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Die Zeichen der Zeit erkannt

 
     
 
Viele segensreiche Einrichtungen, die heute selbstverständlich sind, wurden vor 100 Jahren als etwas Besonderes bestaunt. So war es durchaus nicht selbstverständlich, körperbehinderte Menschen zu fördern, um ihnen zur wirtschaftlichen Selbständigkeit zu verhelfen. Ein Engagement, das durchaus notwendig war, sieht man die Zahlen aus jener Zeit: In Berlin lebten um die Wende zum 20. Jahrhundert etwa 3.500 und in Brandenburg rund 6.500 sogenannte "Krüppelkinder".

Der Arzt und Orthopäde Konrad Biesalski sah diese Mißstände und wollte sie beheben. In dem Industriellen-Ehepaar Oskar und Helene Pintsch fand er die Partner, die das notwendige Geld für solch ein Engagement zur Verfügung stellten. Sie riefen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, genauer gesagt am 27. November 1905, den "Krüppelkinder- Heil- und Fürsorge-Verein für Berlin-Brandenburg" ins Leben. Hauptziel des Vereins war es, jugendliche Behinderte
zu heilen und auszubilden. Aus diesem Verein wuchs schließlich in Berlin-Dahlem das "Oskar-Helene-Heim für Heilung und Erziehung gebrechlicher Kinder", das heute als Prototyp einer Rehabilitationsklinik gilt. Unter einem Dach wurden medizinische Behandlung, Schule und Berufsausbildung vereint. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich das Heim schließlich gar zu einer orthopädischen Klinik von Weltruf.

Während des Ersten Weltkriegs diente das "Oskar-Helene-Heim" als Lazarett, in dem eine Sonderabteilung für sogenannte "Ohnhänder" eingerichtet wurde. Dort entwickelte der Orthopädietechniker Fischer eine Kunsthand, die vielen Kriegsversehrten den Einstieg in eine neue Berufstätigkeit ermöglichte. In den 20er Jahren gehörte das Heim mit 300 Betten zu den größten Anstalten dieser Art in Deutschland. 1937 wurde die Einrichtung dann in die "Orthopädische Universitätsklinik der Charité und Schulungsanstalt für Körperbehinderte" umgewandelt. Einsparungen im Gesundheitswesen führten in unserer Zeit letztendlich dazu, daß die eigenständige orthopädische Klinik mit dem Behring-Krankenhaus und der Lungenklinik Heckeshorn zur Zentralklinik Emil von Behring fusionieren mußte.

Auch an dem neuen Standort widmet man sich nun eingehend dem Wohlergehen der Patienten. Diavorträge, Kunstausstellungen und Konzerte bieten den stationären Patienten viel Abwechslung; ein Angebot, von dem der Vater des Gedankens, der Orthopäde Konrad Biesalski, kaum gewagt hat zu träumen.

Geboren wurde Biesalski am 14. November 1868 im ostdeutschen Osterode. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Rastenburg und dem Abitur 1887 studierte er Medizin in Halle und Berlin, wo er zunächst Assistent an der chirurgischen Abteilung am Urban-Krankenhaus bei Professor Körte und später bei Professor Heubner an der Universitätskinderklinik der Charité wurde. Am Urban-Krankenhaus übernahm Biesalski dann die Leitung der orthopädischen Abteilung und der Röntgenstation.

Dem Ostdeutschland ist es zu verdanken, daß man sich systematisch um die körperbehinderten Kinder und Jugendlichen kümmerte. Bis 1910 entstanden 80 hilfreiche Einrichtungen, zuvor hatte man 100.000 Betroffene gezählt, für die jedoch nur 3.000 Behandlungsbetten zur Verfügung standen. Man begann, sich für die betroffenen Menschen zu interessieren. Weitaus mehr als 200 wissenschaftliche Arbeiten gingen aus dem Institut hervor, das Konrad Biesalski bis zu seinem Tod vor 75 Jahren am 28. Januar 1930 leitete.

Heute erinnert eine Straße in Berlin (Steglitz-Zehlendorf) an den großen Mediziner, der die Zeichen der Zeit erkannte und aus "Almosen-empfängern" Steuerzahler machen wollte. Ein alle zwei Jahre verliehener Preis der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. und der Familie Biesalski trägt seinen Namen und soll der Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses diesen. Die Auszeichnung wird für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Rehabilitation und der Biomechanik verliehen.
 
     
     
 
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