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Sie sollte der Durchbruch für den "Aufbau Ost" in Brandenburg werden: Die Chipfabrik in Frankfurt an der Oder. Es ging um 1.000 Arbeitsplätze - bei einer Arbeitslosigkeit von über 20 Prozent ein enormer Wert an sich - und um noch viel mehr: Die Abwanderung sollte gestoppt und der Nachweis geführt werden, daß auch der Rand der Republik in der Lage ist, aus eigener Initiative eine kreative, moderne Industrie aufzubauen - endlich einmal eine Erfolgsgeschichte.
Es war ein 1,5-Milliarden -Projekt, die Hauptinvestoren kamen aus dem Emirat Dubai. Es sollte ein Geschäft auf Gegenseitigkeit sein. Die Scheichs stellten das Geld, die Deutschen das Wissen, die Mitarbeiter, die Infrastruktur, die Immobilie. Land und Bund sollten hilfreich zur Seite stehen: Hier eine Bürgschaft, dort ein Zuschuß - so weit, so blauäugig. Bald schon wurden die Zweifel an den Marktchancen indes immer lauter. Mit verzweifeltem Trotz hatte die Stadt noch im Herbst 2003 Richtfest gefeiert. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) war angereist und verbreitete Zweckoptimismus. Über der Veranstaltung aber lag ein böses Omen: Das Sektglas zerschellte nicht, als es in der Baugrube aufschlug. Monate später weigerte sich der Bund, eine Bürgschaft von mehreren 100 Millionen zu übernehmen - wegen unklarer Erfolgsaussichten. Daraufhin sagten die Scheichs das Projekt ab.
Allein dem Land Brandenburg sind 100 Millionen Euro Verluste entstanden. Der Vertrauens- und Stimmungseinbruch in Frankfurt läßt sich überhaupt nicht beziffern. Das Großprojekt ist zur Affäre geworden, mit der sich jetzt ein Untersuchungsausschuß des Landtags befaßt. Es geht unter anderem um die Frage, wie es zum kostspieligen Engagement des Staates gekommen ist. Die Schlüsselfigur ist der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU). Er mußte im November 2002 zurücktreten, nachdem bekannt geworden war, daß er aus Dubai Zahlungen in Höhe von zunächst einer Million und dann noch einmal von 500.000 Dollar erhalten hatte, die er als "Privatkredit" bezeichnete. Fürniß hatte maßgeblich die Beteiligung des Landes betrieben. Der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) erklärte jetzt vor dem Untersuchungsausschuß, Fürniß habe seinerzeit versichert, für 40 Prozent der Chip-Produktion lägen bereits Abnahmegarantien vor. Dies sei die "Schlüsselfrage" bei der Entscheidung der Regierung gewesen. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, daß Informationen aufgrund eigener Befangenheit manipuliert worden seien, erklärte Stolpe vielsagend: "Das kann ich nicht."
Über Zusammenhänge und persönliche Motive kann zur Zeit nur spekuliert werden. Der Verdacht aber, daß die Scheichs an einem Erfolg des Frankfurter Projekts gar nicht interessiert waren, liegt schon seit längerem in der Luft. Ihnen sei es nur um das technische Wissen gegangen, daß sie für ein eigenes, in Dubai zu errichtendes Chipwerk benötigten.
Zurück zu Fürniß. Am 10. September 2002 ging auf seinem Potsdamer Konto eine Zahlung von 500.000 Dollar ein. Am 11. September wurde eine Verdachtsanzeige gegen ihn wegen Geldwäsche gestellt. Einige Tage später schickte Fürniß das Geld zurück. Pikant dabei: Sein Ministerkollege Jörg Schönbohm (CDU) hatte von der Anzeige auf dem Dienstweg Kenntnis erhalten und ihn umgehend informiert. So konnte Fürniß sich auf das am 18. September 2002 eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche und Korruption vorbereiten. Ende Oktober wurden die Ermittlungen wegen Mangels an Beweisen eingestellt. Politisch war er jedoch nicht mehr zu halten.
Juristisch hat Schönbohm sich korrekt verhalten. Dennoch geriet sein Name nun in Zusammenhang mit dem Fall Fürniß. Und das wenige Monate vor den Landtagswahlen, bei denen die CDU Aussicht hat, in der großen Koalition die Position des Juniorpartners an die SPD abzugeben. Schönbohm reagierte auf Vorhaltungen gereizt. Er weiß: Die Brandenburger Wähler sind unberechenbar.
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