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Das Schlimmste steht uns noch bevor

 
     
 
Nimmt Verlierer Bemba seine Niederlage nicht hin, droht in der Mitte Afrikas ein neuer Krieg. Doch selbst wenn es zunächst friedlich bleiben sollte: Ohne den Beistand der Europäer, Amerikaner und der UN scheitert der Aufbau des Landes - und der Kongo fällt zurück in Chaos und Gewalt.

Ungeachtet zahlreicher internationaler Appelle akzeptiert der Wahlverlierer Jean-Pierre Bemba das Ergebnis der Präsidentschaftswahl im Kongo nicht. "Ich kann das Ergebnis nicht anerkennen, da es die Wahrheit ... nicht widerspiegelt", hieß es in der in Kinshasa verbreiteten Erklärung. Bemba nannte als Grund, daß die unabhängige Wahlkommission nur auf zwei seiner sechs Beschwerde
n wegen angeblichen Wahlbetrugs geantwortet habe. Außerdem kritisierte er, daß er das Ergebnis nicht wie geplant zuvor mitgeteilt bekommen, sondern wie alle anderen aus dem Fernsehen erfahren habe.

Jean-Pierre Bemba hat immer beteuert, er sei ein guter Demokrat. Nun muß der frühere Kriegsfürst im Kongo beweisen, daß er auch ein guter Verlierer ist. Denn nach Angaben der unabhängigen Wahlkommission wurde Präsident Joseph Kabila mit 58 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Der Präsident der Wahlkommission hatte bei der Bekanntgabe des Ergebnisses betont, daß alle Einsprüche geklärt seien.

Das vorläufige amtliche Endergebnis muß noch vom Obersten Gericht bestätigt werden. Die Amtseinführung des neuen Präsidenten ist für den 10. Dezember geplant.

Trotz erster Schußwechsel zwischen Polizisten und Bemba-Anhängern hat das deutsche Verteidigungsministerium bereits angekündigt, die deutschen Soldaten ab Ende November wieder auszufliegen.

Doch viele Beobachter fragen sich, ob Kabila überhaupt die Autorität hat, das Land zu einen. Im Osten sind noch immer Rebellengruppen aktiv, einige Kriegsherren befehligen größere Privatarmeen. Milizen und Regierungseinheiten liefern sich immer wieder neue Gefechte. Die Infrastruktur in dem riesigen Land von der dreifachen Größe Frankreichs wurde seit Jahren vernachlässigt, und die Bevölkerung gehört zahlreichen verschiedenen Volksgruppen an, die unterschiedliche Sprachen sprechen. Eine der größten Herausforderungen für den neuen Präsidenten wird es daher sein, die Autorität der Zentralmacht auch in entlegenen Provinzen durchzusetzen.

Es steht sehr viel auf dem Spiel im Kongo. Wenn sich Bemba aber von seinen Anhängern zum Wahlsieger erklären läßt, so kann dies nur bedeuten, daß er Unruhe stiften will. Seine Anhänger schreien, daß sie betrogen worden seien. Und daß sie sich nun nicht mehr gebunden fühlten an die Spielregeln, die sie vor der Wahl hingenommen hatten. Erwägt Bemba, in die alte Rolle des Kriegers zu schlüpfen, um auf anderem Wege Macht, Einfluß und Geld zu erringen? Im schlimmsten Fall kann er seinen Rivalen Kabila so sehr reizen, daß der seine Präsidentengarde losjagt. Dann müssen die Blauhelme und die Eufor-Truppe eingreifen. Niemand kann darauf vertrauen, daß sie auch die Kraft besitzen, die Flammen wieder auszutreten.

EU-Chefdiplomat Javier Solana appellierte dementsprechend an Kabila und Bemba, "sich zusammenzutun und ohne Zeitverzögerung dazu beizutragen, die Demokratische Republik Kongo und ihr Volk wieder auf einen Weg zum Wohlstand zu bringen". Die EU sei zur Hilfe bei der "ungeheuren Aufgabe" des Wiederaufbaus bereit. Bemba sei auf Grund seines guten Abschneidens "einer der unumgänglichen politischen Akteure für die Zukunft des Kongos".

Und Präsident Kabila? Der hatte kurz am 21. und 22. August sein wahres Gesicht gezeigt: 14 Botschafter, darunter der deutsche Missionsleiter Reinhard Buchholz, hatten sich in der Villa des Gegenkandidaten Jean-Pierre Bemba eingefunden, der im ersten Wahlgang landesweit gut abgeschnitten hatte. Plötzlich fing es draußen an zu krachen. Die Diplomaten mußten sich zu Boden werfen und in den Keller flüchten, während schwere Geschosse die Residenz trafen. Stundenlang schoß Kabilas Präsidentengarde mit Schützenpanzern, leichter Artillerie und Maschinengewehren auf das Haus. Die Absicht war klar: Bemba sollte ermordet werden.

Zur Rede gestellt, stritt Kabila alle Vorwürfe ab. Bembas Leute hätten den Kampf begonnen, um die Wahl zu torpedieren, seine Garde habe lediglich ihre Pflicht erfüllt und das Feuer erwidert. Die Diplomaten wußten es besser: Ohne ihre Präsenz, von der die Angreifer offenbar zunächst nichts geahnt hatten, wäre der Kontrahent an jenem Tag gestorben. Als Botschafter Buchholz später undiplomatisch verdeutlichte, daß man solche Aktionen keinesfalls dulden würde, ließ die Antwort des Präsidenten Kabila nicht lange auf sich warten: Erst weigerte er sich, den zum Truppenbesuch nach Kinshasa gereisten Bundesverteidigungsminister Jung in seinem Palast zu empfangen, dann mußte, Anfang November, der deutsche Botschafter abrupt seine Zelte in Kinshasa abbrechen.

Auch ist bekannt, daß Kabilas Mann fürs Grobe, der langjährige Kölner Geschäftsmann und "General" François Olenga, unmittelbar vor dem ersten Wahlgang eine Lieferung Panzer für die Präsidentengarde besorgt hatte. Doch bei der Eufor-Truppe zuckte man nur mit den Schultern.

Kabila selber scheint sich auch nach der Wahl nicht allzu sicher zu fühlen. Immer wieder gibt er dumpfe Warnungen von sich wie kürzlich im staatlichen Fernsehen: "Das Schlimmste steht uns noch bevor."
 
     
     
 
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