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Als Unglücksursache wird menschliches Versagen angenommen", hieß es in den Nachrichten über das Transrapid-Unglück auf der 1987 fertiggestellten Teststrecke im niedersächsischen Lathen. Die sich in sieben Meter Höhe auf Stelzen befindlichen Trümmer waren noch nicht weggeräumt, da waren die Schuldigen schon ausgeguckt, die den Tod von 23 Passagieren zu verantworten hatten: die beiden Männer in der Leitzentrale, die den Zug freigegeben hatten, obwohl der Werkstattwagen sie noch nicht verlassen hatte. Andere Antworten auf die Frage nach der Schuld könne es gar nicht geben, denn der Transrapid selber sei sicher, hieß es weiter von der Betreiber gesellschaft wie von Seiten der Politik.
Je länger die Untersuchungen des Unglücks andauern, um so offensichtlicher wird die Tatsache, daß es sich wirklich um "menschliches Versagen" gehandelt hat, die Hauptschuldigen dabei allerdings keineswegs in der niedersächsischen Leitzentrale saßen. Vom Fehlen eines technisch durchaus möglichen Sicherheitssystems war die Rede, gegen das sich die Geschäftsführung trotz mehrfacher Hinweise entschieden hatte, denn es handele sich ja nur um eine Teststrecke - die von Zehntausenden genutzt wurde. Doch auch hier sitzen nicht die wahren Schuldigen.
Der Transrapid beruht auf einer Technik, die schon in den 1930er Jahren erfunden wurde und in den 70er und 80er Jahren als die Technik der Zukunft galt - es aber nie wurde, da andere Systeme billiger und einfacher umsetzbar waren. Trotzdem wurden Milliarden Euro in Forschung, Teststrecke und Verkaufsförderung gesteckt. Die Vision durfte nicht sterben, und niemand wollte außerdem der Spielverderber sein, der dem prestigeträchtigen Projekt den Todesstoß versetzt, gleichzeitig wagte es aber auch keiner eine Trasse zu realisieren. Also wurde lieblos vor sich hingewurstelt, den Chinesen mit zahlreichen Extras die Strecke in Shanghai versüßt. Immer wieder wurden Fördertöpfe vom Bund gefunden, die das Überleben einer Industrie sicherten, die keiner haben wollte.
Die Teststrecke in Lathen hat zwar bewiesen, daß die schnellste kommerziell nutzbare Bahn der Welt fasziniert, aber auch die Mondladungen während es Kalten Krieges Ende der 60er und Anfang 70er Jahren faszinierten die Menschen und wurden trotzdem eingestellt, da sie nicht effektiv waren.
Doch nicht nur der Transrapid ist ein Beispiel dafür, daß Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik teilweise gemeinsam gegen jede Vernunft ein Projekt laufen lassen, sogar noch Geld investieren, obwohl absehbar ist, daß es zu nichts führt oder man es anders billiger haben könnte. Die Angst, zu viel Gegenwind zu verspüren, eine Lobby gegen sich aufzubringen und somit seiner Karriere zu schaden, ist zu groß.
Wer Führung übernimmt, sollte auch bereit sein, Entscheidungen zu treffen und mit den Konsequenzen zu leben. Wer gut argumentiert, sollte eigentlich schon von Beginn an dem Gegner den Wind aus den Segeln nehmen, doch Argumente zählen nicht.
Warum wird beispielsweise in Deutschland immer noch Steinkohle gefördert und mit Milliarden subventioniert, obwohl das Argument Beschäftigung schon aus dem Grund nicht zählt, daß mehr Geld in die Förderung fließt, als die Arbeitsplätze kosten? Warum reisen die Bundesministerien und -behörden immer noch zwischen Berlin und Bonn hin und her, warum soll der Bundesnachrichtendienst zwischen Berlin und Bayern aufgeteilt werden? Warum wird an Dingen festgehalten, obwohl sie überholt sind, warum hingegen Bewährtes über den Haufen geworfen, obwohl alle Argumente dafür sprechen?
Betrachtet man die Fehlentscheidungen in der deutschen Politik und Wirtschaft der letzten Jahre, so fragt sich der Laie, warum? Hört man die Debatte um die Gesundheitsreform, so möchte man sich die Haare raufen. Warum spricht keiner ein Machtwort? Warum sehen die Menschen an den Schalthebeln nicht, daß etwas schiefläuft - und kommen selber mit heiler Haut davon, während die kleinen Leute die Zeche zahlen müssen (Siemens-Handyproduktion).
Je größer der Machtbereich ist, desto weniger scheint sich das Führungspersonal für das langfristige Wohl und Wehe des großen und ganzen zu interessieren. So lange man selbst ein paar Jahre millionenschwere Managergehälter kassieren oder das prestigeträchtige Amt des Kanzlers inne haben kann, ist die Welt in Ordnung, danach kann man sich auf den Millionen und dem Prestige ausruhen. Macht um der Macht willen, heißt es schon seit Jahrzehnten. Je weniger mittelständische Familienunternehmen es gibt, die seit Generationen in einer Hand sind, desto geringer wird die Verbundenheit des Führungspersonals zu seinem Wirkungsbereich. Wer nicht für seinen Wirkungsbereich kämpft, weil dessen Erblühen Sinn und Zweck des eigenen Tuns ist, der hat auch keinen Grund, Entscheidungen zu treffen, die für einen selber unangenehm sind.
Wer zur Kostenreduzierung Personal entläßt oder die Mehrwertsteuer erhöht, muß zwar mit Kritik rechnen, nur kommt diese eben von den hinteren Rängen, die nicht auf dem gleichen Niveau spielen, wie man selbst. Wer seinen Managerkollegen die Gehälter kürzt oder seinen Abgeordneten die Diäten, darf mit stärkerem Gegenwind rechnen und läuft Gefahr, daß er von seinem Thron gefegt wird.
Und wer sind die Entscheidungsträger der letzten Jahrzehnte eigentlich? Es sind Menschen, die in den satten Jahren des "Wirtschaftswunders" ihren Beruf erlernt haben, Karriere gemacht haben, als die Zeiten einfacher waren. Gegen Tugenden wie Disziplin, Ausdauer, Zuverlässigkeit, Unbestechlichkeit, Mut, Aufrichtigkeit, Pflichtbewußtsein und Bescheidenheit wurde in ihrer Jugend gekämpft, doch auch wenn sie altmodisch und unbequem erscheinen, so haben sie doch ihren Sinn und Zweck.
Ohne soziale Kompetenzen geht nichts
Bei der Einstellung von Mitarbeitern sollte neben der rein fachlichen Qualifikation vor allem beim Führungspersonal auch auf andere Faktoren geachtet werden. Hierzu gehören sogenannte "soft skills", weiche Faktoren, die Eigenschaften wie Disziplin, Umgangsformen, Höflichkeit, Freundlichkeit, Motivation, sprachliche Kompetenz und Selbstständigkeit umfassen. Einige dieser gewünschten Fähigkeiten können nicht erlernt werden. Die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung ist nicht jedem gegeben. Wer Angst vor den Konsequenzen seiner eigenen Entscheidungen und möglichem Gegenwind hat, kann nicht die für seinen Betrieb beste Lösung fällen. Wer sich nicht gegen andere durchsetzen kann oder will, wird besagtem Gegenwind nicht standhalten. Fähigkeiten wie eine gute Rhetorik und ein adäquates Auftreten kann man zwar erlernen, doch zeigen zahlreiche Beispiele aus Politik und Wirtschaft, daß selbst eine Vielzahl an Schulungen keine fesselnden Redner formen kann.
Und wer seine Mitarbeiter nicht motivieren kann, kann sie nicht zu außergewöhnlichen Leistungen bringen, doch ohne jene ist ein Unternehmen nur Mittelmaß. |
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