfalls auf Talfahrt.

Während der Klausurtagung im tiefen Schnee oberhalb des malerischen Tegernsees gab sich CSU-Landesgruppenchef Michael Glos noch optimistisch, von Kreuth werde ein Signal des Aufbruchs für die Union ausgehen – so wie vor einem Jahr, als die Bayern in Kreuth den Anstoß für die Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gaben und damit den Grundstein für den Sieg der CDU bei den hessischen Landtagswahlen legten.

Doch ein neuer "Geist von Kreuth" war zu Beginn des Jahres 2000 nicht zu beschwören. Stoiber kam mit einem Tip von seinem Friseur wieder und regte eine Kampagne gegen den durch die Ökosteuer auf knapp zwei Mark gestiegenen Benzinpreis an. Mit Vorlage eines sicherlich eindrucksvollen Steuerkonzepts, das eine Entlastung von Bürgern und Unternehmen in Höhe von 50 Milliarden Mark bis zum Jahre 2003 vorsieht, versuchten die Unionsparteien eine Rückkehr zur Sachpolitik. Doch alles war vergeblich.

Helmut Kohls Spendenaffäre überlagerte sowohl die Ökosteuer-Kampagne als auch die Steuerpolitik. Pünktlich zur Kreuther Klausur und einer gleichzeitig stattfindenden Tagung des CDU-Vorstandes in Norderstedt bei Hamburg kamen in der Presse Gerüchte auf, der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers wolle auf dem CDU-Parteitag im April in Essen gegen den Parteivorsitzenden Wolfgang Schäuble kandidieren. Rüttgers gilt als "Kohlianer".

Rüttgers hatte sich im gesamten Verlauf der Affäre nie negativ über Kohl geäußert. Stets hatte er es abgelehnt, zu Kohl auf Distanz zu gehen, wie es Schäuble und seine Generalsekretärin Angela Merkel getan hatten. Frau Merkel hatte Kohl sogar indirekt zum Rücktritt von allen Ämtern aufgefordert, ein Vorstoß, der mit Schäuble bis ins Detail abgestimmt war und zu Wutausbrüchen bei Kohl führte. Das Kohl-Lager schlug zurück, indem Rüttgers in Stellung gebracht wurde. Auch wenn Rüttgers umgehend alle Kandidatur-Gerüchte bestritt, blieben Schäuble und somit auch Merkel beschädigt zurück.

Rüttgers hatte die Zeichen sogar noch richtig erkannt, indem er davor warnte, die CDU-Führung werde nicht für Selbstzerfleischung, sondern für vernünftige Politik bezahlt. Mehrfach deutete er sogar die Gefahr an, daß sich die Partei wegen der Kohl-Affäre spalten könnte. Denn Kohls Weigerung, die Namen der Spender zu nennen, reizt die Gruppe der Aufklärer um Frau Merkel, den niedersächsischen CDU-Chef Christian Wulff und den Fraktionsvize Friedrich Merz bis aufs Blut. Umgekehrt sind Kohls alte Freunde Norbert Blüm und Rüttgers verärgert, weil sie glauben, daß die Aufklärer das Parteidenkmal Kohl vom Sockel stürzen wollen.

In Kreuth beschwor Stoiber die Gefahren, daß sich die deutsche Parteienlandschaft ohne Beendigung der Spendenaffäre bald verändern könnte. Aber dennoch vermied er jeden Ratschlag, wie die CDU aus der Affäre herauskommen könnte. Anschauungsunterricht könnten die Christdemokraten in Bayern nehmen: Die LWS-Bauaffäre beendete Stoiber, indem er seinen Justizminister Alfred Sauter aus dem Kabinett warf und damit den Streit in der CSU beendete. Doch die neue CDU-Führung mochte sich bisher nicht so recht dazu durchringen, Kohl – unter weiterer Würdigung seiner Verdienste – aufs Altenteil zu schicken. Damit nimmt sie ein Andauern des Streits in Kauf und damit etwas, was die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann beschrieben hat: "Sobald eine Partei zerstritten erscheint, laufen die Wähler in Scharen davon." Davon dürfte auch die CSU nicht verschont bleiben. HL

 
     
     
 
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