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Engagierte Reflexion

 
     
 
Wenn der Historiker Ernst Nolte ein Buch verfaßt, dann hagelt es Kritiken. Nolte, der Urheber des berühmtberüchtigten Historikerstreits von 1986/87, erklärte seinerzeit den Holocaust - stark verkürzt - als "aus Angst geborene Revolution".

Nolte, dessen These von weiteren Wissenschaftlern gestützt wurde, beging damit aus Sicht von Jürgen Habermas und seinen Jüngern ein politisches Sakrileg. Nolte habe, so Habermas, den Holocaust zur "technischen Innovation
" reduziert und ihn als Folge der asiatischen Bedrohung vor deutschen Toren deklariert.

Ein Disput, der heute noch heftig nachhallt, denn Nolte hatte versucht, das Unerklärliche zu erklären. Historisierung nennt man so etwas, eine klassische Aufgabe der Geschichtswissenschaft.

Mit seinem Buch "Die Weimarer Republik - Demokratie zwischen Lenin und Hitler" hat Nolte uns jetzt seine Antwort auf die Frage vorgelegt, weshalb die Weimarer Republik untergegangen ist. Am 11. Januar 1923 marschierten französische und belgische Truppen ins Ruhrgebiet. Damit begann der Abbau der Industrie. Nolte, der selbst an diesem Tag geboren ist, spricht von einem "Kalten Verdun", von dem angestrebten wirtschaftlichen Ausbluten des Gegners. Für Nolte ist dieser Tag der Höhepunkt aller Voraussetzungen für die Radikalisierung zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten.

Es beginnen die Demonstrationen, der "passive Widerstand" und Sabotageakte. Es ist die Zeit des Albert Leo Schlageter. Seine Hinrichtung durch die Franzosen wirkt auf die Deutschen wie ein Schock. Die existenzgefährdende Bedrohung der Nation trat offen zutage. 1923 wurde zum Jahr der Inflation und der kommunistischen Aufstände. Konjunktur hatten Spekulanten, "Schieberlokale", Tanzclubs, aber auch der Aufstieg der Frau in der Gesellschaft.

Der aberwitzige Abstieg der Reichsmark - im Januar 1923 kostete der US-Dollar 7500 RM und zehn Monate später 4,2 Billionen RM - spülte alle Formen von Nachtschattengewächsen, die "Raffkes" an die Oberfläche. Im Rheinland macht sich der Separatismus breit, in München schießt Hitler an die Decke eines Münchner Bierkellers, während man in Berlin um die Stabilisierung der Währung kämpft. Der Historiker Nolte nennt die Inflation etwas gewagt selbst "eine "Art Revolution".

Was kommt, ist bekannte Geschichte. Aber: Nolte bietet neben der historischen Darstellung eine "Engagierte Reflexion" an, die ein Drittel des Buches ausmacht und die das Interesse der Zeitzeugen des Historikerstreits finden wird. Er analysiert die geistigen Faktoren des Zusammenbruchs: die Frage nach der Kriegsschuld und die Strömungen in der Linken, der Rechten und der politischen Mitte, die selbst keine Blöcke, sondern auch ineinander verschwommene Strömungen darstellten.

In dieser Reflexion tritt der Philosoph Nolte, der einst bei Martin Heidegger studierte, auf die Bühne.

"Die Weimarer Republik" liest sich spannend. Auf der Suche nach der objektiven Wahrheit hält sich Nolte wohltuend - anders als ideologisierende Historiker - an seinen Grundsatz der Historisierung. G. Langer

Ernst Nolte: "Die Weimarer Republik", 274 Seiten, Herbig Verlag 2006, 29,90 Euro 5642
 
     
     
 
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