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Die etablierte Machtelite Bulgariens hat alles versucht, um die Rückkehr des früheren Königs Simeon II. ins politische Tagesgeschäft des Landes zu verhindern vergeblich.
Zuerst entschied das Verfassungsgericht am 8. Februar, den in der Bevölkerung beliebten Monarchen nicht als Bewerber für die diesjährigen Präsidentenwahlen zuzulassen. Dann folgte im April das vom Obersten Gerichts hof bestätigte Urteil des Sofioter Stadtgerichts, die "Nationale Bewegung für König Simeon II." nicht als Partei für die Parlamentswahlen am 17. Juni zu registrieren.
Als Begründung wurden angeblich unzureichende Registrierungsunterlagen genannt. Jedoch müssen Zweifel an der Redlichkeit des Urteils angemeldet werden, wenn man bedenkt, daß dasselbe Gericht in der Hauptstadt auch die Zulassung der von der größten Regierungspartei Union der Demokratischen Kräfte (SDS) abgespaltenen Konservativen Union verweigerte. Diese hatte zuvor ebenfalls Sympathien für den seit 1946 im Exil lebenden Simeon bekundet.
Dessen erst in diesem Jahr gegründete Parteienbewegung lag kurz vor ihrer Nichtzulassung in den meisten Meinungsumfragen an der Spitze. Platz zwei belegte die Mitte-Rechts-Koalition Vereingte Demokratische Kräfte (VDK), die 124 der 240 Sitze im Nationalparlament innehat, gefolgt von der exkommunistischen Sozialistischen Partei (BSP), die das Linksbündnis "Für Bulgarien" anführt.
Hier bahnte sich also die Entstehung einer dritten Kraft in der bulgarischen Politik an, die bisher ganz vom Gegensatz zwischen VDK und BSP geprägt war. Wen mag es da verwundern, daß die Nutznießer der Bipolarität diese aus Machterhaltungsgründen allzu gern bewahren wollen.
Doch die Freude des von Reibereien in seiner eigenen Partei SDS geschwächten Ministerpräsidenten Iwan Kostow über die für ihn gelegen kommenden Gerichtsurteile währte nur kurz. Da Simeon II. offenbar fest entschlossen ist, in der bulgarischen Politik fortan ein gewichtiges Wort mitzureden, geht er nun statt mit seiner eigenen Partei mit zwei schon länger bestehenden kleineren royalistischen Formationen in den Wahlkampf. Diesen eröffnet ihr neues Aushängeschild die Chance, nicht nur die in der gesamten Rechtsopposition und auch bei VDK-Anhängern zahlreichen Königstreuen zu vereinigen, sondern gleich alle Proteststimmen einzusammeln.
Unmut ist im heutigen Bulgarien reichlich vorhanden, denn das Land ist zwar innenpolitisch im Vergleich zu den Nachbarn Jugoslawien und Makedonien stabil und erlebt ein leichtes Wirtschaftswachstum. Doch die Massenarmut der Bevölkerung ist bedrückend und findet ihr alarmierendstes Zeugnis in den schätzungsweise 750 000 Menschen, die wegen der schwierigen Lebensverhältnisse seit 1992 die Heimat verließen.
Für besonders großen Ärger sorgten die vielen von den Regierungsparteien oder ihren Vorgängern verursachten Wirtschafts-, Privatisierungs- und Korruptionsaffären. Gerade in letzter Zeit erlebte Bulgarien eine Reihe von Pleiten großer Betriebe, bei denen die Mitschuld des Staates auf der Hand lag. Entweder wurden notwendige Umstrukturierungen verschleppt, oder man hatte unüberlegte Privatisierungsgeschäfte abgeschlossen. Die Folge sind Massenproteste und erbitterte Streiks.
Das wahrscheinlichste Szenario nach dem Urnengang am 17. Juni dürfte eine Koalition der bislang regierenden VDK (das Kabinett Kostow ist immerhin das erste in der Nachwendezeit, das eine ganze Legislaturperiode gehalten hat) mit den Königsparteien sein. Der am 16. Juni 1937 geborene Simeon II. könnte in ihr die Rolle spielen, die ihm Beobachter schon heute zuschreiben: nämlich als Integrationsfigur zu wirken, nicht nur parteipolitisch, sondern für alle Bulgaren.
In diesem Sinne ist wohl auch ein Kommentar des Präsidenten Petar Stojanow vom 24. April zu verstehen, der besagt, daß Bulgarien von einer Wahlteilnahme des Ex-Königs "profitieren" würde.
Daß ein von den Kommunisten verjagter, jahrzehntelang im Exil lebender König (Simeon II. hielt sich meist in Spanien auf) heute wieder eine große Rolle in der Politik seines Heimatlandes spielt, ist keine bulgarische Besonderheit.
Auch der ehemalige rumänische König Michael I., der (noch) als Schweizer Bürger in der eidgenössischen Emigration wohnt, findet zu Hause große Beachtung. Am 10. Mai machte der Minister für die öffentliche Verwaltung, Octavian Cozmanca, eine aufsehenerregende Ankündigung. Er teilte der Presse mit, daß man beabsichtige, dem früheren Monarchen seinen Elisabeth-Palast in Bukarest als Residenz zurückzugeben. Es handelt sich dabei ausgerechnet um jenen Palast, in dem Michael I. am 30. Dezember 1947 dem Druck der Kommunisten nachgab und auf den Thron verzichtete. Darüber hinaus soll der Ex-König ebenso wie alle einstigen Präsidenten eine monatliche Staatsrente zugebilligt bekommen, und zwar in halber Höhe der Bezüge des amtierenden Staatsoberhauptes.
Auch aus Jugoslawien gibt es interessante Neuigkeiten: Am 12. März überreichte in London Innenminister Zivkovic dem jugoslawischen Kronprinzen Aleksandar Karadjordjevic und dessen Familie feierlich die Dokumente über die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft. Diese hatte ihm die Tito-Regierung im Jahre 1947 mitsamt seiner Titel und Besitzungen weggenommen.
Im Südosten Europas brechen also "königliche Zeiten" an, ob mit positiven Folgen für die leidgeprüften Völker in dieser Wetterecke des Kontinents, bleibt abzuwarten.
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