|
Selbst der Himmel weinte, als der am 21. November 1928 verstorbene Dramatiker und Schriftsteller Hermann Sudermann fünf Tage später auf dem Berliner Grunewaldfriedhof zur letzten Ruhe gebettet wurde. Zeitgenössische Beoachter berichteten von einer Fülle von Kränzen und Blumenspenden und einer großen Trauergemeinde, die in der kleinen Friedhofskapelle kaum Platz fand. Angehörige, Vertreter der Stadt und Kollegen erwiesen dem 1857 in Matzicken, Kreis Heydekrug, Geborenen die letzte Ehre. Der Sarg des Schriftstellers war von Memellandfahnen flankiert und trug als einzigen Schmuck einen Teerosenstrauß, den Gerhart Hauptmann gesandt hatte. Beleidsbekundungen zum Tode Sudermanns kamen sogar aus dem Ausland, so von der spanischen Regie- rung oder von der Direktion des Staatstheaters im bulgarischen Sofia sowie des königlichen Unterrichtsministeriums.
75 Jahre sind vergangen, da Hermann Sudermann diese Welt verlassen mußte. Was ist geblieben von ihm? Sucht man im Internet nach lieferbaren Titeln des Ostdeutschland, so wird man mit elf "Treffern" fündig. Wegen einiger Doppelnennungen sind es letztlich immerhin noch sieben Veröffentlichungen, die von Sudermann auf dem heutigen Buchmarkt zu finden sind: Das Bilderbuch meiner Jugend, Die Ehre, Johannisfeuer, Litauische Geschich- ten, Miks Bumbullis, Die Reise nach Tilsit, Stein unter Steinen; ferner Betrachtungen und Analysen von Werner Sulzgruber zu Hermann Sudermanns Schauspiel "Heimat". Nicht zu vergessen das von der Freundeskreis Ostdeutschland, Abteilung Kultur, herausgegebene Arbeitsheft Hermann Sudermann - Dramatiker und Erzähler von P. Lautner (76 Seiten, 2,25 Euro). Viel erfährt man dort über das Leben und vor allem über das Werk des Ostdeutschland, der auch im heutigen Litauen sehr geschätzt wird. So wurde 1991 in Silute/Matzicken zum Beispiel ein Sudermann-Museum eingerichtet und ein Jahr später eine Sudermann-Gesellschaft gegründet. Auch wurde das Sudermann-Denkmal in Heydekrug mit deutscher Hilfe wieder errichtet.
In der Bundesrepublik Deutschland bemühen sich die Hermann Sudermann Stiftung in Königswinter und ein Hermann Sudermann Fanclub um das Andenken an den Dichter. Neben dem Sudermann-Zimmer auf Schloß Blankensee und der unten erwähnten Ausstellung in Berlin ist auch eine Ausstellung zu Ehren des Dichters im Duisburger Museum Stadt Königsberg sehenswert. Bis zum 31. Dezember werden dort viele Erstschriften, Filmprogramme, Bilder, Schulbücher mit Beiträgen des Ostdeutschland von der Jahrhundertwende gezeigt (dienstags, mittwochs, donnerstags, sonnabends 10 bis 17 Uhr, freitags 10 bis 14 Uhr, sonntags 10 bis 18 Uhr).
Viel ist in den vergangenen Jahrzehnten geschrieben worden über das wechselvolle und auch tragische Leben Sudermanns, ist sein Werk von allen Seiten beleuchtet worden. Wie aber war der Mensch Hermann Sudermann? Beliebt beim Publikum, von der Kritik (allen voran von Alfred Kerr) zu Lebzeiten verhöhnt, stand der Dramatiker und Erzähler lange im Rampenlicht. Ludwig Goldstein in der Hartungschen Zeitung: "Sudermann litt furchtbar unter dieser Hetze ... litt umso mehr, als er sich von dem tiefen Fall nie mehr erholen konnte ... Und mir erschien es geradezu wunderbar, daß Sudermann, im Gegensatz zu anderen, zu minderen, bei allen Enttäuschungen den Kopf oben behielt und bei allem Spott und Hohn ruhig weiterschuf. Das hat er redlich getan bis zum letzten Atemzug ... Nein, er war kein verbitterter Menschenhasser geworden, er konnte vielmehr von Herzen gütig sein!" Und seine Tochter Hede Frentz-Sudermann schilderte vor 25 Jahren im einen weltgewandten Mann, der von vielen geschätzt wurde: "Zwar äußerst impulsiv, konnte er ebenso oft verschlossen sein und trotz seines gütigen und empfindsamen Wesens einen strengen, fast ablehnenden Eindruck machen. Sobald er sich aber seinen Freunden und Gleichgesinnten erst einmal erschlossen hatte, wurden sie überrascht von seiner Spontaneität und seinem sprühenden Geist, zumal er ein großer Erzähler war. Seine ungewöhnlichen Kenntnisse und ein ausgezeichnetes Gedächtnis ließen ihn selbst Gebiete überblicken, von denen man annehmen konnte, daß sie seinen Ideenkreis berührten. Ich erinnere mich mancher Begegnungen mit Albert Einstein und Walter Rathenau, denen mein Vater in der Tiefe und Vielseitigkeit seines Bildungsreichtums als Gesprächspartner durchaus gewachsen war."
Der Romancier, Dramatiker, Erzähler und Redakteur Fedor v. Zobeltitz (1857-1934) schrieb nach der Beerdigung in den Hamburger Nachrichten über seinen "Kollegen", der neben seiner schrift- stellerischen Tätigkeit auch ge- sellschaftspolitisch etwa in der Berliner Presse, im Goethebund oder im PEN-Club sehr aktiv war: "Nirgends war Sudermann nur ,Auch-Mitglied gewesen, immer hatte er mit zugegriffen. Er war kein Zeitgenosse, noch Zeitgenießer, sondern ein Zeitwender. Er faßte werktätig in die Speichen der Räder, neben denen sein Weg lief, und er brachte sie ein Stückchen vorwärts." - Ein Bild des Ostdeutschland, das man durchaus auch im Gedächtnis behalten sollte.
Hermann Sudermann:
Ausstellungen in Berlin und Duisburg ehren den großen Dramatiker und Erzähler, der beim Publikum sehr beliebt war
Hermann Sudermann ist am Nachmittag des Bußtages im Franziskus-Krankenhaus in Berlin gestorben. Sudermann hatte, wie erinnerlich, vor sieben Wochen einen Schlaganfall mit Darmlähmung erlitten und hatte sich nach Berlin überführen lassen. In den letzten Tagen ist eine Lungenentzündung hinzugekommen. Er war seit 24 Stunden bewußtlos und ist am Mittwoch nachmittag 17.15 Uhr gestorben. Ueber die Beisetzung ist noch nichts bekannt geworden. Sudermanns Krankheit setzte vor sechs Wochen ein, nachdem er bereits vor mehreren Jahren eine schwere Attacke überstanden hatte ...
Königsberger Hartungsche Zeitung vom 22. November 1928 |
|