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Das Gesetz sollte erst zum 1. Januar 2007 in Kraft treten, doch Rußlands Präsident bestand darauf, es auf den 1. Juli 2006 vorzuziehen: Medienwirksam erklärte Wladimir Putin den Rubel schon Ende Juni offiziell zur frei konvertierbaren Währung, wofür er den Beifall der breiten Öffentlichkeit erhielt. Durch die Konvertierbarkeit haben die Russen die Möglichkeit, ihr inländisches Geld ohne Beschränkung in ausländische Zahlungsmittel umzuwandeln. Nicht ohne Grund hatte der Präsident es eilig mit dieser Ankündigung, wollte er doch die Teilnehmer des knapp zwei Wochen später in St. Petersburg stattfindenden G-8-Gipfels davon überzeugen, daß sein Land unumgänglich zu den Großen gehört.
In naher Zukunft ändert sich allerdings durch die Konvertierbarkeit des Rubels weder für die Wirtschaft noch für Reisende Wesentliches. Rußland hofft mit dieser Maßnahme aber langfristig auf neue Wachstumsimpulse für die einheimische Wirtschaft sowie den Zustrom westlichen Kapitals.
Obwohl Präsident Putin aus den genannten Gründen einen starken Rubel bevorzugt, stößt dies - vor allem bei Vertretern des "Big Business" - auf Ablehnung. Diese Haltung hat auch der russische Finanzminister Alexej Kudrin angenommen. Er befürchtet einen Anstieg der Inflation durch einen harten Rubel bei gleichzeitiger Abwanderung ölproduzierender Firmen in den Westen.
In den vergangenen sieben Jahren hat sich der Kurs des Rubel um 50 Prozent erhöht. Die Inflation liegt bei über neun Prozent. Die Stärkung des Rubels hat sich zwar positiv auf den Import ausgewirkt, gleichzeitig aber Druck auf die einheimische Produktion ausgeübt. Der Wirtschaftsexperte Professor Grigorij Schatalow erklärt in einem Interview gegenüber der Zeitung "Argumente und Fakten", daß der Währungskurs und seine Dynamik die Interessen aller an der Wirtschaft eines Landes beteiligten Gruppen berührt. Dabei sei es kein Geheimnis, daß die Politiker seines Landes direkt oder indirekt die Lobby der Industrie und Finanzhaie vertritt. Deshalb sei ein Teil der Geschäftsleute an einem schwachen Rubel interessiert, weil er gut für die Effektivität und den Gewinn beim Export sei und die einheimische Produktion vor der Konkurrenz der Importgüter schütze. Ein anderer Teil hingegen unterstütze die Politik des starken Rubels, weil der die Position ihrer Handelsunternehmen auf dem Binnenmarkt stärke. Die Zentralbank zeige wenig Interesse an der Währungspolitik, weil es zu viele Probleme gebe, die die Leitung der Bank nicht lösen könne.
Schatalow geht davon aus, daß eine auf einer zivilisierten, auf marktwirtschaftlicher Konkurrenz basierende Wirtschaft ein neu bewerteter Rubel die Verbraucherpreise senken müsse. Die Realität in Rußland ist allerdings ein unaufhaltsamer Preisanstieg. Dies liege an den mächtigen Handels- und Produktionsmonopolen; hier wäre nach Meinung des Spezialisten die Regierung gefragt, etwas zu ändern. Nur durch Privatisierung und Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen könne die russische Wirtschaft nach vorne gebracht werden.
Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage, wie mit den Mitteln aus dem Stabilisierungsfonds verfahren werden soll, der überwiegend mit Gewinnen aus Ölexporten aufgefüllt worden ist. Zur Zeit können im Stablisierungsfonds über 50 Milliarden Dollar verbucht werden. Der größte Teil davon soll nach dem Willen der Regierung in staatlichen Anleihen anderer Länder angelegt werden, der Rest in Aktien ausländischer Großunternehmen. Das Finanzministerium soll laut Kirill Gussew, Finanzwissenschaftler an der "Akademie der Wissenschaften", sogar bereit sein, die Verwaltung der Mittel an eine ausländische Firma zu übertragen, weil es den Staat als Manager für uneffektiv hält. Die Tatsache, daß Geld aus dem Stabilisierungsfonds im Ausland verwaltet werden soll, zeigt deutlich, daß die Experten des Finanzministeriums eigenen russischen Unternehmen die Treuhandverwaltung nicht zutrauen.
Bislang hat die freie Konvertierbarkeit des Rubels keine Investoren angelockt, denn weder potentielle ausländische Investoren noch russische Geschäftsleute vertrauen der politischen und wirtschaftlichen Situation im Land. Ein Kommentator beschreibt das Ganze so: "Tatsächlich ist der Rubel am 1. Juli nicht frei konvertierbar gewesen, weil das Gesetz über den Wegfall der Beschränkungen erst noch die Staatsduma passieren muß, dann den Föderationsrat, und zum Schluß muß es vom Präsidenten unterzeichnet werden. De facto wird der Rubel wohl erst 2008 oder 2009 wirklich frei konvertierbar sein. Was sich ab sofort geändert hat, ist, daß Russen jetzt Kapital legal ausführen dürfen und die Politiker keine Kapitalflucht mehr fürchten brauchen." Laut Alexej Kudrin war im Jahr 2005 sogar erstmals die Kapitaleinfuhr größer als der Abfluß. Russen können Rubel nun mit an ihren Urlaubsort nehmen. Für Reisende aus dem Westen ändert sich im Grunde nichts. Zwar ist es möglich und erlaubt, russische Rubel einzuführen, jedoch ist die Beschaffung zu Hause umständlich, weil die Hausbank die Währung nicht führt und sie erst bestellen muß. Bis der russische Rubel im internationalen Abrechnungsverfahren eingebunden ist, wird es wohl noch lange dauern. |
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