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Wo gibt es mehr Pressefreiheit - in Deutschland oder in Rußland? Keine Frage, werden viele sagen. Wirklich keine Frage? Denn manches ist weitaus weniger eindeutig, als man gerne glauben möchte.
Gewiß, in Deutschland darf man über Rußland praktisch alles schreiben. Ebenso aber in Rußland über Deutschland. Auch über Dritte darf man in beiden Ländern so gut wie alles schreiben - mit ein paar kleinen Ausnahmen. Also Gleichstand? Unterschiede zeigen sich an dem, was man in Deutschland über Deutschland und in Rußland über Rußland schreiben darf: Die russische Führung ist bei Themen, die sie direkt betreffen, also bei der Gegenwart, wieder fast so empfindlich wie vor der Wende. In Deutschland hingegen darf man über lebende Politiker alles schreiben und riskiert höchstens eine Privatklage. Ist das Pressefreiheit - oder eher ein Indiz dafür, daß solche Politiker gar nicht die Führung sind?
Im Umgang mit der eigenen totalitaristischen Vergangenheit zeigen sich weitere Unterschiede: In Rußland wird man nicht einmal für eklatante Lügen und Geschichts fälschungen verfolgt. In Deutschland hingegen ist zu bestimmten Themen sogar Quellenkritik und naturwissenschaftliche Beweisführung verboten. Ein weiteres Indiz für obige Vermutung? Nicht zu vergessen die dialektischen Eiertänze, die bei Berichten über den Nahen Osten und über die "Ostküste" vollführt werden (müssen).
Das leitet über zum Vergleich Deutschland-USA: In den USA darf man alles drucken, was in Deutschland verboten ist - egal, ob unliebsame Wahrheiten oder glatte Lügen. Ist das Pressefreiheit? Oder soll nicht eher durch teils recht primitive Machwerke gleich auch die Wahrheit in Mißkredit gebracht werden? Und vielleicht dient es auch dazu, um über die Verteilerlisten an die "Szene" heranzukommen und Provokateure einzuschleusen.
Selbst wenn man in den USA alles drucken darf, ist die Pressefreiheit dort anderweitig eingeschränkt, und in Europa eifern wir munter nach: Verkümmernde Allgemeinbildung sorgt dafür, daß sich Leser nur für wenige Themen interessieren und das, was man ihnen vorsetzt, gar nicht beurteilen können. Sie sind manipulierbar.
Und Medien, selbst wenn sie gar nicht auf Manipulation aus sein sollten, machen mit. Denn die wichtigste Einnahmequelle, das Inserat, richtet sich nach der Auflagezahl und diese wieder danach, was für simple Gemüter "verdaulich" ist. Indirekte Zensur durch Schule und Marktwirtschaft! Wo gibt es eigentlich das höchste Maß an Pressefreiheit? Wenn man Pressefreiheit als die reale Möglichkeit definiert, relevante Informationen und Meinungen an die gewünschten Adressaten zu vermitteln, dann sind heute israelische Zeitungen zweifellos am besten dran: Niemand anderer darf derart uneingeschränkt kritisch über Israel, Zionismus und Judentum schreiben! Und über alles andere sowieso. Für das internationale Publikum sieht die Sache natürlich anders aus, denn wer kann die Sprachbarrieren überwinden?
Auch für Autoren ist es die größte Hürde, an Information heranzukommen. Primärinformation ist nur selten zugänglich, Agenturen und Korrespondenten aber liefern nur das, was ihre weitere Tätigkeit nicht beeinträchtigt. In Klartext: Sie beugen sich der Zensur, was heute insbesondere den Nahen Osten betrifft. Oder sie werden gar zu Werkzeugen gezielter Desinformation, wie sie seit dem 11. September von der US-Regierung betrieben wird, die damit ihren Glaubwürdigkeitsbonus aus dem Kalten Krieg aufzehrt, wenn nicht ins Gegenteil verkehrt. Eine wichtige Quelle von Sekundärinformation ist heute das Internet. Doch auch hier lauern Fallen: Erstens hindert einen gerade die Fülle an Information, das Wesentliche zu finden.
Zweitens ist der Wahrheitsgehalt keineswegs gewährleistet. Drittens tarnen sich Anbieter unter seriös klingenden Namen, in denen Wörter wie "Institut", "Archiv", "Dokumentation", "Forschung", "international" etc. vorkommen. Ein typisches Beispiel dafür ist das "Middle East Research Institute", welches kostenlos Übersetzungen von israelischen, iranischen und arabischen Zeitungsartikeln anbietet (www.memri.org). Aber auch wenn die Artikel tatsächlich erschienen und korrekt übersetzt sind, die Auswahl entpuppt sich als überaus parteiisch, wie der Vergleich mit anderen Diensten (etwa www. arabmedia.de) beweist. In Internet-Archiven kann man dann auch herausfinden, daß der Leiter des Instituts 20 Jahre lang beim israelischen Geheimdienst war ...
Physische Gewalt gegen unliebsame Autoren ist heute der Ausnahmefall. Viel häufiger wird Unbotmäßigen einfach die Existenzgrundlage genommen, und das wiederum spornt weltweit zu vorauseilendem Gehorsam an. Doch selbst der völlig unabhängige Schreiber ist nicht immer dagegen gefeit, unbewußt für Manipulationen mißbraucht zu werden - durch fragwürdige Informanten. Pressefreihei |
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