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Das Potsdamer Stadtparlament hat beschlossen, die Garnisonkirche wiederzuerrichten. Die 88 Meter hohe Turmspitze soll künftig allerdings das Nagelkreuz von Coventry statt die historische Wetterfahne samt Preußenadler krönen. Ein anderes Abstimmungsergebnis war wegen der politischen Kräfteverhältnisse nicht zu erwarten.
Ende der siebziger Jahre, als die SED das Erbe Preußens für sich entdeckte, begannen selbst Parteifunktionäre hinter vorgehaltener Hand den Abriß zu bedauern. Doch ein breites Bürgerengagement , vergleichbar mit der Initiative zum Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, blieb nach 1989 aus. Mehr als jede andere Großstadt wurde Potsdam zu DDR-Zeiten von systemnahen Institutionen geprägt. Dieses Erbe wirkt nach.
Zum Glück hatte die Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glocken- spiel e.V. (TPG) finanzielle und materielle Fakten geschaffen. Der Verein war 1984 in Iserlohn von Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 271 mit dem Ziel gegründet worden, im Fall der Wiedervereinigung zum Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam beizutragen. Am 17. Juni 1987 übergab er das Glockenspiel mit seinen 40 Glocken in die Obhut der Bundeswehr.
Im Oktober 1990 verurteilte die frei gewählte Potsdamer Stadtverordnetenversammlung die 1968 erfolgte Sprengung der Kirchenruine und dankte der Traditionsgemeinschaft für ihre Bemühungen. Am 14. April 1991 wurde das Glockenspiel an Potsdam übergeben. Der damalige Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD) ermunterte die TPG, ihre Spendensammlung fortzusetzen. Auch Ministerpräsident Manfred Stolpe, der sich in der Rolle des aufgeklärten brandenburgischen Regenten gefällt, bekundete Sympathie. Finanzielle Unterstützung konnten aber weder das Land noch die Kommune, noch die Berlin-Brandenburgische Kirche anbieten.
Eine Drei-Millionen-Mark-Spende des Versandhausgründers Werner Otto im Jahr 2000 änderte die Lage schlagartig. Inzwischen hat die TPG die Hälfte der benötigten zehn Millionen Euro zusammen. Ein Architekturbüro erstellte für den Kirchenbau einen Gratis-Vorentwurf.
2001 wurde die gemeinnützige „Stiftung Preußisches Kulturerbe“ (SPK) gegründet, um die wiederhergestellte Garnisonkirche für den Fall, daß die Landeskirche mit ihr überfordert wäre, zu unterhalten. Die TPG kann ihr Vermögen der Stiftung jederzeit übertragen. Schirmherr wurde der brandenburgische Innenminister und CDU-Vorsitzende Jörg Schönbohm.
Doch auch die Gegner rühren sich. Für die einschlägige Szene aus Wehrdienstverweigerern und Langzeitstudenten und die PDS - die weitaus stärkste Partei in Potsdam - ist die Kirche ein Negativsymbol und Anlaß für einen Kulturkampf. Das Geld, so hieß es unter anderem, solle lieber für Freizeit- und Jugendprojekte ausgegeben werden. Der von der PDS geforderte Volksentscheid wurde von den anderen Parteien jedoch abgelehnt. Schließlich geht es um keine kommunalen Gelder, sondern um private Spenden.
Die PDS kann den Bau zwar nicht verhindern, aber der Diskussion die Richtung weisen. Ministerpräsident Stolpe ist notorisch konfliktscheu, und auch der populäre Oberbürgermeister Matthias Platzeck (SPD) versicherte pflichtschuldigst, der Turm solle eine Stätte des „anti-faschistischen Gedenkens“ werden.
Ende Oktober 2001 beschloß der Evangelische Kirchenkreis Potsdam, die Garnisonkirche als „offene City-Kirche“, also als Kirche ohne eigene Gemeinde, zu unterhalten. In dem Gebäude soll ein „internationales Versöhnungszentrum“ eingerichtet werden, das eng mit Coventry zusammenarbeitet. Diese „neuen Inhalte“ sollen durch das Nagelkreuz der Kathedrale von Coventry symbolisiert werden. Das Urbild dieses Kreuzes wurde aus drei großen, eisernen Nägel gebildet, die in den Ruinen des 1940 zerstörten Kirchengewölbes von Coventry gefunden wurden.
Für Aufbau und Nutzung des Turms wurde die Gründung einer Stiftung vorgeschlagen, an der die Stadt Potsdam, das Land Brandenburg und die Traditionsgemeinschaft sich beteiligen könnten. Die TPG besteht indes auf einem originalgetreuen Wiederaufbau, wie er auch in den Vereinsstatuten festgelegt ist. Darin ist weiter vorgesehen, daß die Kirche als Ort der christlichen Verkündigung und der Popularisierung preußischer Tugenden, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit, sozialer und demokratischer Umgang miteinander, dienen soll. Andernfalls würden die Spendengelder eingefroren. Jörg Schönbohm forderte den Verein Anfang 2002 auf, den Bau nicht an einem „symbolträchtigen Detail“ scheitern zu lassen. Auch die Potsdamer CDU hielt eine „geringfügige Abweichung“ vom Original für möglich. Sie übersehen, daß es den meisten Verfechtern der Nagelkreuz-Idee weniger um den Versöhnungsgedanken als um ein antifaschistisches Erziehungsprogramm geht. So oder so ist das Tauziehen um die endgültige Gestalt der Kirche noch nicht zu Ende.
Vom Krieg schwer gezeichnet, doch in der Substanz erhalten: So bot sich die Garnisonkirche den Potsdamern, bis die Kommunisten sie 1968 sprengten
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