|
Das Thema Doping hat eine neue Aktualität dadurch gewonnen, daß die Telekom den derzeit wohl bekanntesten aktiven deutschen Radrennfahrer Jan Ullrich nicht bei der "Tour de France" hat starten lassen und dieses mit Dopingverdacht begründet hat. Die "Tour de France" ist heute ein Millionenunternehmen. An einer Kennziffer soll das deutlich gemacht werden. Bei der "Tour de France 2004" schütteten die Organisatoren insgesamt rund drei Millionen Euro an Preisgeldern aus, davon allein rund 400000 Euro für den Gesamtsieger. Obwohl die Preisgelder seit der ersten Tour im Jahre 1903, als insgesamt 20000 Francs ausgelobt wurden, immer weiter aufgestockt
worden sind, hat deren Bedeutung für die Tour im Laufe der Jahre eher abgenommen. Bei den erfolgreichsten Fahrern werden die Preisgelder nämlich in den Schatten gestellt durch die Zuwendungen ihrer Radsportteams. Hinzu kommen dann noch die Honorare aus Werbeverträge n. Und bei allen drei Einnahmequellen ist die Höhe zumindest indirekt vom Abschneiden bei der "Tour de France" abhängig. Die Frage "Sieg oder Niederlage" ist also bei weitem nicht nur eine Frage der Ehre, und entsprechend groß und unbedingt ist der Wille zum Sieg.
Völlig unabhängig von der Frage, ob Ullrich nun tatsächlich für die Jagd nach dem Sieg gedopt war oder nicht, läßt sich konstatieren, daß Doping ein Verstoß gegen die von den Veranstaltern des Wettkampfes aufgestellten Regeln ist und insofern regelwidrig. Wenn einer wissentlich gegen diese Regeln verstößt, ist das unsportlich, widerspricht dem Gebot des Fair Play und ist insoweit unmoralisch.
Nun hört man immer wieder die Klage, diese Brandmarkung würde nicht genügen. Es folgt der Ruf nach dem Staat, der ein solch unfaires Verhalten - wie in Frankreich oder Italien - strafrechtlich verfolgen müsse, da sich die Täter einen regelwidrigen, im Profisport geldwerten Vorteil verschafften.
Bevor man sich diese Forderung nach dem Staatsanwalt zueigen macht, sollte man sich allerdings über die Konsequenzen im Klaren sein. Vor der Tour de France fand die Fußballweltmeisterschaft statt, und so sei ein Beispiel aus dieser Sportart erlaubt. Wenn hier ein Foul erfolgt, geschieht es gemeinhin in der Absicht, sich einen regelwidrigen, im Profisport geldwerten Vorteil zu verschaffen. Soll das Foulen jetzt auch strafrechtlich verfolgt werden? Und wenn ein Spieler eine sogenannte Schwalbe macht, sprich vorgibt, gefoult worden zu sein, - soll er dann wegen Vortäuschung einer Straftat verfolgt werden? Und wenn eine gut eingespielte Mannschaft eine sogenannte Abseitsfalle zuschnappen läßt - erfüllt das dann den Straftatbestand einer Verleitung zu einer Straftat, weil das Stehen im Abseits verboten ist?
Und wie ist es bei der "Formel 1"? Dort werden ständig die Vorgaben hinsichtlich PS-Stärke, Turbolader, Verbrauch, Spoiler, Reifenprofil verändert in der Hoffnung, dadurch die Attraktivität für die Zuschauer und damit die Zuschauerzahlen zu erhöhen. Soll der Gesetzgeber in der Bundesrepublik Deutschland diese ganzen Regelmanipulationen dann so willfährig in Gesetzesänderungen nachvollziehen, wie er jetzt die Vorgaben von der EU nachvollzieht? Immerhin gilt die EU wenigstens - auch wenn sie es nicht ist - als demokratisch legitimiert, aber darf sich der Bundestag von Sportverbänden vorschreiben lassen, was er im Sport strafrechtlich zu verfolgen hat und was nicht? Oder soll die Legislative nun auch noch die Spielregeln der diversen Sportarten mit einer neuen Gesetzesflut festsetzen, wo wir doch jetzt schon in Paragraphen unterzugehen drohen? Und wenn alle diese Fragen geklärt sind, bleibt die Frage, wer dem Bürger draußen im Lande, sprich außerhalb der Spielstätten, erklärt, daß die Sicherheit auf den Straßen abnehmen muß, weil die Staatsanwälte und Polizisten dafür gebraucht werden, Spielverderber zu jagen, und die Richter, diese abzuurteilen.
Denn die Verfolgung von Dopingsündern ist aufwendig und teuer. So hat die "World Anti-Doping Agency" letztes Jahr 3,6 Millionen US-Dollar ausgegeben, und wir sehen an der Doping-Realität, daß das bei weitem nicht ausreicht. Wenn Doping oder überhaupt der Verstoß gegen Spielregeln zum Straftatbestand würde, blieben alle diese Kosten direkt beim Steuerzahler hängen, während die Organisatoren der Sportveranstaltungen die Einnahmen des Spitzensports einheimsten. In Ableitung des bekannten Stamokap-Vorwurfs "Gewinne privatisiert man, Verluste sozialisiert man" müßte es dann heißen: "Einnahmen privatisiert man, Ausgaben sozialisiert man."
Die Krux beim Doping ist, daß es häufig mit gesundheitlichen Nachteilen verbunden ist. Hier kommen wir zu einem ungleich ernsteren Argument für die staatliche Verfolgung des Dopings, denn im Gegensatz zu Spielregeln sowie deren Befolgung und Mißachtung ist die Gesundheit mit das Wichtigste, um nicht zu sagen: das Wichtigste, im Leben. "Gesundheit ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Gesundheit", sagt der Volksmund völlig zu Recht.
Nun gibt es allerdings Menschen, die sehen das anders, die sind bereit, für Erfolg im Beruf gesundheitliche Risiken einzugehen. Das sind bei weitem nicht nur Sportlerinnen und Sportler, die dopen. Das sind auch Schauspielerinnen, die sich Silikon in die Brüste implantieren lassen, um dadurch vermeintlich ihre Attraktivität zu erhöhen, oder Stuntmen. Selbstmord ist in unserem Staate verboten, doch wie ist es - wie sollte es mit der Schädigung der eigenen Gesundheit sein. Sollte man das Dopen verbieten, damit auch nicht Gedopte eine Chance haben? Sollte man Silikonbrüste verbieten, damit auch Frauen ohne Implantate eine Chance im Filmgeschäft haben? Darf der Mensch vor sich selber geschützt werden, oder ist das ein unzulässiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Individuums. Dieses ist eine ethisch wie politisch sehr schwere Grundsatzfrage. Nicht umsonst "eiert" die Bundesrepublik in dieser Frage, ist inkonsequent: Einige Drogen sind verboten, aber das Zigarettenrauchen ist erlaubt, obwohl es erwiesenermaßen gesundheitsschädlich ist. Darf man beziehungsweise der Staat den Menschen zu seinem Glück zwingen beziehungsweise ihm verbieten, seinem Glück beziehungsweise seiner Gesundheit zuwiderzuhandeln?
So schwierig diese Frage ist, so breit dürfte (und sollte) doch der Konsens sein, daß es strafrechtlich verfolgt gehört, Minderjährigen Dopingmittel zu verabreichen, sofern sie denn gesundheitsschädlich sind. Hier darf es kein Wenn und Aber geben. Niemand hat das Recht, eines Minderjährigen Gesundheit zu schaden (mit Ausnahme der Gefahrenabwehr, die hier nicht zur Diskussion steht). Daran ändert weder die Zustimmung des Betroffenen noch die seiner Eltern oder anderer Erziehungsberechtigter etwas. Doch bedarf es zu einem solchen staatlichen Verbot gesundheitsschädlichen Dopings bei Jugendlichen tatsächlich eines generellen staatlichen Verbots des Dopings, oder würde hier nicht eine strenge Auslegung und nötigenfalls auch Verschärfung des Straftatbestandes der Körperverletzung ausreichen? |
|