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Die Wahl des 44jährigen Sauerländers Friedrich Merz an die Spitze der Berliner Unionsfraktion war kein Verlegenheitsergebnis. Schon nach der verlorenen Wahl von 1998 als die Union in Lethargie versank war es der Jurist Merz, der mit ersten Angriffen gegen die neue rot-grüne Regierung von sich reden machte. Dankbar wählte die geschrumpfte Fraktion ihren Helfer in der Not damals zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Rühe attestierte: "Der Friedrich Merz ist locker, intelligent und im richtigen Alter."
Vor allem Merz ist kommunikativ. Der in der Union nur selten vorkommende Typus des kommunikativen Politikers marschiert mit einer Selbstverständlichkeit ohnegleichen durch Fernsehsendungen, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes gemacht. Merz spielt mit den Erscheinungen der Mediengesellschaft, während viele seiner Fraktionskollegen nur Spielbälle für Redaktionen sind. Das macht den Unterschied aus. Zusammen mit dem Medien-Kanzler Schröder spielt Merz in der politischen Bundesliga.
Unumstritten war der Sauerländer nicht. Schon Anfang Januar, als sich die Zeichen des Endes der Ära Schäuble mehrten, stieß die Nennung des Namens Merz als potentieller Nachfolger sofort auf den Protest der CSU. Ein Fraktionsvorsitzender müsse die Abgeordneten aus 16 Ländern intregieren können, wurde verlangt. Wer der Fraktion vorsitze, müsse die Fähigkeit haben, ausgleichend zwischen den widerstrebenden Interessen der Partei wirken zu können. Das sollte heißen: Merz könne es nicht. Die Hintergründe des Mißtrauens lagen tiefer. Als finanzpolitischer Sprecher der Fraktion hatte Merz in den letzten Jahren der Regierung Kohl dem damaligen Finanzminister Waigel das politische Leben zur Hölle gemacht. Ohne daß Merz die Öffentlichkeit suchte, hatte er Waigel in Steuerthemen ständig in die Ecke gedrängt. Und auch nach dem Regierungswechsel sah CDU-Mann Merz die bayerische Schwester eher als politische Konkurrenz an.
Schließlich brachte CSU-Chef Stoiber die widerstrebende Landesgruppenführung der CSU wieder auf Merz-Kurs. Stoiber erkannte schnell, daß besonders die jüngeren Bundestagsabgeordneten seiner Partei die Wahl des Sauerländers befürworteten. Denn in grundsätzlichen Fragen steht Merz eher an der Seite der CSU als auf dem Geißler/Süssmuth-Flügel der CDU. Merz war einer der ersten Befürworter der Unionskampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Der katholische Politiker verheiratet, drei Kinder gehörte zu den Unionsabgeordneten, die den letzten Gesetzkompromiß zur Abtreibungsfrage ablehnten. Wer Merz kennt, weiß, daß er eigentlich ein konservativ eingestellter Mensch ist geprägt von seiner sauerländischen Heimat, wo die Wähler den Bach-Liebhaber und Klarinetten-Spieler 1998, als die CDU überall auf Talfahrt ging, immer noch mit über 50 Prozent als Direktkandidaten wählten.
Auch wenn Merz unruhig wirkt, neigt er nicht zu Temperamentsausbrüchen. So waren seine von Teilnehmern überlieferten Wutausbrüche gegen Altkanzler Kohl in einer Fraktionsvorstandssitzung wegen der Spendenaffäre kühl berechnet: Beim Oggersheimer war Merz schon zu Zeiten der Regentschaft in Ungnade gefallen. Denn zu offen und zu gradlinig hatte Merz seine finanzpolitischen Strategien betrieben und damit einen wichtigen Machtpfeiler des Systems Kohl, den Bayern Theo Waigel, nicht nur einmal in Gefahr gebracht. Als Merz merkte, daß die Ära Kohl zu Ende ging, fiel er über den Alt-Kanzler her. Damit bewies er die Eigenschaft des machtbewußten Schnelldenkers.
Mit seinem Gardemaß von 1,98 Metern und seiner glänzenden Rhetorik wird Merz die Krise der Union in seinem Arbeitsbereich vielleicht überwinden können. Merz beherrscht das Machtzentrum der Union, so daß an ihm bei allen künftigen Entscheidungen niemand mehr vorbeikommt. Auch kann Stoiber gegen Merz kein Kanzlerkandidat mehr werden. Hans-Georg Münster
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