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Die hessischen Wähler haben am Sonntag kurzatmigen Politologen, zahlengläubigen Demoskopen, "politisch korrekten" Journalisten und besserwissenden Politikern in SPD und CDU eine schmerzhafte Lektion erteilt:
den Politologen, die vom 27. September 1998 herleiteten, daß wegen angeblich struktureller Veränderungen in der Wählerschaft und eines neuen Lebensgefühls der jungen Generation die Republik für lange Zeit stramm nach links marschieren werde;
den Demoskopen, die im Glauben daran, daß aus den tagesaktuellen rotgrün-freundlichen Momentaufnahmen der Wählerstimmung auf einen Wahlsieg der Eichel-Koalition aus SPD und Grünen in Wiesbaden geschlossen werden könne;
den "politisch korrekte n" Meinungsmachern, die mit unkritischem Nachbeten solcher demoskopischen Vermutungen für einen rotgrünen Wahlsieg agitierten;
den besserwissenden SPD-Politikern, die blind einem hochwertigen Schröder-Bonus vertrauen
und schließlich jenen CDU-Politikern, die ihre hessischen Parteifreunde davor warnten, durch allzu forsche Konfrontation gegen Rotgrün die letzten gutwilligen CDU-Wähler zu verprellen.
Die Wähler haben ihnen allen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht weil Roland Koch, der Ministerpräsidentenkandidat der Union, ihnen die Möglichkeit zu einer klaren Entscheidung gab. Koch hörte nicht auf die anpasserischen Stimmen, sondern machte sich Stoibers klaren Kurs zu eigen. Und siehe da: Die politische Landschaft jedenfalls in Hessen sieht seit Sonntag völlig anders aus als am 27. September 1998.
Das kann doch wohl nur bedeuten: Die Wähler wollen sich nicht zwischen fahlen Schattierungen, sondern zwischen kräftigen Farben entscheiden. Sie wollen klare Alternativen und damit im Wahlkampf auch Konfrontation in der sachpolitischen Auseinandersetzung keine Nuancen-Spielchen.
Sicher spielte die katastrophale Bildungspolitik der Regierung Hans Eichel mit ihren zigtausendfach fehlenden Unterrichtsstunden eine Rolle im Wahlkampf und natürlich auch die nur von rotrünen Propagandaprofis gelobte 100-Tage-Bilanz der Regierung Schröder. Sicher, das alles waren Themen, über die man stritt. Auch. Entscheidend war aber die Frage nach der Bewahrung unserer nationalen Identität, die durch die Doppelpaß-Strategie ausgehöhlt zu werden droht.
"Politisch korrekte" Spitzenpolitiker der CDU empfahlen den Hessen, ja nicht ein so "sensibles Thema" in den Wahlkampf einzuführen. Also: das wirklich entscheidende Thema zu verschweigen. Koch scherte sich nicht um diesen Rat und führte seine Partei zu einem völlig unerwarteten Wahlsieg. Dieser hat die politische Landschaft verändert:
1. Rotgrün hat die Mehrheit im Bundesrat verloren. Damit sind SPD und Grüne in Fragen der Neuordnung des Staatsbürgerrechts, der Steuerreform und der Justizreform gezwungen, auf die Opposition zuzugehen, wenn ihre Gesetzesvorhaben nicht scheitern sollten. Lafontaine scheint dies im Gegensatz zu seinem Bundesgeschäftsführer Schreiner, der sich "nicht dem Druck der Straße" (sprich: dem Wählervotum) beugen will, erkannt zu haben.
2. Kochs Einsatz für die Bewahrung der nationalen Identität hat in einem geradezu sensationellen Maße die Wähler unter 30 und vor allem die Erstwähler für die Union mobilisiert. Seit Sonntag sind die Grünen nicht mehr die Partei der jungen Generation!
3. Auch wenn die SPD in Hessen ihre Regierungsmacht verloren hat, signalisierten die Wähler Schröder, daß er eine Chance hat, wenn er sich nicht von der Trittin-Truppe unter Druck setzen läßt. So paradox es auch klingen mag: Indirekt wurde Schröder innerhalb der rotgrünen Koalition gestärkt, denn den verheerenden Verlusten der Grünen stehen immerhin leichte SPD-Gewinne gegenüber.
4. Für die CDU schließlich ist die Lektion eindeutig: Nur mit einer klaren und prinzipientreuen Politik, die sich auch nationalen Interessen verpflichtet weiß, lassen sich Wählermehrheiten gewinnen, und diese sind eben nicht nur in der diffusen politischen Mitte angesiedelt. Wenn die Union wieder im Bund die Regierungsmacht zurückerobern will, muß sie sich an der CSU und der hessischen CDU orientieren oder sich endlich zu der Erkenntnis durchringen, daß sie einen Partner im Lager der demokratischen Rechten braucht. Mit einer FDP, die poli- tisch wackelt und geradeso an der Fünf-Prozent-Hürde entlang-schrammt, ist die Zukunft nicht zu gewinnen.
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