|
Es kann schon mal ein bißchen schaukeln bei der Anreise mit dem Dampfer oder im Propellerflieger. Doch das kleine Opfer wird belohnt: Deutschlands einzige Hochseeinsel Helgoland ist in den Wintermonaten ein Erholungs-Geheimtip für Gestreßte. Ausgerechnet hier, wo in der Sommersaison jede Minute kostbar ist, wo Zeit Geld bedeutet für bis zu 8000 Tagesgäste, die schwarmartig einfallen und beim nur dreistündigen Aufenthalt möglichst viel und billig zoll- und steuerfrei einkaufen wollen - ausgerechnet hier scheint die Zeit jetzt stillzustehen.
Wer im Winter reif ist für die Insel, trifft mit dem roten Felsen in der Nordsee eine gute Wahl. Die Luft ist klar, schmeckt nach Salz, die Aerosole des Meeres entfalten ihre Wirkung - Erholung Marke Natur. Richtig kalt wird es hier nie, dank des warmen Golfstroms, der die Insel touchiert. "Schnee habe ich hier noch nie gesehen, und Frost ist eine Seltenheit", sagt Insel- und Bunker führer Jörg Andres vom Museumsverein. Er lebt seit 40 Jahren auf Helgoland.
Ihrem Ruf als Ausflugsziel mit 60er-Jahre-Charme wird die Insel schon lange nicht mehr gerecht - spätestens seit 1999 vor der Landungsbrücke das futuristische Design-Hotel "Atoll" errichtet wurde. "Es hat neue Maßstäbe gesetzt und Impulse gegeben", freut sich Helgolands Kurdirektor Christian Lackner (39). "Auch die anderen Hotels in der ersten Reihe sind jetzt nachgezogen, haben umgebaut, modernisiert, sich in der Ausstattung verfeinert. So erschließen wir ein ganz neues Gästesegment."
Die Zahl der Besucher-Ankünfte ist im Jahr 2006 zum wiederholten Mal gestiegen, um gut 5000 auf mehr als 430000. Das größte Pfund, mit dem die Insel im Winter wuchern kann, ist nach Lackners Worten aber "die Entdeckung der Langsamkeit". Keine Autos und Ampeln, kein Straßenlärm, keine Abgase, nur der Fahrstuhl zum Oberland und die kleine Fähre zur vorgelagerten Düne. "Für viele mag die Ruhe anfangs ungewöhnlich sein", sagt der Kurdirektor, "aber schon nach kurzer Zeit spürt man die Veränderung und genießt die stillen Tage mitten in der Nordsee." Die ortsbedingte Muße hat schon Dichter inspiriert. Der Helgoländer James Krüss schrieb hier "Weihnachten auf den Hummerklippen" und "Mein Urgroßvater und ich", Hoffmann von Fallersleben dichtete das Deutschlandlied.
Gleichwohl sollten auch Helgoland-Winterurlauber ein paar Dinge nicht versäumen. Dazu gehört ein Rundgang auf dem bestens abgesicherten Klippenrundweg mit Hochseepanorama - durch Kleingärten und über Schafweiden zur "Langen Anna", dem Turmfelsen und Wahrzeichen der Insel an der Nordwestspitze. Der Rundweg dient auch als Geschichtsmeile, wo die bewegte Historie der Insel erzählt wird. Auf Helgoland wurden im Zweiten Weltkrieg Bunker- und unterirdische Militäranlagen mit fast 14 Kilometern Länge geschaffen. Sie retteten der Bevölkerung bei der Bombardierung durch England am 18. und 19. April 1945 das Leben. 370 Meter der Bunkeranlage sind begehbar und zu besichtigen. Zweimal in der Woche bietet der Museumsverein Helgoland Führungen an: dienstags und sonnabends am Nachmittag.
Weniger beklemmend, statt dessen kurzweilig und erbaulich ist ein Besuch der Sanddüne, die mit der Fähre in weniger als zehn Minuten erreicht ist. Seit den 80er Jahren haben sich hier wieder Kegelrobben und Seehunde angesiedelt. An manchen Tagen liegen bis zu 350 Tiere am Strand und aalen sich in der Sonne.
Dem Feinschmecker hat Helgoland - wie sollte es anders sein - Maritimes zu bieten: Selten gewordene Delikatesse ist der fangfrische Hummer von den Hummerbänken der Hochseeinsel. Ihr Fang ist aus Artenschutzgründen reguliert, nur wenige hundert Kilo im Jahr gehen autorisierten Hummerfischern ins Netz. Aber es gibt noch andere Köstlichkeiten. Neben "Helgoländer Knieper", das sind die Scheren des Taschenkrebses, findet der Gourmet frischen Seefisch wie Seezunge, Scholle, Steinbeißer und Helgoländer Angeldorsch auf den Speis |
|