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Dem Westen ergeben nicht der EU

 
     
 
Erst kürzlich unterstrich US-Präsident George W. Bush bei einem Treffen mit Ivo Sanader, dem Premier Kroatiens, erneut, daß er sich für einen Beitritt Kroatiens zur Nato stark machen wolle. Darüber hinaus will sich Bush für einen Beitritt Kroatiens zur EU einsetzen. Ähnlich hatte sich bereits Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer geäußert, dessen Aussagen zufolge Kroatien möglicherweise schon auf dem kommenden Nato-Gipfel in Riga am 28. und 29. November eine Einladung zum Verteidigungsbündnis erhalten könnte. Daß diese Einladung nicht längst erfolgt ist, hängt wohl auch damit zusammen, daß die USA bisher Kroatien, Mazedonien und Albanien en bloc aufnehmen wollten. De Hoop Scheffer ließ bereits durchblicken, daß in Riga wohl mit einem entsprechenden Signal in diese Richtung gerechnet werden kann. Insbesondere die Vereinigten Staaten verfolgen das Ziel, so viele Staaten wie möglich in die Nato aufzunehmen; offiziell, um im Kampf gegen den global operierenden Terrorismus so viele Staaten wie möglich einzubinden.

Zumindest im Falle Kroatiens wäre dessen Aufnahme in die Nato folgerichtig, strebt das Land doch unter dem Stichwort "euroatlantische Integration" bereits seit längerem eine Mitgliedschaft in der EU sowie in der Nato an. 2001 unterzeichnete der Balkanstaat ein Stabilisierung
s- und Assoziationsabkommen mit der EU, das seit 2005 in Kraft ist. Seit 1. Januar 2006 hat Kroatien den Status eines EU-Beitrittskandidaten. In der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit ist Kroatien seit 1992 aktiv und seit dem Jahre 2000 auch Mitglied in der Welthandelsorganisation (WTO).

Auch bei internationalen Friedensmissionen ist Kroatien engagiert. Seit November 2003 sind kroatische Truppen zum Beispiel Mitglied der ISAF (Internationale Unterstützungstruppe für Afghanistan). Das Kontingent soll noch in diesem Jahr von 50 auf 150 Mann aufgestockt werden. Überdies sind kroatische Soldaten bei friedenssichernden und -erhaltenden Einsätzen der Uno aktiv, und zwar derzeit in Sierra Leone, der Westsahara, Indien und Pakistan sowie Äthiopien und Eritrea.

Als Bremsklotz bei den Integrationsbemühungen hat sich eine Zeitlang die angeblich mangelnde Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erwiesen ("Fall Gotovina"). Der Erklärung der Hauptanklägerin des Gerichtshofs, Carla del Ponte, die die "volle Zusammenarbeit" Kroatiens mit dem Tribunal konstatierte und der österreichischen Verhandlungsstrategie, die mehr oder weniger erzwang, daß parallel mit den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auch mit Kroatien verhandelt wird, ist es zu verdanken, daß sich die Aussichten Kroatiens, bald Mitglied der Nato und EU zu werden, deutlich verbessert haben.

Wie selbstbewußt kroatische Politiker inzwischen agieren, haben auch die USA zu spüren bekommen: Im Gegensatz zu manch anderem Staat will Kroatien US-Bürgern keine Immunität vor der Verfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof gewähren. Auch im Hinblick auf die von der Europäischen Kommission beabsichtigte Gründung eines eigenen Balkan-Wirtschaftsraums hat der Balkanstaat eigene Vorstellungen. Dieser Plan wird nicht nur abgelehnt, die EU wird überdies kritisiert, daß sie keinen eigenen Plan für die wirtschaftliche Entwicklung des südeuropäischen Raums besitze.

Vor dem Hintergrund der Schlüsselfunktion, die Kroatien im südosteuropäischen Raum einnimmt, wäre dessen baldige EU-Mitgliedschaft mit Sicherheit ein Gewinn. Nichtsdestoweniger wird auch Kroatien, wie alle anderen EU-Beitrittskandidaten, zunächst zu den Nettoempfängern der EU gehören. Wann genau der EU-Beitritt erfolgen könnte, ist weiterhin unklar. Offiziell rechnet man in Kroatien mit einem Abschluß der Beitrittsgespräche im Jahre 2009; dieses Zeitfenster dürfte aber aufgrund der schwelenden Verfassungskrise der EU wenig wahrscheinlich sein.

Der EU-Orientierung der kroatischen Regierung steht in letzter Zeit eine steigende EU-Skepsis unter den Kroaten gegenüber. Im stark agrarisch geprägten Kroatien geht die Befürchtung um, daß die Landwirtschaft im Falle einer EU-Mitgliedschaft einer scharfen Konkurrenz durch andere EU-Staaten ausgesetzt sein könnte. Darüber hinaus rechnet man damit, daß es zu einem vermehrten Ankauf von Grundstücken durch Ausländer kommen könnte. Grundlos sind diese Befürchtungen nicht, verzeichnet der Balkanstaat inzwischen doch Millionen von Touristen pro Jahr. Etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes wird mittlerweile über den Tourismus erwirtschaftet.

Viele Kroaten glauben des weiteren, daß durch einen Beitritt zur EU auch die traditionellen nationalen Werte gefährdet werden könnten. Ein Ausdruck der derzeit grassierenden EU-skeptischen Stimmung dürfte auch das letzte Umfrageergebnis vom Februar 2006 sein, nach dem nur etwa 48 Prozent der Kroaten einen EU-Beitritt wünschen.

Aus deutscher Sicht wäre ein Beitritt Kroatiens zu begrüßen. Die Beziehungen sind traditionell eng und gut. Dies beruht zum einen auf der großen Zahl von Kroaten, die dauerhaft in Deutschland leben und früheren Gastarbeitern. Zum anderen besuchen jedes Jahr zahlreiche deutsche Touristen Kroatien. Weitere Gesichtspunkte sind der intensive wirtschaftliche Austausch und jahrhundertelange kulturelle Einflüsse Deutschlands beziehungsweise Österreichs. Viele Kroaten sprechen Deutsch.

Als Handelspartner steht Deutschland für Kroatien an zweiter Stelle. Bei den ausländischen Direktinvestitionen nimmt Deutschland inzwischen nach Österreich den zweiten Platz ein. Aber auch die kulturellen Bindungen sind eng. In Kroatien sind das Goethe-Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD und die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen tätig. Alle wichtigen deutschen politischen Stiftungen haben Büros in Zagreb.
 
     
     
 
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