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Die ganze Wahrheit bitte: Bundeswehr benötigt ein ungeteiltes Bild deutscher Militärgeschichte

 
     
 
Die Frage nach der Verarbeitung und Vermittlung der jüngeren deutschen Geschichte hat stets zu Kontroversen geführt. Einerseits ist die deutsche Geschichte von zahlreichen Kriegen, Feldzügen und Schlachten geprägt, und dies nicht erst, seit Bismarck mit Blut und Eisen die zweite Reichsgründung herbeigeführt hat, sondern schon seit den Tagen, als Arminius die Römer besiegt
e und damit aus der Rückschau eine deutsche Identität in Europa begründete. Andererseits war die Glorifizierung des Krieges ein wichtiger Bestandteil von Hitlers Vorbereitungen zur Erlangung der Vorherrschaft in Europa. Nur so läßt sich erklären, daß alle Begriffe, in denen die Worte "Militär" oder "Wehr" vorkommen, in Deutschland unangenehme Gefühle zu erzeugen scheinen.

Seit die Bundeswehrführung die Bekämpfung des Rechtsradikalismus in der Truppe zum Hauptkriegsschauplatz erhoben hat, ohne klare Vorgaben zu machen, wie das zu geschenen oder zu definieren sei, was konkret unter rechtsextremistischen Erscheinungen zu verstehen ist, haben auch Symbole und Gegenstände, die mit dem Dritten Reich oder der Wehrmacht in Verbindung gebracht werden könnten, aus den Kasernen zu verschwinden. Daß dies das Ende der in fast jedem Kompanieblock befindlichen Traditionsecken bedeutet, in denen die Exponate unkommentiert zur Schau gestellt werden, ließe sich vielleicht noch nachvollziehen. Kritiker sehen in ihnen schon lange die nationalsozialistische Herrschaft verharmlost oder gar verherrlicht und führen sie als Zeugnis für mangelnde Distanz der Truppe zur Wehrmacht an.

Nun trifft dieser Bannstrahl aber auch den größten Teil der über 30 waffengattungsbezogenen historischen Lehrsammlungen und musealen Einrichtungen. Hier wird den Soldaten, vor allem den jungen Wehrpflichtigen, im Rahmen der politischen Bildung gewissermaßen Geschichte zum Anfassen vermittelt. Sie lernen die Geschichte ihrer Waffengattung kennen, erfahren etwas über die Veränderungen ihres Auftrages, der Einsatzgrundsätze und der Rahmenbedingungen militärischen Dienens sowie über die Entwicklung von Bekleidung, Waffen, Ausrüstung und Gerät – jeweils vergegenständlicht durch die Exponate. So sollen sie ihren eigenen Standort in der Geschichte definieren und eine eigene soldatische Identität entwickeln können.

Nun aber soll die Epoche von 1933 bis 1945 nur noch selektiv dargestellt werden dürfen. Uniformen ohne Hoheitsadler, zeitgenössische Dokumente und Fotos, auf denen Hakenkreuze geschwärzt sind, Symbole auf Ausstellungsstücken unkenntlich gemacht, Abbildungen von Soldaten der Wehrmacht entfernt …

Am liebsten würde man wohl die vollständige Entfernung der Exponate dieser Epoche sehen. Die Befürworter dieser Maßnahme argumentieren, daß die Zurschaustellung von Uniformen, Insignien und Waffen einer Armee, die sich zur vollständigen Eroberung Europas angeschickt und großes Leid über den Kontinent gebracht habe, eine Verharmlosung der nationalsozialistischen Epoche bedeute, junge Leute für die nationalsozialistische Ideologie interessieren oder militaristisches Gedankengut bei der jüngeren Generation fördern könne. Aus dem gleichen Grunde hätten sich "reine" Militärmuseen in der Bundesrepublik Deutschland kaum etablieren können.

Verschweigen aber führt zur Geschichtsfälschung und damit zur Verdummung der Soldaten. Auch negativ belegte Exponate und Symbole müssen gezeigt werden, denn sie sind Teil der Geschichte. Unabdingbar ist allerdings die Aufklärung darüber, was unter diesen Zeichen geschehen ist.

An dieser Stelle soll nicht einer wildwachsenden Traditionspflege das Wort geredet oder die schwierige Frage der Tradition überhaupt erörtert, sondern für eine sinnvolle und vollständige Geschichtsvermittlung eingetreten werden. Diese sollte den Soldaten, wie überhaupt jedem jungen Menschen, auch hinsichtlich der für das deutsche Erinnern unangenehmen Epochen vollständig, unverfälscht und frei von Zeitgeistströmungen nahegebracht werden. Wer dies bestreitet, übersieht, daß die selektive Geschichtsdarstellung verhindert, daß man aus der Geschichte lernt.

Das Verschweigen historischer Epochen oder Tatsachen kann das genaue Gegenteil von dem bewirken, was gewollt ist, nämlich die Verharmlosung oder Glorifizierung durch Unkenntnis oder Ignoranz. Durch die Manipulation oder das Entfernen von Exponaten erweckt man den Eindruck, es habe diese Dinge gar nicht gegeben. Dies wird dazu führen, daß die jungen Soldaten ihr Geschichtsbild von der nationalsozialistischen Herrschaft durch das Studium fragwürdiger Quellen vervollständigen oder eine historische Halbbildung mit auf den Weg bekommen.

Es wird auch übersehen, daß die wißbegierigeren Teile einer Jugend, die tagtäglich mit Debatten um Reemtsmas und Heers Wehrmachts-Ausstellung, Deserteure und rechtsextreme Vorfälle konfrontiert wird, ein solcherart verordnetes Geschichtsvakuum nicht akzeptieren wird. Lehrsammlungen und Museen können daher ein Mittel der demokratischen Erziehung sein, indem man den Soldaten ein realistisches Bild des Militärs und des Krieges vermittelt.

Heeresinspekteur Willmann, der seit Monaten durch die Lande reist, um die Bekämpfung des Rechtsradikalismus in der Bundeswehr voranzutreiben, will demnächst mit jungen Offizieranwärtern nach Israel reisen. Neben dem Aspekt der Völkerverständigung spielt sicher auch das Bestreben eine Rolle, den zukünftigen militärischen Führern beispielsweise durch einen Besuch in Yad Vashem die Gewalttaten des nationalsozialistischen Regimes in einer Form vor Augen zu halten, wie dies in Deutschland, trotz allen Bemühens, dieser Zeit zu gedenken, nicht möglich ist. Sicherlich wird die Reise dem General und seinen Fähnrichen in vielerlei Hinsicht Gewinn bringen. Sie werden sich auch ein Bild davon machen können, wie man in Israel den Wert militärischer Museen beurteilt.

Hier geht man mit der Geschichte des Landes, die auch von bewaffneten Konflikten gekennzeichnet ist, wesentlich offener um – auch mit den dunklen Aspekten. Die Museen und Lehrsammlungen in Israel haben einen Erziehungsauftrag, in dessen Rahmen sie nicht nur Geschichtskenntnisse, sondern auch die Bedeutung und den Wert militärischen Dienens vermitteln.

Sie zeigen die militärischen Realitäten, die dem Frieden und der Sicherheit ebenso dienen können wie dem Krieg und der Zerstörung. Beispielhaft sei hier das Panzermuseum im Ayalon Tal genannt, in dem neben über 200 weiteren Kampffahrzeugen auch vollständig erhaltene Weltkriegspanzer aus deutscher Produktion zu sehen sind. Auch sie sind ein wichtiger Beitrag zur Veranschaulichung der Bedeutung der Motorisierung in der Kriegführung und auch sie werden selbstverständlich und unvoreingenommen gezeigt. Gleichzeitig wird auch in würdiger Form der gefallenen israelischen Soldaten gedacht, ohne daß jemand daran Anstoß nehmen würde.

Gerade die Vermittlung der Realität des militärischen Dienstes und des Krieges hat heute für Deutschland eine besondere Bedeutung, seit die Bundeswehr in allen Teilen der Welt an friedenserhaltenden Maßnahmen teilnimmt. Indem man jungen Menschen in allen Staaten den Sinn der äußeren Sicherheit des eigenen Landes verständlich macht, die auf Demokratie, Toleranz und gegenseitigem Verständnis basiert, können zukünftige Konflikte verhindert werden. Nur wenn man ihnen die positiven und auch die negativen Aspekte der Militärgeschichte objektiv näherbringt, kann man sie zu Soldaten erziehen, die stolz darauf sind, in einer Armee zu dienen, die die Sicherung des Friedens, der Freiheit und der Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben hat.

Rechtsradikalismus und andere Formen des Extremismus dürfen in der Bundeswehr keinen Platz haben. Ihre Führung muß klare Vorgaben machen, strenge Dienstaufsicht üben und dagegen entschieden aber mit Augenmaß vorgehen. Gegenwärtig erweist sie der historischen Bildung in den Streitkräften dabei keinen guten Dienst.

 
     
     
 
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