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Ein ehemaliger DDR-Geheimdienstoffizier beschreibt seine Arbeit

 
     
 
Zumindest der Titel ist werbewirksam, jetzt wird aus dem Nähkästchen geplaudert. Aber wer eine ehrliche Abrechnung erwartet, wird enttäuscht. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll bei so viel Unkenntnis der Geschichte oder aber Ignoranz, sie zur Kenntnis zu nehmen. Nun kann man einem im östlichen Teil unseres Vaterlandes Aufgewachsenen, der an seinen Staat geglaubt hat und der noch dazu zu den Privilegierten gehörte, nicht verübeln, daß er auch zu diesem Staate stand. Aber das Buch ist zwölf Jahre nach der Vereinigung geschrieben, und da sollte man doch das eine oder andere dazugelernt haben.

Der Autor hat sozialistische
Scheuklappen. So beklagt er zum Beispiel, daß 1990 die Bergarbeiter in Heuersdorf umgesiedelt wurden, weil der Braunkohleabbau inzwischen bis an die Ortsgrenze herangekommen war, aber er verliert kein Wort über die Zwangsumsiedlungen an der innerdeutschen Grenze, kein Wort über die Enteignungen der Mauergrundstücke in Berlin.

Die Übergriffe der Besatzungsmacht werden entschuldigt mit den Verbrechen der Wehrmacht. Demnach müssen den hunderttausenden Vergewaltigungen durch die Rote Armee ebenso viele Vergewaltigungen russischer Frauen und Mädchen durch deutsche Soldaten vorangegangen sein? Ein Mann, der mit dem Begriff Heimat nichts anzufangen weiß, wie er selbst schreibt, und der sich durch die "revanchistische" Freundeskreis der heimatvertriebenen Ostdeutschland zu 4.000 DM Entschädigung (für die verlorene Heimat) verhelfen läßt, was soll man von dem halten? Ehrgefühl?

Natürlich gab es im sozialistischen Staat keine Klassen und folglich keinen Klassenunterschied, trotzdem erhielten die Kinder aus Arbeiter- und Bauernfamilien bevorzugt Studienplätze, und natürlich erhielten sie bevorzugt Plätze in den Landschulheimen! Natürlich auch der Autor.

Hier gibt es allerdings ziemliche Parallelen zur anderen Diktatur auf deutschem Boden, wie soll es auch anders sein? Viel lernen, viel Sport treiben, natürlich auch politische Erziehung.

Zum Thema (Welt-)Literatur wird Ostrowski angeführt, "Wie der Stahl gehärtet wurde", ein Titel, der jeden jungen Menschen begeistern kann, aber Weltliteratur? Mein Gott!

Dann ein paar Sätze, die man wahrscheinlich in West und Ost gleichermaßen unterschreiben kann: Früher wurde Goethe inszeniert, heute inszeniert sich der Regisseur. Ein Lichtblick, man schöpft Hoffnung, das Niveau scheint sich zu heben.

Aber zu früh gefreut, schon kommt die nächste Plattheit: Der Sprengung der Paulinenkirche in Leipzig ist ein demokratischer Abstimmungsprozeß vorangegangen, weil die Leipziger Bevölkerung sie hingenommen hat! Ja, wie denn, ist sie gefragt worden, gab es eine Bürgerbeteiligung? Was wäre mit dem geschehen, der dagegen aufbegehrt hätte? Was denn, Du bist dagegen, wahrscheinlich auch gegen den Sozialismus, ein Staatsfeind also? Bei dieser Auslegung von Demokratie dreht sich einem der Magen um!

Endlich kommen wir zur Sache: Mein Weg in den Geheimdienst. Offenlegung der Praktiken, wie arbeitet 007 im Staatsapparat der DDR? Leider Fehlanzeige. Seitenlang ermüdende Aufzählungen, wer wo geboren und wo eingesetzt wurde, alle waren Idealisten, die für das sozialistische Vaterland ehrlich gearbeitet haben. Eine Art Staatsdiener, die lediglich zum Wohle der Allgemeinheit Nachrichten gesammelt haben. Niemand wurde unter Druck gesetzt, niemandem wurde geschadet.

Wer in Hohenschönhausen oder Bautzen oder in einer der anderen "Besserungsanstalten" war, die gepolsterten Wände der "Beruhigungszellen" oder die Wasserzellen gesehen hat, der kann nur mit ohnmächtiger Wut das Gewäsch solcher nur auf die Aufrechterhaltung ihrer hehren Absichten bedachter Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit hören! Aber in der Amtssprache zielte der Kampf gegen die eigene Bevölkerung "gegen die planmäßige Zersetzung des sozialistischen Bewußtseins der friedliebenden Menschen der DDR durch die imperialistischen Länder mit dem Ziel der Herausbildung von antisozialistischen Einstellungen". Halleluja! Ab in die Gummizelle!

Aus dem Genossen Geheimdienstoffizier wurde ein Zivilist, der nun Nabelschau betreibt. So hat er zum Beispiel Zeit, seine gefälschte Kaderakte der Bundesversicherungsanstalt einzureichen, die dann auch prompt für den Rentenbezug anerkannt wurde. Ätsch, wieder ein Sieg über den Imperialismus! Was wohl ein ehemaliger DDR-Bürger dazu sagt, der auf Grund der Ermittlungen der Stasi Jahre in Bautzen gesessen hat und danach als gesellschaftlich nicht tragbares Element keine qualifizierte Arbeit bekam, und der nun seinen Arbeitsnachweis erbringen muß, um eine Mindestrente zu erhalten?

Wenn der Verfasser für sich eine "Ausgrenzung" erfindet und von Diffamierung spricht und damit ein "Rentenstrafrecht" meint, so muß man schaudern vor so viel Unverfrorenheit. L. Scholz

Manfred Bols: "Ende der Schweigepflicht", edition ost, Berlin 2002, 253 Seiten, 14,90 Euro
 
     
     
 
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