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Es gibt kein Patentrezept

 
     
 
Ein Hauptproblem nicht nur der deutschen, sondern der meisten europäischen Ge-sellschaften ist die Arbeitslosigkeit. Auch geht es bei der Bekämpfung dieses Phänomens darum, welches die richtigen Strategien sind, die Erfolge versprechen. Das „Institut zur Zukunft der Arbeit“ (IZA) hat jetzt ein Diskussions-Papier vorgel
egt, welches die unterschiedlichen Ansätze in der Arbeitsmarktpolitik untersucht (W. Eichhorst / R. Konte-Seidl: The Interaction of Labor Market Regulation and Labor Market Policies in Welfare State Reform, IZA Discussion Paper No. 1718). Das Ergebnis: Es gibt kein Patentrezept für eine Senkung der Arbeitslosigkeit. Die europäischen Staaten gehen unterschiedliche Wege. Allerdings hat man den Eindruck, daß Deutschland sehr stark vom richtigen Weg abgekommen ist.

Kündigungsschutz, Arbeitslosenunterstützung und aktive Arbeitsmarktpolitik seien janus-köpfige Institutionen des Arbeitsmarktes, so ein Resultat der Studie.

Zum einen stellten sie Sicherungsmechanismen gegen Risiken des Arbeitsmarktes dar, zum anderen beeinflußten sie aber auch die Anpassungsfähigkeit von Arbeitsmärkten an sich verändernde ökonomische Gegebenheiten. Und daher könnten sich diese staatlichen Maßnahmen fatal auswirken: „Je höher die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes, desto geringer das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit.“ Der IZA-Ländervergleich zeigt, daß liberale Wohlfahrtsstaaten wie Großbritannien neben einem geringen Kündigungsschutz auch ein geringes Maß an Arbeitslosenunterstützung und aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen aufweisen. Die Schweiz hingegen lasse sich als ein „hybrides System“ klassifizieren, da dort bei ebenfalls geringem Kündigungsschutz sowohl die Arbeitslosenunterstützung als auch die aktive Arbeitsmarktpolitik wesentlich großzügiger ausgestaltet sind. Trotzdem hat die Schweiz im Vergleich zu Deutschland eine viel niedrigere Arbeitslosenquote, obwohl die eidgenössische Wirtschaft in den vergangenen Jahren kaum gewachsen ist.

Zu den konservativen Wohlfahrtsstaaten in Kontinentaleuropa gehören Deutschland und die Niederlande, und hier existieren strenge Kündigungsschutzregelungen, wobei gleichzeitig auch beachtliche Ressourcen in die aktive und passive Arbeitsmarktpolitik investiert werden. „Hingegen zeichnen sich mediterrane Wohlfahrtsstaaten wie etwa Spanien durch einen strikten Kündigungsschutz aus, der mit geringer Arbeitslosenunterstützung und einer nur rudimentären Arbeitsmarktpolitik einhergeht“, stellen die Verfasser fest. Insbesondere der Kündigungsschutz wird in Deutschland ideologisch überhöht. Gewerkschaften und ihre politischen Sympathisanten wehren sich entschieden gegen eine weitere Flexibilisierung des deutschen Kündigungsschutzes. Nach Einschätzung von Wirtschaftsexperten wird das, was eigentlich als Schutz vor Arbeitslosigkeit gemeint ist, immer mehr zu einer Einstellungsbremse. „Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut“, sagt Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash. Nadolski berichtet über ein Beispiel aus seiner eigenen Berufspraxis: „Vor kurzem wollte ich einen alten Kollegen aktivieren, den ich gern in einem bestimmten Projekt be-schäftigen wollte. Der Mann ist vor drei Jahren arbeitslos geworden, mit 57, der kriegt keinen Job mehr. Können Sie vergessen, der ist gut, aber er kriegt trotzdem keinen Job mehr. Jetzt hat der Vorruhestand eingereicht. Als ich ihn vor kurzem anrief – ungefähr drei Wochen, bevor er in den Vorruhestand gehen wollte – und sagte, daß ich ihn für dieses Projekt haben wolle, war das Ergebnis negativ. Der Mann hätte seine Rente aufbessern können. Doch leider geht das nicht in Deutschland. Wenn Sie als Mann zwischen dem 60. und dem 65. Lebensjahr in den Vorruhestand gehen, haben Sie eine Zuverdienstgrenze von 340 Euro. Und wenn Sie einmal im Vorruhestand sind, dann kommen Sie auch nicht mehr raus. Das kann doch nicht sein!“

Dieser Einzelfall belegt, daß generell eine restriktive Regulierung die Mobilität auf den Arbeitsmärkten und damit die Anpassungsfähigkeit insbesondere mit Blick auf den Strukturwandel hemmt.

Ähnlich unerwünschte Folgen habe ein großzügiges Sicherungssystem bei der Arbeitslosenunterstützung, so die Fachleute vom IZA. Eine üppige Arbeitslosenversicherung stelle eine „Arbeitssuchsubvention“ zur Verfügung, mit deren Hilfe es qualifizierten Arbeitssuchenden möglich sei, auf Beschäftigungsangebote zu warten, die ihrem persönlichen Profil besser entsprechen als Angebote, die sie aus rein finanzieller Not heraus sofort annehmen müßten. So kann die Dauer der Arbeitslosigkeit erhöht werden, da der Druck, eine neuen Stelle zu suchen, um so geringer ist, je länger und großzügiger diese Unterstützungsleistungen ausgestattet sind.

Nach Lektüre des IZA-Dossiers entsteht der Eindruck, daß es gar nicht darauf ankommt, an welcher einzelnen Schraube gedreht wird, um den Arbeitsmarkt flott zu machen. Es geht darum, Reformen aus einem Guß auf den Weg zu bringen, die in sich stimmig sind und nicht nur aus lauter Einzelmaßnahmen bestehen, die sich im schlimmsten Fall noch selbst neutralisieren. Und hier sieht es für Deutschland aus institutionellen Gründen nicht so gut aus: „Regierungen gelten dabei als schwächer, wenn institutionelle Hindernisse wie zweite Parlamentskammern in föderalen Systemen, Tarifautonomie oder Selbstverwaltung in den Sozialsystemen die Handlungsfähigkeit der Regierung beschränken. Wird zusätzlich die Handlungskompetenz in zentralen Bereichen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik mit den Sozialpartnern geteilt, kann eine Regierung positive Komplementaritäten nur durch Abstimmung der Reformen mit Arbeitgeberverbänden und Ge-werkschaften mobilisieren.“

Als Fazit halten die Verfasser fest, daß die Anpassungsfähigkeit von Arbeitsmärkten sowohl von gelockerter Regulierung beim Kündigungsschutz und flexiblen Beschäftigungsformen als auch von der Einführung aktivierender Elemente der Arbeitsmarktpolitik begünstigt würden. Ein hohes Maß an Arbeitslosenunterstützung müsse keineswegs unvereinbar sein mit der Senkung der Arbeitslosigkeit. Doch während Großbritannien, Dänemark und die Schweiz mit unterschiedlichem Vorgehen vergleichsweise anpassungsfähige Arbeitsmärkte erreicht haben, stehen die kontinental- und südeuropäischen Ländern noch immer vor erheblichen Reformanstrengungen.

Deutschland scheint vom richtigen Weg abgekommen zu sein

Druck, eine neue Stelle anzunehmen, ist zu gering
 
     
     
 
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