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Am Sonntag, dem 30. November war es soweit, der seit 1992 ununterbrochen regierende Vorsitzende der Bürgerlich-demokratischen Partei (ODS) Vaclav Klaus ist übrigens erst nach einer Havelschen Intervention mit gesamter Regierung zurückgetreten. Dieser Schritt ist der vorläufige Gipfel einer ganzen Reihe von Rücktritten und Skandalen, welche die stärkste Regierungspartei den ganzen Herbst verfolgt haben. Zunächst trat der langjährige Klaus-Gefährte und Mitbegründer der ODS, der Außenminister Zieleniec zurück. Begründet hat er seinen Schritt mit Unstimmigkeiten in der Parteifinanzierung, in Wirklichkeit unterlag er im Parteistreit dem Vorsitzenden Klaus und wollte sich eine strategisch bessere Position für die Zukunft sichern. Ihm folgte aus familiären Gründen der Innenminister Ruml, dessen jetziges Engagement im Aufstand gegen Klaus doch andere Gründe vermuten läßt. Man sollte nicht vergessen, daß Ruml 1990 eine sehr zwielichtige Rolle bei dem politischen Rufmord am zweiten Parlamentspräsidenten Bartonc?ik spielte.
Alle tschechischen Parteien, mit Ausnahme der Kommunisten, die auf satte Rücklagen aus der Vorwendezeit zurückgreifen können, haben Probleme mit der Finanzierung. Die Mitgliederzahlen sind gering und die Beiträge reichen nicht aus. Der staatliche Zuschuß für die Wahlbeteiligung hält sich in Grenzen. So müssen Sponsoren gesucht werden. Bereits vor den Parlamentswahlen im Frühling 1996 wurde aufgedeckt, daß die Steuererklärung der ODS Ungereimtheiten enthält. Zwei Geldgeber, die insgesamt sieben Millionen Kronen (360 Tausend DM) gespendet haben sollten, erwiesen sich als nicht existent. Die Affäre wurde aber vorläufig unter den Teppich gekehrt, nur der für die Finanzierung zuständige Parteigeschäftsführer Novak mußte zurücktreten. Die halbvergessene Affäre loderte aber weiter und wurde anderthalb Jahre später von den Rivalen des Vorsitzenden Klaus für seinen Sturz instrumentalisiert. Die umstrittenen Summen wuchsen mittlerweile in "sagenhafte" Größen an, man spricht von über 170 Millionen Kronen (acht Millionen DM), die auf einem geheimen Konto in der Schweiz deponiert sein sollen alles Provisionen von ausländischen Firmen, die sich an der Privatisierung beteiligt haben. Die Parteiführung versuchte alle Beschuldigungen zu entkräften, der Abwehrkampf war aber schwach und von innerer Zerrissenheit gekennzeichnet. Während der Abwesenheit des Partei- und Regierungschefs Klaus explodierte der interne Streit. Der stellvertretende Parteivorsitzende und Finanzminister Pilip und der ehemalige Innenminister Ruml wandten sich öffentlich mit einem Rücktrittaufruf an den abwesenden Klaus.
Erst der am 15. Dezember tagende außerordentliche Kongreß der ODS wird die Klarheit über die Mehrheitsverhältnisse in der Partei schaffen. Václav Klaus hat den Kampf angenommen und wird versuchen, die Partei an seine Seite zu reißen. Ihm geht es nicht nur um den persönlichen Ruf, sondern auch um den Ruf der gesamten tschechischen Privatisierung, die dem Vorwurf eines breit angelegten Betruges ausgesetzt ist.
Die persönliche Dramatik des politischen Kampfes in Prag kann darüber nicht hinwegtäuschen, daß der eigentliche Grund des Machtkampfes die sich unaufhaltsam verschlechternde wirtschaftliche Lage ist. Die Produktion sinkt, der Außenhandel will nicht anspringen, ausländische Investoren beklagen sich über undurchsichtige Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt, die Kaufkraft der Bevölkerung bröckelt ab. Die unrentable Überbeschäftigung in halbstaatlichen Großbetrieben dauert an. Wichtige Entscheidungen, wie die Privatisierung der Großbanken stehen unmittelbar bevor. Der jetzige Kampf wird ums politische Überleben geführt, dem jemand geopfert werden muß. Letztendlich kommt es zu vorgezogenen Parlamentswahlen, aus welchen die Sozialdemokraten als stärkste Partei hervorgehen werden. Das rechte Spektrum wird für lange Zeit dezimiert bleiben und das Musterkind unter den Reformländern wird sich an mehr politische Unsicherheit gewöhnen müssen. Die Kenner der alten böhmischen Witze sind aber nicht überrascht, schließlich geht es nur darum, ob Kohn oder Roubitschek regiert.
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