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Es knallen Schüsse. Die Demonstranten flüchten "Unter den Linden" in Berlin vor den Gewehrsalven der Vopos. Die Sowjetpanzer überrollen Dissidenten, es werden Steine gegen die Panzer geschleudert. Die Menschen stehen am 17. Juni 1953 in der ganzen DDR gegen die höheren Planvorgaben und für mehr Freiheit sowie gegen die Sowjetmacht, die sie okkupiert hat, auf.
"Freie Wahlen wollen wir sehen, bevor wir von der Straße gehen" steht auf einem Transparent der DDR-Oppositionellen aus dem Jahr 1989, das in der Ausstellung des Axel-Springer -Verlags und der Stiftung "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" über den Widerstand in der DDR arrangiert wurde. Präsentiert werden Porträts von Schülern und Studenten des Widerstandes, Tonaufzeichnungen und Reden, Schriftstücke, Flugblätter und Aufrufe, Originalkleidungsstücke und Spruchbänder aus über 50 Jahren deutscher Geschichte.
Seit Ende Januar ist die Ausstellung "Widerstand und Opposition in der DDR" in den Eingangshallen des Axel-Springer-Hauses in Hamburg zu sehen. Sie soll als Wanderaus-stellung durch die ganze Bundesrepublik ziehen. Schon heute ist sie ein so großer Publikumserfolg, daß sie verlängert wurde. In den ersten Tagen sahen über 6.000 Besucher die Exponate, die ein authentisches Bild von den Bedingungen des Widerstandes und dem Schicksal der Widerständler in der DDR zeichnen.
Die Weg durch die dargebotenen Stücke beginnt mit dem Volksaufstand in Ost-Berlin und anderen Teilen der DDR. "Wir wollen freie Menschen sein", ist die Forderung der Menschen, die zu Hunderttausenden auf die Straße gehen und nur durch sowjetische Panzer zu stoppen sind. Unterstützt von Einheiten der Volkspolizei und des Staatssicherheitsdienstes (Stasi) gehen die kommunistischen Besatzer am 17. Juni in Ost- und Mitteldeutschland gegen die Dissidenten vor. Viele werden verwundet. 50 Menschen verlieren ihr Leben. Hierbei erinnert die Ausstellung nicht nur an den Aufstand, sondern fragt nach den Hintergründen und stellt diese dar.
Sie beschreibt den Protest der verschiedenen Gruppen und Zirkel in der DDR von den kirchlichen Vereinigungen der evangelischen Gesangeskreise über die Liedermacher wie Wolf Biermann oder den Dissidenten Robert Havemann bis hin zur speziellen Ostkultur, die auch durch Gruppen wie Karat, die Sängerin Nina Hagen oder Symbole der unabhängigen Friedensbewegung "Schwerter zu Flugscharen" zum Ausdruck kommt. Es werden viele Einzelschicksale der Bürgerbewegung in den 70er und 80er Jahren beleuchtet, bis hin zu den Aktivisten von 1989 wie Bärbel Bohley oder Markus Meckel.
Der aufmerksame Betrachter der Exponate sieht über 500 Einzelstücke, die alle mit menschlichen Schicksalen verbunden sind, zum Beispiel Jacketts aus der Zeit des "Prager Frühlings". Es werden besonders die Schlüsselereignisse der Geschichte der DDR herausgestellt. Der Aufstand am 17. Juni 1953, der Mauerbau am 13. August 1961, schließlich Maueröffnung und Mauersturm am 9. November 1989. Das Streben der Widerstandsgruppen nach demokratischer Freiheit und Rechstaatlichkeit wird ebenso deutlich wie die Repressionen, unter denen die Widerstandskämpfer zu leiden hatten. Man möchte das Aufbegehren in der SED-Diktatur in einer Reihe sehen mit dem Widerstreben gegen die Willkür im Dritten Reich durch die "Weiße Rose" oder durch den Kreisauer Kreis.
Dabei wird erinnert an die Auflehnung gegen die Zwangsvereinigung von SPD und KPD, an die Vereinnahmung der privatesten Räume durch die Partei, an die Solidarität mit den Kämpfern im "Prager Frühling" und der Gewerkschaftsbewegung "Solidarnosc" in Polen. Die Macher der Präsentation führen dem Besucher die Problematik des Widerstehens plastisch vor Augen: "Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden", oder auch: "Der Wähler muß das Kreuz, das er macht, auf sich nehmen."
In der Rede zur Eröffnung der Ausstellung stellte Kulturstaatsministerin Christina Weiß die Bedeutung des 17. Juni für die gemeinsame Geschichte des deutschen Volkes in den Mittelpunkt: "Gerade weil der 17. Juni das Fundament für die friedliche Revolution von 1989 und für die deutsche Einheit darstellt, darf das, was sich vor einem halben Jahrhundert (...) ereignet hat, nicht nur die Ostdeutschen etwas angehen."
Die Ausstellung ist noch bis Ende Februar in Hamburg und anschließend in verschiedenen deutschen Städten, zum Beispiel in Schwerin, Chemnitz, Jena, Berlin, Frankfurt/Main, Magdeburg, Nürnberg und Münster, zu sehen. |
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